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Auf zitternden Beinen stand sie am Regal und versuchte, nicht in Panik zu verfallen. Sie würde der Schule verwiesen werden! Noch niemals war sie derart unachtsam gewesen und hatte sich im Gebäude verwandelt! fieberhaft überlegte sie, wie sie zum Eingangsportal kommen sollte. Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie das Buch fast noch einmal hätte fallen gelassen. Auf wackeligen Beinen ging sie zur Tür, wobei sie das Buch noch auf einen der Tische legte.

Die Tür ließ sie achtlos hinter sich zufallen und zuckte bei dem lauten Geräusch zusammen. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, als die Verwandlung begann. Bei Merlin, sie hatte vergessen wie schmerzhaft die Verwandlung an Vollmond war. Mit Wolfsbanntrank war es beinahe schmerzfrei gewesen und wenn sie sich bewusst verwandelte, tat es überhaupt nicht weh. Ihr Blut rauschte in ihren Ohren, als sie mit aller Macht versuchte, die Verwandlung aufzuhalten.

Stöhnend lehnte sie sich an die kühle Wand des Korridors und stieß wieder einen leisen Schrei aus, als ihr Rücken sich krümmte. Ihr Wolf wollte endlich frei sein und lieferte sich einen Kampf mit ihrem Willen. Sie schloss die Augen und schaffte es tatsächlich, ihrem Wolf Einhalt zu gebieten. Ihr Rücken nahm wieder seine normale Form an, allerdings verwandelte sich nun ihr Arm. "Sie dummes Mädchen, warum sind sie nicht längst in der Heulenden Hütte?" Nur gedämpft drang die Stimme zu ihr durch. Sie konnte nicht antworten. Sie benötigte all ihre Kraft, um sich nicht zu verwandeln und mit jeder Sekunde fiel ihr dies schwerer. Ihre Beine zitterten stärker und waren nicht länger in der Lage dazu, sie zu tragen. "Beantworten sie mir meine Frage, Miss Colan! Worauf warten sie noch? Machen sie, dass sie aus dem Schloss kommen! Nach diesem Vorfall würde es mich sehr wundern, wenn sie es jemals wieder betreten!"

Es war zu viel. Ihre Beine gaben nach und sie rutschte an der rauen Mauer nach unten, wo sie zusammengekauert sitzen blieb und mit allen Mitteln versuchte, die Verwandlung aufzuhalten. Es war ihr egal, wer dieser jemand war, der soeben sein Leben riskierte. Sie hatte keine Ahnung wer er war, da sie ihre Augen geschlossen hielt und alle ihre Sinne auf sich selbst gerichtet hatte. Sie wimmerte leise, als es in ihren Beinen knackte und diese wuchsen. Kurz hörte sie nur das Rascheln eines Umhangs. Dann spürte sie zwei kühle Hände, die sich um ihr Gesicht legten. "Atmen sie tief ein und aus." Die Anweisung klang nicht mehr so scharf und wütend wie eben, sondern hörte sich konzentriert und etwas besorgt an. Sie tat was von ihr verlangt wurde und merkte, wie es tatsächlich besser wurde. Zu ihrem Bedauern verschwand die kühle Haut von ihrem Gesicht. Langsam versuchte sie aufzustehen, wurde jedoch von zwei Händen gepackt und auf die Beine gezerrt. Wimmernd stolperte sie voran, als jemand sie unsanft hinter sich her schleifte.

Schließlich hörte sie, wie jemand ein Wort zischte und danach spürte sie den Luftzug einer Tür, die hinter ihr ins Schloss fiel. Ihr Arm wurde losgelassen und sie drohte wieder den Boden zu sinken. Sie klammerte sich an einem Türrahmen fest und versuchte, die Verwandlung weiter aufzuhalten. Doch die Sonne war bereits untergegangen und der Vollmond lugte hinter den Wolken hervor. Sie hörte etwas klirren. Gleich darauf drückte ihr jemand eine Phiole an die Lippen. Sie versuchte den Kopf wegzudrehen. "Wenn sie das nicht trinken, kann ich nicht für ihre Sicherheit garantieren. Ich habe nicht vor, als ihr Abendessen zu enden!" Diese harsch gesprochenen Worte brachten sie dazu, eine zitternde Hand vom Türrahmen zu lösen und nach der Phiole zu greifen. Sie schluckte den Trank und fast augenblicklich verschwand der Schmerz. Erleichtert atmete sie tief durch, öffnete ihre Augen und schluckte. Sie stand Auge in Auge mit einem Tränkemeister, der sie wenig begeistert ansah. Mehr war in seinem Blick nicht. Wut suchte sie vergeblich. Sie fand nur etwas wie Missbilligung und... Besorgnis?

Sie hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Ihre Verwandlung setzte ein. Diesmal unaufhaltsam. Sie tauchte unter seinem Arm hindurch und flüchtete zur Tür, die sie verzweifelt versuchte zu öffnen. "Sie glauben doch nicht etwa, dass ich sie als Wolf durch die Schule spazieren lasse." Verzweifelt sah sie ihn an und flüchtete in die andere Richtung. Ein Wohnzimmer. Sie nahm ihre Wolfsgestalt an und sprang hinter das Sofa. Sie wollte nicht, dass jemand sie so sah. Dumbledore war eine Ausnahme, da es notwendig war und bei Lynne hatte sie sich nicht anders zu helfen gewusst. Aber sie wollte nicht, dass sie jetzt jemand sah. Am aller wenigsten der griesgrämige Professor, der sich die Schwächen seiner Schüler immer zunutze machte. Außerdem hatte sie in letzter Zeit genug unangenehme Dinge in seiner Gegenwart erlebt. Vorsichtig lugte sie hinter dem Stoff hervor und sah, wie er seinen Zauberstab schwang und eine silberne Hirschkuh daraus hervorbrach.

Shades of Darkness - Severus SnapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt