*Annemarie*
Nach anfänglichen Schwierigkeiten fanden das Klavier und ich doch immer mehr zusammen. Ich bin Franzi so dankbar, dass sie mir vor ein paar Jahren das Spielen beigebracht hatte. So gut wie sie werde ich nie sein, aber das ist nicht schlimm. Kurz musste ich an die Stunden zurückdenken, an denen Franzi an mir verzweifelt war. Ich schüttelte den Gedanken ab und widmete wieder meine Aufmerksamkeit, ganz dem Klavier. Keine Ahnung, wie lange ich spielte. Im Augenwinkel sah ich, wie ein Schatten in den Raum huschte. Kurz geriet ich ins Stocken, doch ich fand schnell meinen Rhythmus wieder. Ich schloss meine Augen, denn das Stück von Yann Tiersen aus die fabelhaften Welt der Amelie konnte ich einfach blind spielen, so merkte ich auch nicht, dass Wincent sich an das Klavier gestellt und mir zugesehen hatte. Als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich direkt in die Augen von Wincent. Sah ich da etwa Tränen? "Hey, was ist los?", fragte ich ihn besorgt. "Nichts, alles gut. Du hast so schön gespielt. Das hat mich einfach total berührt." Ich wusste gar nicht, was ich dazu sagen sollte. Er machte mich total verlegen. "Ach, das war doch nur geklimper. Nichts Wildes.", versuchte ich, mich raus zu reden. "Unterschätze dich nicht. Es war wirklich wunderschön." "Danke." Wincent wischte sich die Tränen aus dem Augenwinkel. Kurz darauf kam Kevin in den Raum. Ich setzte mich zu Kevin an den Schreibtisch. Dieser gab mir Kopfhörer. "Hier setze die auf, dann hörst du nicht nur Wincents schiefe Stimme.", lachte Kevin. "Eyyy, ich kann dich hören.", beschwerte sich Wincent direkt. "Na dann los, dann zeig mal Annemarie, was du so drauf hast.", witzelte Kevin weiter. "Wo waren wir denn stehen geblieben? Welche Zeilen brauchst du noch von mir?", fragte Wincent Kevin. "Eigentlich brauche ich nur noch den Anfang von dir." Wincent nickte. "Okay, ich glaube, denn bekomme ich heute gut hin. Durch Ann's emotionales Spiel am Klavier, bin ich noch in der richtigen Stimmung." Ich wusste nicht, was jetzt genau passierte oder um welches Lied es sich handelte. Aber als alle sich die Kopfhörer aufsetzen und sich Wincent an das Mikro stellte, wusste ich, dass es gleich losgehen würde. Gespannt schaute ich zwischen Wincent und Kevin hin und her. Was nun wohl kommen würde? Wincent nickte erneut Kevin zu. Auf meinen Kopfhörern erklang leise die Musik. Kurz darauf fing Wincent an zu singen. "Fühlst du immer noch das Gleiche, wenn ich dir meine Zweifel zeige..." "Ja, stop bis hier hin.", unterbrach Kevin ihn. Sofort drückte Kevin auf einige Tasten und schließlich spielte das eben gesungene auf unseren Kopfhörern. Für mich klang es schon perfekt, doch die Jungs hatten noch einiges daran auszusetzen. So musste Wincent die Zeilen mal höher und mal tiefer singen. Nach gefühlten Stunden, des Ewigen hin und her diskutieren, fanden die beiden ein Ergebnis, womit sie zufrieden wirkten. "Super, ich glaube, dann haben wir es. Bevor wir Annemarie noch mehr langweilen, schlage ich vor, dass ich das Lied jetzt fertigstelle und ihr ein bisschen Paarzeit genießt? Was haltet ihr davon?", fragte Kevin uns. "Danke Kevin, das ist lieb von dir. Mach aber auch nicht zu lang.", gab Wincent ihn als Antwort. "Nein" mache ich nicht. Ich denke, ich brauche noch so ein bis zwei Stunden, bis der Song fertig ist. Dann kann ich ihn dir schicken." "Super, danke dir, Kevin." Ich stand auf und ging zu Wincent. Dieser schloss mich direkt in seine Arme. Sofort kuschelte ich mich enger an ihn. Sein herber Duft vernebelte mir immer wieder aufs Neue meine Sinne. "Wollen wir nach Hause fahren?", fragte mich Wincent. "Ja, gerne." Langsam löste ich mich von Wincent. Von der Seite grinste uns Kevin schief an. "Kevin spuck es aus? Was denkst du?", spricht Wincent prompt meine Gedanken aus. "Ihr seid so süß zusammen, wisst ihr das eigentlich? Wincent halt sie fest und lass sie bitte nicht mehr los." Mit diesen Worten stand Kevin auf und verließ den Raum. "Dich lass ich bestimmt nicht mehr gehen.", flüsterte Wincent mir ins Ohr.
Wenig später saßen wir zusammen im Auto und fuhren Richtung Wincents Wohnung. Keiner sagte während der Fahrt etwas. Wir beide waren in unseren Gedanken gefangen. Was war das denn bitte heute für ein Tag? Ich lehnte meinen Kopf an die Fensterscheibe. Aus meinem Augenwinkel beobachtete ich Wincent, wie er das Auto sicher durch den Münchener Verkehr lenkte. Womit hatte ich diesen Mann nur verdient? Seine Art hatte mich einfach völlig verzaubert. Auch wenn wir gerade am Anfang unserer gemeinsamen Geschichte standen und alles mehr als perfekt war, wusste ich eins. Sollte diese Geschichte jemals in die Brüche gehen, so würde ich daran zerbrechen. Mit Wincent fühlt es sich einfach so an, wie es Tobi mir immer probierte zu beschreiben. Immer wieder wiederholte er "Ann auch wenn du es mir gerade nicht glaubst, irgendwann triffst du den Mann, auf den dein Herz gewartet hat. Du wirst es spüren, wenn es soweit ist." Ja, Tobi hatte recht. In jedem seiner Worte. Mein Herz sagte mir, dass Wincent dieser eine Mann für mich sein könnte. Glücklich über meine Gedanken lächelte ich Wincent an. "Du wirkst glücklich.", kommentierte Wincent mein Grinsen. "Ja, das bin ich auch. Und du bist daran nicht ganz unschuldig. Du gibst mir einfach unglaublich viel." "Ich mache doch gar nichts."
Ich hatte gar nicht auf die äußere Umgebung geachtet, so merkte ich erst jetzt, dass wir bereits auf unserem Parkplatz vor der Wohnung standen. "Wir sind ja schon da.", bemerkte ich. "Ich bin froh, dass Kevin uns heute früher gehen lassen hat. Sonst sind wir immer bis spät in der Nacht im Studio. Vermutlich hatte er Mitleid mit dir." "Aber ich fand es spannend. Ihr hättet gerne noch weiter arbeiten können. Außerdem liebe ich deine Stimme. Ich bin schon ganz gespannt, wie der Song komplett geht." "Na komm, lass uns reingehen. Wenn du willst, dann kann ich dir den nachher vorsingen." "Das würdest du machen?", fragte ich etwas ungläubig. "Na klar.", sagte Wincent möglichst cool. Jedoch merkte ich, dass er gar nicht so cool war, wie er tat. Irgendwie süß. Wincent legte seinen Arm um mich, als wir zu der Wohnungstür gingen. Die Stimmung zwischen uns veränderte sich. Ich kuschelte mich enger an Wincent an. Eilig gingen wir die Treppen nach oben. Wir konnten es beide nicht mehr abwarten, endlich allein und ungestört zu sein. "Endlich...", sprach ich meine Gedanken aus, als die Tür ins Schloss fiel. Wincent schaute mich fragend an. "Endlich alleine. Mit dir.", vervollständigte ich meinen Satz. Wincent nickte nur und fuhr mit seiner Zunge über die Lippen. Dies machte mich innerlich verrückt. Ich schaute ihm tief in seine Augen. Viel zu langsam ging er auf mich zu. Ich wollte ihn küssen. Und das jetzt. Nicht in 3 Sekunden, sondern jetzt. Stürmisch ging ich die letzten Schritte auf ihn zu und presste meine Lippen auf seine. Ich spürte sein Grinsen. Er erwiderte jedoch genauso stürmisch diesen Kuss. Meine Hände lagen auf seiner Brust. Ich spürte seine schnelle Atmung. Dies ließ mich wiederum grinsen. Als wir uns voneinander lösten, mussten wir uns beide angrinsen. "Was war das denn?" "Das mein lieber, wollte ich schon den ganzen Tag mit dir machen." "Nicht nur du." Mit diesen Worten zog mich Wincent weiter in die Wohnung. Zusammen schmissen wir uns auf das große Sofa. Ich kuschelte mich eng an Wincent. Wincent zog mich noch enger an sich und fing leise an zu singen.
"Fühlst du immer noch das Gleiche
Wenn ich dir meine Zweifel zeige
Denn ich bin vielleicht gar nicht so stark
Wie du meinst, nur weil ich dich trag'
Denn da sind tausend Sachen
Die mich traurig machenWas ich noch niemand anvertraut hab'
Zeige ich dir weil du's verdienst
Wie tief muss man tauchen
Bis man die Tränen nicht mehr sieht?
Gehst du mit mir auf den Grund
Dahin wo alle meine Ängste liegen
Bis zum aller tiefsten Punkt
Zu meinen Schätzen und meinen Krisen
Ich hoff uns bleibt noch etwas Luft
Hier wo die Dinge nicht mehr so viel wiegen
Wenn ich dich mitnehm' auf den Grund
Sag', kannst du mich dann noch genauso lieben?Da unten staut sich so viel Zeug an
Das ich nie wirklich aufgeräumt hab'
Ein Vater der fehlt, ein Herz aus Beton
Irgendetwas tut weh in jedem Karton
Und manches treibt nach oben
Wenn die Wellen tobenWas ich noch niemand anvertraut hab'
Zeige ich dir weil du's verdienst
Wie tief muss man tauchen
Bis man die Tränen nicht mehr sieht?
Gehst du mit mir auf den Grund
Dahin wo alle meine Ängste liegen
Bis zum aller tiefsten Punkt
Zu meinen Schätzen und meinen Krisen
Ich hoff uns bleibt noch etwas Luft
Hier wo die Dinge nicht mehr so viel wiegen
Wenn ich dich mitnehm' auf den Grund
Sag', kannst du mich dann noch genauso lieben?Kannst du mich dann noch genauso lieben?
Kannst du mich dann noch genauso lieben?"Während Wincent sang, klammerte er sich regelrecht an mir fest. Er sang mit so viel Gefühl. Was muss dieser Mensch nur schon alles erlebt haben? Wincent atmete tief ein und aus. Als ich zu ihm hoch schaute, sah ich einige Tränen über seine Wangen laufen. "Kannst du mich dann noch genauso lieben?", wiederholte er seine letzte Songzeile. Und erst jetzt verstand ich, dass dieser Song für mich war. Besser gesagt für uns. Er hatte sich mir ein Stück weit geöffnet. Zwar wusste ich bereits aus Berlin, dass ihn einiges beschäftigte, jedoch nicht wie tief. Ich strich ihm seine Tränen aus dem Gesicht. In Berlin war er für mich die starke Schulter, jetzt war ich dran. Mit Mühe unterdrückte ich meine Tränen. "Zusammen werden wir das schaffen. Ich helfe dir, okay? Wir beide sind ein Team. Uns bringt so schnell nichts mehr auseinander.", ich erwartete keine Antwort. Als Bestätigung hauchte er mir einen Kuss auf meine Lippen und kuschelte sich eng an mich. Behutsam strich ich sanft über seine Brust.
Das laute Klingeln von Wincents Handy riss uns aus unserer Starre.
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Wir sind mittendrin
FanficUnsere erste Begegnung war zwar nicht lang, aber dafür intensiv. Vergleichbar mit einem Branding auf meinem Herzen. ...