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"Alles, was heute in diesem Raum passiert ist oder gesagt wird, bleibt auch hier drin. Ich weiß nicht, was sie mich fragen wollen, aber an der Art wie sie danach gefragt haben, kann ich mir sicher sein, dass es nichts ist, was ich gerne beantworten werde. Und ob ich überhaupt antworte, steht noch gar nicht fest."

Erleichtert nickte Liz. Das war mehr als akzeptabel. "Ich möchte keine haarsträubenden Gerüchte über meine Person hören. Gerede verbreitet sich hier schnell und verliert schneller an Wahrheit als man überhaupt mitbekommen kann, wie es sich verbreitet."

Wieder nickte Liz. Wer wollte schon Gerüchte über sich selbst hören? "Miss Colan, fragen sie, bevor ich es mir anders überlege." Erschrocken blickte sie auf. Kurz überlegte sie wie sie ihre Frage formulieren sollte, bevor sie den Mund aufmachte. "Habe ich sie gestern gestört?" Eine Frage dieser Art hatte er erwartet. "Nein."

Diese Antwort überraschte ihn selbst. Als sie so plötzlich aufgetaucht war, hatte er sich erst gestört gefühlt, jedoch war die kurze Zeit, in der sie einfach dagesessen hatte, auch beruhigend gewesen. Ja, tatsächlich. Ihre Anwesenheit hatte ihn beruhigt. Bis sie sich ihm angenähert hatte. Kurz war er versucht gewesen, mit ihr zu reden, aber er konnte nicht.

Wie gerne hätte er mit ihr geredet. Er benötigte so dringend jemanden zum Reden, aber sein rationales Denken hatte diesen Gedanken schnell beiseitegeschoben. Er würde alleine damit klarkommen. Allerdings hatte er es bereut, dass er sie komplett weggeschickt hatte. Gesellschaft hatte er selten und noch seltener hatte er Gesellschaft von Leuten, die ihm durch ihre nervige Art kein Unbehagen bereiteten.

Er glaubte zu wissen, was die zweite Frage war. Schließlich war er ja nicht gerade bekannt dafür, abends am Ufer des Sees zu sitzen und die Beine baumeln zu lassen. Hätten ihn die unteren Klassen so gesehen, hätte sein böser Ruf auf dem Spiel gestanden. Wobei er sich sicher war, dass sie ihn gar nicht so schlimm fand. Irgendwie ahnte sie, dass er seine Emotionen hinter einer sorgsam aufgebauten mauer verbarg. Er hatte es ihr angesehen, als sie sich gestern neben ihn gesetzt hatte.

Er war sich sicher, dass sie ihre Frage von gestern wiederholen würde. Sie wollte wissen, weshalb er da gesessen hatte. Er wusste es und suchte fieberhaft nach einer Lösung. Es ging sie nicht das Geringste an. Da fiel ihm wieder ein, dass er die Frage überhaupt nicht beantworten musste. Er griff ebenfalls nach seiner Tasse und nahm einen großen Schluck von dem warmen Tee.

Der herbe Geschmack von Kräutern bereitete sich in seinem Mund aus und seine Gesichtszüge entspannten sich etwas. Er konnte gar nicht sagen, was er besser fand. Tee oder Kaffee. "Wieso saßen sie in der Nacht von Montag auf Dienstag neben mir im Krankenflügel?" Ihm entgleisten die Gesichtszüge, ohne dass er es verhindern konnte.

Woher wusste sie das? Sie hatte doch geschlafen, da war er sich sicher. Aber vielleicht war sie aufgewacht. Was sollte er antworten? Wenn er ihr sagen würde, dass es sie nichts anging, würde sie trotzdem nachbohren. Er kannte sie mittlerweile gut genug, um das so sagen zu können. Es kam nicht oft vor, dass er ratlos war. Erwartungsvoll sah sie ihn an und wartete auf seine Antwort. Sie wusste ganz genau, dass er ihr eine Antwort geben musste. Da fiel es ihm ein. Ihre Gedächtnislücke!

"Auch wenn ich mich vor ihnen nicht rechtfertigen muss, sollen sie ihre Antwort bekommen. Sie haben gesagt, dass sie sich nicht daran erinnern können, was am See passiert ist. Ich habe etwas nachgedacht und vielleicht eine Lösung parat. Allerdings muss ich noch mit dem Schulleiter darüber sprechen und sie müssen auch erst ihr Einverständnis geben. Ich glaube es wäre im Sinne aller, dieses Rätsel zu lösen. Vielleicht können wir das nächste Mal nicht rechtzeitig eingreifen, wenn wieder ein Schüler verschleppt wird." Er beglückwünschte sich selbst zu diesem Einfall musste zugeben, dass er gar nicht so schlecht war.

Shades of Darkness - Severus SnapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt