CHAOS IM KOPF

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*Annemarie* - zurück in Berlin

Der Abschied heute Morgen von Wincent fiel mir alles andere als leicht. Die letzten Tage vergingen wie im Flug. Jetzt sitze ich hier im Zug, zurück nach Berlin. Irgendwie fühlt es sich komisch an. Ich fühle mich seltsam leer. Ein völlig neues Gefühl für mich. Ich liebe mein Leben in Berlin und doch fühlt es sich zum ersten Mal komisch an, da wieder hin zu fahren. Gedankenverloren öffnete ich meine Spotify Playlist. Doch schon nach kurzer Zeit drifteten meine Gedanken zurück an den Eibsee. Nach unserem wundervollen Shooting gestern gingen Wincent und ich noch ein kleines Stück spazieren. Wincent wurde immer nervöser. Kurz bevor ich ihn fragen wollte, was los war, rückte er mit der Sprache raus. Schüchtern fragte er mich, ob wir nicht zusammen in den Urlaub fahren wollten. Zugesagt hatte ich bislang noch nicht. Für Wincent war es in Ordnung. Ich sollte es mir in Ruhe überlegen. Hätte ich vielleicht gestern direkt zusagen sollen? Dann würde ich jetzt nicht die ganze Zeit überlegen.
Sollte ich? Sollte ich nicht? Sollte ich es wirklich wagen, mit Wincent zusammen in den Urlaub zu fahren? War es vielleicht dazu noch viel zu früh? Ich überlegte hin und her. Ich kam aber zu keinem eindeutigen Ergebnis. Vielleicht sollte ich Franzi einweihen. Schließlich ist sie meine beste Freundin, überlegte ich.
Früher oder später würde sie eh erfahren, wenn ich da date. Also warum nicht schon jetzt. Wir erzählten uns schließlich alles. Kurzerhand beschloss ich, Franzi eine kurze Nachricht zu senden. "Hey du, wie gehts dir? Wie war dein Wochenende? Ich bin gleich wieder in Berlin. Hast du Lust, dass wir zusammen etwas zu kochen oder zu bestellen? Ich bringe den Wein mit. LG Ann"
Kurz nachdem ich WhatsApp schloss, kam direkt eine Antwort. "Klingt gut. - Ich will alles wissen. Ja, wirklich jedes noch so kleine Detail. Lass bloß nichts aus nachher. Ich freue mich. Was hältst du von Pizza? Dann würde ich schon mal bestellen. Dann ist es da, wenn du bei mir ankommst." "Klingt nach einem guten Plan. Bis gleich."
Am Bahnhof angekommen, sprang ich schnell aus dem Zug und in den nächsten Rewe rein. Unser Lieblingswein war schnell gefunden. Sicherheitshalber packte ich 2 Flaschen Wein ein. Je nachdem, wie Franzi die Nachricht aufnehmen würde, könnten diese nützlich sein.
Franzi begrüßte mich mit einem breiten Grinsen. "Da kommt ja meine Dating Queen." "Hey Franzi, nun übertreib doch mal nicht." "Komm rein. Die Pizza kam 3 Minuten vor dir an." "Perfektes Timing.", antwortete ich. Schnell zog ich mir meine Jacke und meine Schuhe aus. Schnell ging ich in Franzis Schlafzimmer und holte mir meine deponierten dicken Socken raus und zog mir diese an. Im Wohnzimmer angekommen, lungerte Franzi bereits mit einer geöffneten Weinflasche und der Pizza auf dem Sofa. "So Ann, ich bin bereit. Setz dich. Jetzt will ich alles wissen.",kam es aufgeregt aus ihrem Mund. "Du kannst es echt nicht abwarten, oder?" "Nein, ich kann mich schließlich nicht erinnern, wann dich das letzte Mal ein Typ so umgehauen hat, dass du da direkt hinfährst." "Na gut, ich erzähle dir alles. Aber davor musst du mir eins versprechen. Raste bitte nicht aus, egal was kommt okay?" "Ann, jetzt machst du mir aber Angst." "So schlimm ist es auch nicht." Ich atmete nochmal tief ein und aus. Trank noch einen großen Schluck aus meinem Weinglas und nahm mir ein Stück Pizza, bevor ich anfing zu berichten. "Das Wochenende war einfach ein Traum. Ich kam bei ihm an und er hatte gekocht." "Wie süß ist das denn?", unterbrach mich Franzi. "Ja, ziemlich süß. Zum Sonnenuntergang waren wir im Olympiapark und danach sind wir weiter zu seinen Freunden und Arbeitskollegen gefahren. Der Abend war mega witzig. Sie haben mich so nett aufgenommen. Nach kurzer Zeit dachte ich, ich würde die Bande selber schon Jahre kennen. Dort lernte ich auch eine gute Freundin von Wincent kennen. Mit ihr war ich am nächsten Tag zusammen shoppen. Da Wincent erst noch etwas arbeiten musste. Gegen späten Nachmittag hat uns Wincent dann abgeholt. Abends wollten wir eigentlich alle zusammen eine Party schmeißen, aber Wincent und mir war nach Zweisamkeit. So sind wir dann doch nach Hause gefahren. Den Sonntag sind wir echt früh aufgestanden. Wincent hatte noch ein Fotoshooting. Kurzerhand, nachdem seine Bilder fertig waren, haben wir noch ein paar Bilder zusammen gemacht. Irgendwie total ungewohnt, aber auch total schön. Spätabends sind wir dann noch ein bisschen durch die Münchener Innenstadt gelaufen und sind essen gegangen. Naja und heute Morgen hieß es dann Abschied nehmen." "Wow Ann, das klingt ja wunderbar." "Bei einem kleinen Spaziergang am Eibsee hat Wincent mich plötzlich gefragt, ob ich nicht mit ihm zwischen Weihnachten und Neujahr in den Urlaub fahren würde."
Franzi unterbrach mich direkt. "Ich hoffe, du hast ja gesagt." "Nein, noch nicht." Franzi schaute mich geschockt an. "Bevor du mich verurteilst, er hat es absolut verstanden und hat mir auch gesagt, ich solle es mir in Ruhe überlegen. Wenn du gleich den Grund erfährst, wirst du es denke ich auch verstehen." "Das klingt jetzt aber merkwürdig. Wo ist der haken? Ist es ein Familienurlaub?" "Nein", lachte ich. Ich nahm noch einen weiteren Schluck von dem Wein. "Also, Franzi hör zu und behalte bitte die Ruhe."  Franzi nickte neugierig. Sie umklammerte ihr Weinglas. "Also, ich date nicht irgendeinen Typen. Also für mich ist er ganz normal, nur für viele andere wohl nicht." "Ann, jetzt weiß ich gar nichts mehr." "Also, du wirst ihn gewiss auch kennen. Er ist nicht ganz unbekannt." "Rück raus mit der Sprache. Und sprich nicht in Rätseln." "Also, naja, ich date Wincent Weiss, so nun ist es raus", ich atmete hörbar aus. Franzis Augen wurden groß. Kaum hatte ich seinen Namen ausgesprochen. "Warte, was hast du gesagt? Du datest Wincent Weiss?", ihre Worte überschlugen sich, so dass ich sie kaum verstand. Franzis Mund öffnete und schloss sich wieder, ohne das ein Ton rauskam. Wortlos prostete ich ihr zu. Meine beste Freundin saß stumm vor mir auf dem Sofa. So kannte ich sie gar nicht. Kurz dachte machte ich mir Sorgen, doch langsam fand sie ihre Worte wieder. "Jetzt macht alles einen Sinn." Nun war ich es, die fragend drein schaute. "Na, das mit er war nur auf Dienstreise hier, er wohnt jedoch auch nur zeitweise in München. Na klar, er produziert da sein Album. Deswegen wohnt er da."

Franzi zählte 1:1 zusammen. "Naja, nun weißt du auch, warum ich mir nicht sicher bin, ob wir zusammen in den Urlaub fahren sollten." Franzi schien kurz zu überlegen. "Ich verstehe dich. Aber wäre es für euch nicht das einfachste? Einfach mal weg. Raus aus dem Alltag. Gucken wie es zwischen euch funktioniert? Bisschen Abstand nehmen von der Realität. Einfach nur ihr beide?" "Meinst du wirklich? Ich bin mir halt wirklich unsicher." "Wovor hast du genau Angst?" "Ich weiß nicht genau, was ist, wenn er erkannt wird. Und dann Fragen zu meiner Person aufkommen. Ich würde gerne normal mit Wincent umgehen können. Nicht ständig in der Öffentlichkeit Abstand halten zu müssen.", gab ich zu. Zum ersten Mal gab ich wirklich Preis, was ich dachte und wovor ich Angst habe. "Weißt du Franzi? Ich habe mich in Wincent verliebt, so richtig. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, ohne ihn zu leben. Es fühlte sich sogar komisch an, wieder nach Berlin zurückzukehren. Doch macht mir sein Leben in der Öffentlichkeit Angst. Ich bin nicht der Typ dafür. Was ist, wenn genau das uns wieder auseinander reißt, bevor es richtig beginnt?" Kurz schien Franzi zu überlegen.

"Ann, ich glaube nicht, dass Wincent dich mit in die Öffentlichkeit zieht. So wie ich ihn bisher kennengelernt habe, ist er sehr bedacht darauf, was in die Öffentlichkeit kommt und was nicht. Ann gibt euch eine Chance. Vertrau deinem Herzen. Fahrt zusammen in den Urlaub. Sucht euch einen Ort, wo ihr auch in der Öffentlichkeit ein normales Paar sein könnt. Zusammen werdet ihr das schaffen und auch an euren gemeinsamen Aufgaben wachsen.", beendete Franzi ihre eindringliche Rede. "Ich glaube, du hast Recht. Ich will es schaffen. Ich sage ihm am Besten direkt zu." Überglücklich umarmte Franzi mich stürmisch. "Ich bin mir sicher, ihr beide werdet eine schöne Zeit haben.", bestärkte Franzi mich noch einmal. Schnell griff ich nach meinem Handy. "Hey Wincent, meine Freundin hat mir gerade den Kopf gewaschen. Ja ich will mit dir in den Urlaub fahren. Oh man, dass ja ich will, klingt gerade falsch. Aber ich freue mich. Hast du morgen Zeit zum telefonieren? Dann können wir überlegen, wohin wir fahren wollen." - schnell schickte ich die Nachricht an Wincent ab.  Kaum hatte ich mein Handy weggelegt und mich wieder Franzi zugewendet, schon erklang mein WhatsApp Ton. Entschuldigend schaute ich meine beste Freundin an. "Schon okay. Ich bin auf seine Antwort gespannt. Schau schnell nach.", bestärkte Franzi mich. Seine Nachricht ließ mich breit grinsen. "Hey mein Liebling, du machst mich gerade zum glücklichsten Menschen der Welt. Ich habe so gehofft, dass du zusagen würdest. Für dich habe ich immer Zeit. Genieß aber erstmal deinen Abend bei deiner Freundin. Sie ist mir jetzt schon sympathisch. Ich vermisse dich." Schnell antwortete ich ihm, dass ich ihn auch vermisste und das ich nun mein Handy weglegen würde. 
Franzi und ich quatschten weiter über belanglose Dinge, jedoch merkte ich ziemlich schnell, dass sie mir auch was zu erzählen hatte. "Franzi, was ist los? Du willst mir doch auch was erzählen? Wo drückt der Schuh?", fragte ich sie offen. "Du hast recht. Es gibt da was, worüber ich mit dir reden will.... Ich habe eine Bewerbung abgeschickt, für ein Praktikum.", kam es zögerlich von ihr. "Ja cool, hier in Berlin?", fragte ich neugierig. "Nein, in München. Besser gesagt zu den Produzenten von Wincent." "Zu Kevin???", fragte ich sie. "Ja, er hat über Instagram einen Aufruf gestartet, dass er Leute sucht. Jedoch war mir bislang nicht klar, dass du Herrn Weiss datest. Vielleicht sollte ich meine Bewerbung besser zurückziehen." Nun schaute ich sie mir als nur entsetzt an. "Spinnst du. Das tust du gefälligst nicht. Außerdem wäre Kevin schön blöd, wenn er dich nicht nehmen würde. Soll ich mal mit Wincent sprechen?" "NEIN.", kam es entschlossen von ihr. "Bitte bloß nicht. Dann sieht es doch nur so aus, als würde ich eure Beziehung direkt ausnutzen. Entweder er nimmt mich, weil ich ihn überzeuge oder eben nicht." "Okay.", gab ich mich geschlagen. "Vielleicht hast du recht."

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