Hoffnung und Weisheit | Kapitel 41.

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Hoffnung und Weisheit | Kapitel 41.

On-jo

Mittlerweile hatte sich die Truppe weitestgehend um die Klassensprecherin versammelt. Eigentlich hatte On-jo eher damit gerechnet, dass Nam-ra so etwas wie einen klugen Einfall oder mittlerweile eine Idee hatte, um sagen zu können, wie genau es denn nun mit ihnen weitergehen sollte. Doch zu ihrer Enttäuschung hatte Nam-ra keinen Einfall, sondern philosophierte stattdessen lautstark vor sich hin.

»In einigen Ländern trauert man mehr um Erwachsen als um die Kinder und in anderen Ländern ist die Trauer größer, wenn die Kinder sterben.« begann Nam-ra nachdenklich zu erzählen, wodurch On-jo und der Rest der Truppe zu dem Mädchen aufsahen.

»Was für ein Land ist unseres wohl?«, fragte die Klassensprecherin schließlich zögerlich an die Gruppe gerichtet, doch keiner von ihnen antwortete. Sie alle waren müde, durstig, hungrig und die Kraft, sich über solche Dinge den Kopf zu zerbrechen, war einfach nicht mehr vorhanden. Die Schüler blickten einander ratlos an, ehe sich doch noch jemand zu Wort meldete.

»Was meinst du?« erkundigte sich Dae-su irritiert. On-jo war froh, dass er genauso wenig verstand wie sie selbst und sich als erster die Blöße dazu gab, noch einmal nachzuhaken.

»Wenn Kinder sterben, verliert man die Hoffnung, wenn Erwachsene sterben, verliert man ihre Weisheit.« erläuterte Joon-Yeong während er weiterhin damit beschäftigt war, gründlich seine Brille zu putzen.

»Hoffnung und Weisheit, was von beiden glaubt ihr, ist wohl mehr wert?«, fragte er an die Gruppe gerichtet, doch auch darauf wusste niemand eine Antwort. Der Rest der Truppe, aber auch vor allem On-jo, hatten mehr oder weniger nicht mehr die Nerven für solch ein Rätselraten. Schon eine ganze Weile lang warteten sie alle schon sehnsüchtig auf die Rückkehr von Su-hyeok und Cheong-san. Hoffentlich war ihre Mission erfolgreich, dachte On-jo. Wie lange wird es noch wohl bis zu ihrer Rückkehr andauern?

On-jo und ihre Klassenkameraden horchten auf, als sie erneut die tosenden Klänge der Hubschrauber wahrnehmen konnten.

»Seit gestern kreisen sie ständig über uns.« murrte Nam-ra als sie einen Blick aus dem Fenster warf und in den Himmel blickte.

»Sie scheinen es wohl nicht eilig zu haben mit der Rettung.« stellte Nam-ra fest, ehe sie geradezu enttäuscht den Blick abwandte. On-jo hatte es bereits aufgegeben, jedes Mal hoffnungsvoll aus dem Fenster zu spähen, wenn sie einen Hubschrauber hörte. Die Enttäuschung, jedes Mal aufs Neue festzustellen, dass keiner von ihnen auch nur dem Anschein nach auf dem Weg zur Schule war, schmerzte.

»Aber selbst wenn sie kommen und uns retten, werden wir nicht die Ersten sein, denn dafür sind wir nicht wichtig genug, denn ... wir sind ... nur Schüler.« fügte sie kleinlaut hinzu, woraufhin sie enttäuscht zu Boden blickte. Schon eine ganze Weile lang kämpfte On-jo inzwischen schon mit ihren Tränen. Wo war ihr Vater? War er vielleicht schon auf dem Weg? Ist ihm vielleicht etwas passiert? On-jo wusste es nicht. Aber wenn sie etwas wusste, dann dass sie seinen Verlust niemals ertragen könnte.

»Su-hyeok!« Entkam es Dae-su plötzlich aufgeweckt, woraufhin On-jo sogleich von ihrem Stuhl aufsprang. Die Traurigkeit von eben verblasste abrupt und weckte in ihr einen erneuten Hoffnungsschimmer.

»Hey Nacktfuß!« begrüßte Wu-jin den Jungen, der geradewegs durch das Fenster kletterte, durch das er Stunden zuvor verschwunden war.

»Alles gut?« erkundigte sich Joon-Yeong sichtlich ungeduldig, als Su-hyeok wortlos an der Gruppe vorbeimarschierte. On-jo und ihre Truppe ahnten Böses, weshalb sie den Jungen geradezu umzingelten und ihn mit Fragen überhäuften.

»Handy?« hauchte Hyo-ryeong zögerlich und auch der Rest der Truppe brabbelte weiter durcheinander. Letztendlich war es On-jo, die als erste verstummte, als sie plötzlich eine weitere Person durch das Fenster klettern hörte.

All Of Us Are Dead | Nur dieses eine Leben Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt