Wo ist Cheong-san? | Kapitel 43.

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Wo ist Cheong-san? | Kapitel 43.

On-jo

Es war die Ungewissheit, die das Mädchen plagte und allmählich von innen heraus zerfraß. Weitere Tränen der Verzweiflung bahnten sich über ihre Wangen, während sie weiterhin geistesabwesend aus dem Fenster starrte.

Hastig wischte sich das Mädchen ihre Tränen aus dem Gesicht, als ein doch recht vertrauter Geruch sich ihr näherte. Es war Su-hyeok der sich still und heimlich zu dem Mädchen gesellt hatte und sie geradezu heimlich von der Seite betrachtete. On-jo schluckte schwer, sein mehr oder weniger besorgter Blick bohrte sich geradezu durch sie hindurch.

»Cheong-san geht es sicher gut, er ist unglaublich schnell.« begann Su-hyeok zögerlich zu murmeln, doch davon wollte On-jo nichts hören, nichts dergleichen.

»Cheong-san ist ein Dickkopf«, erwiderte On-jo mit weinerlicher Stimme. Sie war traurig, natürlich war sie das. Aber am meisten war sie wütend, wütend auf Cheong-san und darauf, dass er wieder einmal nicht auf sie gehört hatte.

»Er hat noch nie auf mich gehört, seit wir kleine Kinder gewesen sind« erklärte sie und hatte große Mühe, ein kleines Schluchzen zu unterdrücken. Seit dem Ausbruch musste sie oft an die Zeit ihrer Kindheit zurückdenken. Sie alle waren so glücklich und unbeschwert gewesen. Cheong-san war schon immer jemand gewesen, der nur das getan hat, was er selbst für richtig hielt. Dass er sich dabei hin und wieder immer mal selbst überschätzt hatte, war kein Geheimnis.

»Ich hab ihm gesagt, er soll da lieber nicht hinausgehen.« fuhr das Mädchen grübelnd fort, wobei weitere Tränen ihre Wangen hinunter kullerten.

»Entschuldige, ich hätte besser aufpassen sollen«, gab Su-hyeok schließlich kleinlaut zu, ehe er verstummte. Erneut wandte er seinen Blick von ihr ab und schaute schuldbewusst auf seine Hände.

»Cheong-san ... wo ist er wohl?« entkam es On-jo geradezu hauchend.

»Er hat sich irgendwo in Sicherheit gebracht«, versicherte er On-jo mit sanft klingender Stimme. Es war ein kläglicher Versuch seinerseits, das Mädchen aufzumuntern. Mit trübem Blick schaute On-jo in den Himmel, kaum, als wieder ein Hubschrauber hoch oben am Horizont zu sehen war. Das Mädchen schüttelte für sich selbst den Kopf und erneut stellte sich ihr die Frage, wieso niemand von ihnen kam, um sie alle zu retten. Von dem Hubschrauber aus hatten sie doch alles im Überblick, wieso also eilte den Schülern niemand zur Rettung? On-jo hielt abrupt inne, als ihr plötzlich ein Licht aufging.

»Joon-Yeong, hast du nicht im Wissenschaftsclub eine Drohne gebaut?« erkundigte sich On-jo mit hörbar aufgeweckter Miene und ihre vorherige Traurigkeit wurde durch einen kleinen Hoffnungsschimmer ersetzt. Erwartungsvoll wandte sich das Mädchen ihrer Truppe zu, erntete jedoch nur ratlose Blicke.

»Ähm, willst du Cheong-san mit einer Drohne suchen?«, fragte der angesprochene Junge sichtlich irritiert.

»Geht das nicht?«, erwiderte On-jo fragend an den Brillenträger gerichtet.

»Aber die Drohne ist doch im Labor«, erwiderte Joon-Yeong nachdenklich, ehe er grübelnd seinen Blick von dem Mädchen abwandte.

»Wir können Sie doch holen« schlug On-jo schließlich vor und sie konnte förmlich dabei zusehen, wie dem Jungen seine Gesichtszüge geradewegs entglitten.

»Wie sollen wir das anstellen?« erkundigte sich der Junge mit in Falten gelegter Stirn. Sie konnte ihm ansehen, dass er bereits das Schlimmste zu ahnen schien.

»Da draußen sind überall Zombies« fügte Joon-Yeong hastig hinzu, ehe er sich zur Schiebetür umwandte. Der Junge mit der Brille hatte nicht Unrecht, durch die Schulflure entlangzuspazieren wäre glatter Selbstmord, doch auch darüber hatte On-jo sich bereits Gedanken gemacht. Das Mädchen wandte sich schließlich um und zeigte geradewegs auf die provisorisch angefertigte Strickleiter.

All Of Us Are Dead | Nur dieses eine Leben Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt