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Kein Auge hatte sie zu gemacht in dieser Nacht. Was verbarg der dunkle Professor vor aller Augen? Was ließ den sonst so emotionslosen und gefühlskalten Mann so die Fassung verlieren, dass seine Mauer anfing zu bröckeln? Eine Mauer, genau das war es, was er sich aufgebaut hatte. Sie hatte es bereits vor einiger Zeit herausgefunden. Snape war nicht die eklige, gleichgültige Person, die er vorgab zu sein. 

Der gestrige Abend war Beweis genug dafür gewesen. Sie hatte die Gefühle in seinen Augen gesehen. Hatte auch gesehen, wie diese fast perfekt aus seinem Gesicht verschwunden waren, als er seine Nachlässigkeit bemerkt hatte. Sie wusste, dass es sie überhaupt nichts anging, aber sie hatte das Gefühl, dass es gestern richtig gewesen war, dem nachzugehen. Auch wenn sie dafür höchstwahrscheinlich noch mächtig Ärger von einer ganz bestimmten Person bekommen würde. Ihr graute schon vor dem Nachsitzen.

Zusammen mit Lynne saß sie beim Mittagessen. Lynne hatte ihr bereits mehrmals unter die Nase gerieben, wie schrecklich sie aussehen würde. Das hatte nicht gerade zu Liz' Motivation beigetragen. Sie hatte bereits am Morgen festgestellt, dass man ihr die schlaflose Nacht deutlich ansah. Sie hatte dunkle Schatten unter den Augen, ihr Gesicht sah farblos aus und sie fühlte sich gerädert. 

Dem Unterricht konnte sie nur schwer folgen und sie musste sich stark zusammenreißen, um sich in Verwandlung nicht in irgendeine Ecke zu verdrücken und auf dem Kissen, in das sie ihren Dachs verwandelt hatte, einzuschlafen. Sie sollte mal Meditationstechniken ausprobieren, damit sie nachts nicht von all ihren Gedanken heimgesucht wurde, die sie tagsüber verdrängte.

Es wurde nicht besser, als sie am Abend durch den halbdunklen Korridor schritt und auf dem Weg zu Snapes Büro war. Sie war so müde, dass sie sich schon Dinge einbildete. Sie war sich sicher, gerade Schritte gehört zu haben. Hektisch warf sie einen Blick über die Schulter und entspannt sich bei dem Anblick des leeren Korridors. Sie wurde langsam echt paranoid. Sie hatte das Geräusch leiser Schritte im Ohr und beschleunigte ihre eigenen Schritte direkt etwas. 

Auch wenn sie sich das nur einbildete, gruselig war es trotzdem. Die Fackeln an den Wänden warfen tanzende Schatten. Eigentlich war Liz nicht der Typ Mensch, der Angst im Dunkeln hatte, aber ihre Fantasie spielte ihr ein Streich nach dem anderen. Es musste wirklich an ihrer immer weiter zunehmenden Müdigkeit liegen. Und vielleicht daran, dass sie das Abendessen hatte ausfallen lassen müssen, um ihren wahnsinnigen Berg an Hausaufgaben etwas zu vermindern. Sonst würde sie ihn über das Wochenende nicht bewältigen können.

Ein Poltern hinter ihr ließ sie herumfahren. Das hatte sie sich definitiv nicht eingebildet. Da war doch jemand! Sie fühlte sich unangenehm an den Tag des verhängnisvollen Quidditchtrainings zurückversetzt. Sie hatte genau das gleiche Gefühl, beobachtet zu werden. Diesmal würde sie nicht vor Angst die nächstbeste Person anzuspringen. Bestimmt blieb sie stehen, drehte sich herum und zog ihren Zauberstab. "Homenum Revelio!" 

Bevor sie jedoch zu Ende gesprochen hatte, nahm sie eine leise Stimme wahr, die ihr einen Schauern über den Rücken sendete. "Calare Praesentia!" Es war kaum hörbar gewesen und doch laut genug, dass sie sich sicher war, es sich nicht eingebildet zu haben. Ihr Aufspürzauber schlug fehl - kein Wunder, bei dem Gegenzauber. Sie hob ihren Zauberstab und ging langsam auf die Stelle zu, an der sie die andere Person vermutete. Ein wütendes Zischen ließ sie inne halten. Ihr fiel auf, dass sie gar nicht wusste, mit was sie es hier überhaupt zu tun hatte.

Die Panik kehrte zurück. Was tat sie hier eigentlich? Jeder normale Mensch hätte längst auf seinen Selbsterhaltungstrieb gehört und wäre bereits an einem anderen Ort in diesem Schloss. Sie hörte das Rascheln von Kleidung und dann Schritte, die sich ihr Rasch näherten. Oh ja, und wie die Panik zurückkehrte. Sie machte kehrt und rannte, als wäre Voldemort höchstpersönlich hinter ihr her. Allerdings verbesserte die Tatsache, dass sich die Schritte hinter ihr ebenfalls beschleunigten, ihre Panik nicht unbedingt. Eher im Gegenteil. 

Shades of Darkness - Severus SnapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt