Konfrontation | Kapitel 5.

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Konfrontation | Kapitel 5.

Lydia

Sie nahm einen letzten kräftigen Zug von ihrer Zigarette, bevor sie den Stummel schließlich ordnungsgemäß entsorgte und den Rauch wieder ausprustete.

Eigentlich hatte sie schon lange mit dem Rauchen aufgehört, doch trotzdem gab es noch immer Momente, in denen sie schwach wurde und in alte Verhaltensmuster zurückfiel.

Für einen kurzen Moment schloss sie ihre Augen und döste vor sich hin. Ihre Nacht war unerträglich gewesen, denn seit der Unterhaltung mit Cheong-san und seinen Freunden kreisen ihre Gedanken wieder ununterbrochen um Jin-su, den Sohn des Naturkundelehrers.

So langsam kamen die Schuldgefühle, die sie eigentlich vorhatte, zu ignorieren, wieder zum Vorschein. Noch immer konnte sie seine verzweifelte Stimme und das Gespött der anderen hören.

Ihr blieb keine andere Wahl, als Gwi-nam zur Rede zu stellen. Sie wollte einfach nicht wahrhaben, dass sie in ihrer Menschenkenntnis versagt hatte. Doch nicht nur das, schließlich war auch noch ihre Kette in seinem Besitz und die wollte sie gerne wieder haben.

Es war noch relativ früh und es liefen bisher nur vereinzelt Schüler übers Gelände. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit war er also noch gar nicht in der Schule.

Cheong-san und seine Clique hatten gestern auch nicht schlecht geschaut, als sie einfach so aus dem Nichts mit einer Zigarette im Mund nach Hause lief. Alle waren empört über den Anblick gewesen, gleichzeitig aber auch etwas erstaunt darüber.

Der gestrige Abend war wirklich schön. On-jo hatte ihr viel von ihrem Vater und seiner Arbeit als Rettungssanitäter erzählt. Ein wirklich interessanter und spannender Beruf, wie Lydia fand. I-sak erzählte natürlich den aller neusten Tratsch, den sie am Tag in der Schule aufschnappen konnte.

Noch eine ganze Weile hatte sie sich mit Cheong-san und seinen Freunden unterhalten und zufällig erzählte er ihr, dass sich die Mobber gerne beim neuen Baugelände nähe der Schule aufhielten.

Schnell machte sich Lydia auf den Weg zum Baugelände und als sie dort ankam, wurde ihr mulmig zumute. Das war eine dumme Idee, wahrscheinlich sogar die dümmste, die sie je hatte.

Auf einmal hörte sie Geräusche aus dem Baugerüst, es hörte sich so an, als würde jemand mit Steinen umher schmeißen. Vorsichtig betrat sie das Baugelände und schaute sich um, das Klackern der Steine wurde deutlicher.

Langsam schlich sie die Treppe hoch ins erste Obergeschoss und entdeckte Gwi-nam. Es sah aus, als wäre er alleine, das war ihre Chance ihn zu konfrontieren. Das mulmige Gefühl in ihrer Magengegend wurde immer schlimmer und das Atmen fiel ihr deutlich schwerer. Hatte sie Angst vor ihm?

Gwi-nam stand mit dem Rücken zu ihr gerichtet und schaute vom Baugelände hinab. Sie holte einmal tief Luft und richtete ihre Haltung, schließlich wollte sie selbstbewusst rüberkommen.

Vorsichtig ging sie ein paar Schritte auf ihn zu und mit jedem Schritt fragte sie sich, ob er denn immer schon so groß war.

Bisher schien er sie noch nicht bemerkt zu haben. Lydia öffnete den Mund, wollte gerade etwas sagen, doch irgendwie wollte ihr das nicht so recht gelingen.

Sollte sie direkt mit der Tür ins Haus fallen oder sollte sie sich erstmal vorsichtig herantasten? Sie wusste es nicht. Ihre Hände waren bereits schweißnass vor Nervosität und sie hatte das Gefühl, ein dicker Kloß würde ihr im Halse stecken.

Gwi-nam zuckte etwas zusammen, als sie sich plötzlich lautstark räusperte. Ungläubig und mit hochgezogenen Augenbrauen funkelte er sie an, nachdem er sich hastig nach ihr umgedreht hatte.

All Of Us Are Dead | Nur dieses eine Leben Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt