Das Leben ist kostbar | Kapitel 48.

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Das Leben ist kostbar | Kapitel 48.

On-jo

Schon seit einer ganzen Weile saßen die beiden Mädchen inzwischen schon im Tonstudio. On-jo hielt es für das Beste, sich einmal unter vier Augen mit Ji-min zu unterhalten. Lydia wollte den beiden Mädchen netterweise Gesellschaft leisten, aber Ji-min war der Meinung gewesen, dass die Blondine sich doch lieber um ihren eigenen Angelegenheiten kümmern sollte. Ja, Ji-min war schon immer eine doch recht dickköpfige und streitsüchtige Person gewesen. Doch wieso sie ausgerechnet gegen Lydia solch einen Groll hegte, konnte selbst On-jo nicht verstehen. Sie hatte bemerkt, wie Ji-min mit der Blondine umgegangen war. Sie war kalt und herablassend gewesen, jedoch kannte man sie mittlerweile nicht anders. Es hat lange gedauert, Ji-min zu beruhigen. Zuerst wollte sie nicht mit sich reden lassen, hat wie eine Verrückte geschrien und wild um sich geschlagen, bis sie sogar versehentlich Lydia erwischt hatte.

»Warum willst du sterben, du Verrückte?«, fragte On-jo zögerlich an das Mädchen neben sich gerichtet. Dieser plötzliche Selbstmordversuch von Ji-min hatte bei On-jo doch recht große Spuren hinterlassen. Der Schreck saß ihr noch immer tief in den Knochen und sie hatte das große Bedürfnis, sich einmal mit dem Mädchen auszusprechen.

»Ich hab keinen Grund weiterzuleben«, entgegnete Ji-min mit beinahe schon heiserer Stimme. On-jo hatte große Mühe damit, das Mädchen neben sich anzusehen, ihr Anblick versetzte On-jo einen gehörigen Stich. Die Wangen von Ji-min waren noch immer doll gerötet und feucht vom vielen weinen. Der strähnige Pony fiel zerzaust in ihr leer dreinschauendes Gesicht und das Mädchen starrte mit glasigen Augen auf ihre Hände.

»Das stimmt nicht«, erwiderte On-jo abrupt, wurde jedoch sogleich von dem Mädchen unterbrochen.

»Ich habe niemanden mehr«, erklärte Ji-min mit trauriger, aber dennoch fester Stimme, woraufhin On-jo schwer schluckte. Man könnte fast meinen, dass sich das Mädchen auf diese Weise irgendwie rechtfertigen wollte. Ji-min war im Moment die letzte, die ich für irgendetwas zu rechtfertigen brauchte. Ihre Eltern waren tot und das Mädchen musste es mit ihren eigenen Augen ansehen.

»Mama ist tot, Papa ist tot, ich habe keine Familie mehr, kein Zuhause und jetzt sitze ich hier und frage mich, wie ich das überleben soll.« fügte das Mädchen hinzu, ohne On-jo auch nur einen Blick zu würdigen. On-jo konnte förmlich dabei zusehen, wie Ji-min immer wieder ihre Zähne aufeinander presste und zu grübeln schien.

»Weißt du, wie sich das anfühlt?«, fragte Ji-min an On-jo gerichtet, woraufhin diese sogleich verneinend den Kopf schüttelte. Auch On-jo war mittlerweile den Tränen nahe und sie wusste nicht so recht, was sie sonst darauf antworten sollte.

»Nein, wie denn?« erkundigte sich On-jo mit leiser Stimme, woraufhin Ji-min es war, die den Kopf schüttelte.

»Ich kann auf deine Ratschläge gut verzichten, du hast selber keine Ahnung«, entgegnete das Mädchen mit gewohnt schnippischem Ton, ehe sie erneut ihren Blick von On-jo abwandte.

»Hast du schon mal alles verloren?«, fragte Ji-min, ohne On-jo überhaupt die Zeit zu geben, um auf die vorherige Aussage zu antworten.

»Nein …-« hauchte On-jo mit zittriger Stimme. Sie hatte große Mühe, nicht in Tränen auszubrechen, denn allein der Gedanke, auch noch ihren Vater zu verlieren, war ein regelrechter Alptraum für das Mädchen.

»Ganz genau, also halt doch einfach die Klappe«, entgegnete Ji-min erneut in einem solch forschen Ton, der letztendlich das Fass zum Überlaufen brachte. On-jo wollte dem Mädchen lediglich helfen und sie trösten, doch allmählich wurde ihr klar, dass sie selbst eigentlich nicht in der Lage dazu war, jemand anderem gut zuzureden. Auch On-jo hatte Angst und sie war mittlerweile am Rande der Verzweiflung.

All Of Us Are Dead | Nur dieses eine Leben Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt