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Schon wieder hatte die Ravenclaw keine Ahnung, was sie sagen sollte und behielt es sich so vor, zu schweigen. "Miss Colan, ich warte auf eine Antwort." Er machte es ihr aber auch nicht leicht. Sie schluckte. "Ist es so abwegig, dass sich ein Schüler für Zaubertränke interessiert?" Ausdruckslos sah er sie an. Ihm war klar, dass sie wenigstens ein wenig Interesse für diese schwere Kunst mitbringen musste, um so gute Noten zu bekommen.

Und wenn jemand bei der Notenvergabe streng war, dann war er das. Bei jeder Hausaufgabe schaute er ganz genau darauf, dass er keinen Punkt unnötig verschenkte. Sie war die einzige ihres Jahrgangs, die sowohl bei den ZAGs als auch bei den UTZ ein Ohnegleichen in Zaubertränke bekommen hatte, was er nicht oft erlebt hatte.

Erstaunt stelle er fest, dass es ihn freute, dass sie sich für sein Fach interessierte. Jedoch war diese Freude nur innerlich. Äußerlich ließ er sich nichts anmerken. Er hatte zu lange gebraucht, um seine Maske zu perfektionieren und würde sie jetzt nicht für eine Schülerin fallen lassen. Auch nicht für einen Moment.

Er hatte gerade erst Lily verloren. Sie war der einzige Mensch, der seine Emotionen verdient hatte. Er konnte sie einfach noch nicht los lassen. Das würde er nie können. Er war schuld. Aber er hatte ja auch Verantwortung für seine Schüler. Er war zwiegespalten, wusste nicht genau, wie er handeln sollte. Er entschied sich dazu abzuwarten. Vielleicht war es ja an der Zeit, einmal auf sein Bauchgefühl zu hören? Er war sich nicht sicher.

Eine Bewegung neben ihm sog seine Aufmerksamkeit auf sich und er sah, wie Liz eine Hand an ihre Schläfe hob und langsame, kreisende Bewegungen vollführte. Sie hatte die Augen geschlossen. Er rutschte ein winziges Stück näher und berührte vorsichtig mit der Rückseite seiner Hand ihre Stirn. Bei der Berührung zuckte sie zurück und starrte ihn aus aufgerissenen Augen an. Kurz verschwamm ihr Blick, bevor sie ihn, diesmal verwirrt, erneut anblickte. Er hätte es wissen müssen. Sie war warm. Zu warm. Der Trank hatte manchmal Nebenwirkungen.

Leise fluchend stand er auf und verschwand kurz in sein privates Labor, um einen anderen Trank zu holen. Zielstrebig griff er nach einem kreislaufstabilisierenden Trank, bevor er zurück in sein Wohnzimmer eilte und sich neben seine Schülerin setzte. Er drückte ihr die kleine Phiole in die Hand und füllte das Glas erneut mit Wasser. Ein Blick zu seiner Schülerin ließ in die Augen verdrehen. Sie mühte sich ab, die Phiole zu entkorken und versuchte gleichzeitig herauszufinden was sich darin befand. Kopfschüttelnd nahm er sie ihr wieder ab, entkorkte sie und blickte dann unentschlossen zwischen dem rothaarigen Mädchen und seiner Hand mit der Phiole hin und her.

Verschwommen sah sie ihn an und streckte ihre Hand wieder nach der Phiole aus. Mit gerunzelter Stirn stellte er fest, dass diese leicht zitterte. Ergeben seufzte er, ignorierte ihre Hand und hielt ihr die Phiole an die Lippen. Verwirrt versuchte sie ihren Kopf wegzudrehen, jedoch benebelte irgendetwas ihre Sinne und sie merkte, wie ihr Arm kraftlos hinuntersank. Leicht genervt drückte Snape seine Schülerin etwas nach hinten und flößte ihr kurzerhand den Inhalt der Phiole ein. Als sie ihr Gesicht verzog, fiel ihm etwas ein. "Könnte nicht ganz ihrem Geschmack entsprechen." Sagte er trocken.

Der vorwurfsvolle Blick blieb aus, denn ihre Augenlider flatterten und sie sackte zur Seite. Er zog eine Augenbraue hoch, als er ihren Körper gegen seine Seite sinken spürte. Kurzentschlossen legte er seinen Arm um ihre Schulter, damit sie nicht auf den Boden rutschte. Zum dritten Mal an diesem Tag dachte er darüber nach, wie er in diese Situation hineingerutscht war. Vorsichtig betrachtete er die junge Frau in seinem Arm.

Noch nie war ein Schüler in seinen Räumen gewesen. Generell war ihm noch nie ein Schüler so nahe gekommen. Es war zwar nicht ganz freiwillig, aber trotzdem war es neu für ihn. Er spürte, wie sich Sorge in ihm regte, als ihm auffiel, dass sie nicht wach wurde. Der Trank hätte doch längst wirken müssen. Er zog seinen Arm unter ihrem Körper hervor und schob sie zurück auf das Sofa. Stöhnend stand er auf und fuhr sich durch die Haare.

Dann zog er seinen Zauberstab aus dem Ärmel seines Umhangs und setzte sich neben sie auf die Kante des Sofas. Er führte einen stummen Diagnosezauber aus und stellte erstaunt fest, dass sie einfach nur schlief. Wahrscheinlich war der ganze Stress für ihren Körper so anstrengend gewesen, dass er einfach abgeschaltet hatte. Jetzt stand er vor einem neuen Problem. Er wollte sie ungern wieder durch das ganze Schloss tragen. Aber wie weckte man eine Schülerin?

Zögernd streckte er seine Hand aus und legte sie auf ihre Schulter. Kurz verharrte er so, bevor er versuchte, sanft an ihr zu rütteln. Wenn er alles richtig gemacht hatte, müsste sie jetzt aufwachen, dachte er sich. Erwartungsvoll sah er in ihr Gesicht. Als sie sich nach ein paar Sekunden nicht regte, rüttelte er erneut an ihrer Schulter. Sie grummelte leise und drehte sich zu ihm um.

Er erstarrte, als sie seinen Arm im Schlaf fest umklammerte. Etwas verzweifelt versuchte er, seinen Arm zu befreien, was ihm letztendlich gelang. Allerdings rutschte sie dadurch noch etwas näher an ihn heran, was er peinlich berührt feststellte. Ihm fiel auch auf, dass sie nun so weit an der Kante lag, dass sie herunterfallen würde, wenn er nun aufstand. Frustriert legte er seinen Kopf in den Nacken. Warum war das so schwer?

Wieder rüttelte er an ihr. Erleichtert stellte er fest, dass sie langsam ihre Augen öffnete. Ihr Körper drehte sich etwas und sie rutschte noch näher an ihn heran. Dann merkte sie, wo sie war und wer bei ihr war und schnell versuchte sie sich hinzusetzen. Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie schien sehr geschockt zu sein. Schnell beugte er sich über sie und hielt ihre Arme fest, damit sie nicht direkt wieder umkippte, wenn sie sich jetzt zu schnell bewegte.

Sie fühlte die Wärme seiner Hände auf ihren Armen und beruhigte sich etwas, während die Erinnerungen an die Nach erneut durch ihren Kopf liefen. Er würde ihr nichts tun. Das wusste sie nun. Sie merkte, wie der Widerstand auf ihren Armen verschwand und er sie zurück auf das Sofa schob und dann langsam aufstand. Kurz verschwand er in einem Nebenraum und sie hörte das Geräusch einer Schublade.

Sie setzte sich auf und griff nach dem Glas Wasser, das neben ihr stand. Gierig trank sie ein paar Schlucke. Dann wollte sie das Glas zurückstellen, jedoch fiel ihr ein in grünem Samt eingebundenes Buch auf, das dort lag. Silberne Buchstaben zierten den Einband und den Buchrücken. Sie musste lächeln, als sie es erkannte. Eine dunkle Stimme holte sie zurück ins Hier und Jetzt.

Snape stand vor ihr und blickte zwischen ihr und dem Buch hin und her, bevor Erkenntnis begleitet von einem angedeuteten Lächeln sein Gesicht zeichneten. Einen Moment. Snape lächelte? Liz war überrascht. Das hatte sie noch nie gesehen. Oder zumindest erst ganz selten. Er hielt ihr ein schwarzes Bündel entgegen und drehte sich dann weg. Neugierig nahm sie es entgegen und wurde rot, als sich vor ihr ein schwarzer Umhang entfaltete.

Mit einem Blick versicherte sie sich, dass er nicht schaute, bevor sie die Decke von ihren Schultern streifte und sich in den Umhang wickelte. Er war etwas sehr groß, aber dennoch war sie ihm dankbar, dass er sie nicht in ihrem Schlafanzug durch die Schule laufen ließ. Leise räusperte sie sich und lächelte ihn vorsichtig an, als er sich wieder umdrehte. "Danke." Sagte sie, was er mit einem kleinen Nicken quittierte.

Mit großen Schritten ging er zur Tür und öffnete diese, bevor er ihr bedeutete, hindurchzutreten. Mit einem dumpfen Laut schloss sich die Tür hinter ihr und sie stieß die Luft aus, die sie kurzzeitig angehalten hatte. Sie machte einen Schritt nach vorne, um in Richtung Gemeinschaftsraum zu gehen, als eine Hand auf ihrer Schulter sie zusammenzucken ließ. Sie wirbelte herum und begegnete dem nun wieder ausdruckslosen Gesicht von Snape, der sie vor sich herschob.

Sie hatte nicht gemerkt, dass er ebenfalls aus der Tür getreten war. Es schien, als wolle er sie zum Ravenclaw Turm bringen. Bestimmt schob er sie vor sich her und sie verstand, weshalb er mitgekommen war, als sie Filch begegneten, der durch die Gänge schlich. Wieder schenkte er ihr eines seiner gruseligen Lächeln, was sie erschaudern ließ. Dies schien Snape nicht zu entgehen, denn er lief noch etwas schneller.

Am Eingang des Gemeinschaftsraumes angekommen, betätigte er den silbernen Türklopfer, der sich zu einem Adler formte und sie erstaunlicherweise einließ, ohne ein Rätsel zu stellen. Das schien daran zu liegen, dass er ein Lehrer war. Fragend sah Liz den Professor an, der sie wortlos durch den Eingang schob und ihr dann noch einmal förmlich zunickte, bevor er sich umdrehte. "Gute Nacht, Professor." Flüsterte Liz und lächelte, als er kurz innehielt und sich dann noch einmal zu ihr drehte, bevor er ging. "Gute Nacht, Miss Colan."

Shades of Darkness - Severus SnapeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt