EINMAL VON VORNE

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*Wincent*

Nachdem wir Pizza gegessen hatten, schnappten wir uns alle noch ein Bier. In gemütlicher Runde quatschen wir über alles. Auch mit Franzi kam ich super klar. So langsam verstand ich, warum sie die beste Freundin von Ann war.
Maty war es, der das fragte, was wohl alle hier am Tisch am meisten interessierte. „Nun sagt doch endlich, wie war euer Urlaub?"
„Ihr seid neugieriger als die Erdmännchen im Zoo", lachte Annemarie. Recht hatte sie.
„Seid ehrlich, euch interessiert eigentlich nur die Story, wie wir zu unserem Mitbringsel gekommen sind", begann ich.
„Eigentlich wollen wir alles hören", überlegte Franzi laut. Annemarie warf ihr einen bösen Blick zu, den Franzi jedoch ignorierte.
„Wenn ihr meint." Also begann ich ganz von vorne zu erzählen. Ich holte extra weit aus, in der Hoffnung, dass nach 5 min jemand sagen würde, dass es auch nicht so detailliert sein müsse. „Bevor ich Annemarie vom Bahnhof abgeholt habe, habe ich alles gepackt und bin in mein Auto gestiegen und nach Hamburg gedüst. Dort haben wir uns endlich wieder in die Arme schließen können. Im Parkhaus wollte Annemarie nicht ohne einen Kuss losfahren. Und da wir komplett alleine da waren, sind wir hinter der nächsten Ecke und..."
Weiter kam ich nicht, denn Ann unterbrach mich. „Stopp, hör auf! So detailliert wollen die das doch gar nicht hören."
„Guck doch mal in deren Gesichter, unsere Erdmännchenfamilie hört gespannt zu. Aber ja, solche Details bekommt ihr nicht von uns zu hören. Die ersten Tage waren wirklich ganz entspannt. Zusammen konnten wir wirklich abschalten. Der Urlaub war von Tag 1 richtig schön. Wir waren einfach Annemarie und Wincent. Zwei ganz normale Personen. Wir waren viel im Schnee spazieren, außerdem waren wir in einer Therme, haben das Essen genossen." Ich kam richtig ins Schwärmen. „Nach einem weiteren Schneespaziergang lernten wir in einer Hütte, wo wir uns kurz aufwärmen wollten, ein weiteres Paar kennen. Für Vanessa und Nico war es ebenfalls der erste gemeinsame Urlaub. Zusammen verbrachten wir einen echt witzigen Nachmittag und Abend zusammen. Auf dem Rückweg zum Hotel sahen wir eine Rodelbahn. Gemeinsam beschlossen wir, dass wir uns hier am nächsten Tag gegen 11 Uhr treffen wollten. So war es dann auch. Wir trafen uns und liehen uns 4 Schlitten aus. In der ersten Runde waren wir alle noch recht vorsichtig. In der zweiten Runde beschlossen Nico und ich ein Rennen zu fahren, welches Nico leider gewonnen hatte."
„Aber nur, weil du eine Kurve vorher vom Schlitten gefallen bist", warf Annemarie ein.
Alle mussten lachen. „Stimmt, sonst hätte ich gewonnen. Aber da war vorher auch eine echt fiese Bodenwelle. Naja und in der dritten Runde sind wir dann jeweils zu zweit auf einen Schlitten gefahren. Diesmal wollten wir gewinnen. Oben am Berg nahmen wir richtig Schwung und schossen die Bahn runter. Die ersten Kurven liefen noch super. Doch die Bahn wurde zur Mitte hin richtig eisig und damit noch schneller. In der letzten Rechtskurve sind wir leider mit voller Geschwindigkeit gegen die Mauer geprallt. Trotz Bremsen und Lenken haben wir es nicht geschafft. Naja und was dabei rausgekommen ist, seht ihr ja."
Gerade als ich meinen Monolog beendet hatte, ertönte von meinem Handy ein Alarmton. „Was ist denn nun los?", fragte Kevin.
„Das ist in den nächsten Wochen unser Zeichen für die Thrombosespritze. Komm Ann, lass uns es hinter uns bringen." Ich klopfte auf Annemaries Oberschenkel. Ängstlich schaute sie mich an. „Geht dafür woanders hin. Das will hier keiner sehen", meinte Kevin.
„Das will ich auch nicht freiwillig machen. Ich weiß nicht, wie Wincent das so locker sehen kann", bestätigte Annemarie Kevin.
„Komm, das ist nur eine Spritze", versuchte ich Ann zu überreden.
„Nur eine Spritze? Das müssen wir jetzt einige Wochen jeden Tag machen." Ann schluckte schwer.
„Komm mit, wir gehen einen Raum weiter. Ich helfe dir", sagte ich möglichst gefühlvoll. Zusammen verschwanden wir in Kevins Raum. „Schatz, muss das wirklich sein?", probierte mich Annemarie umzustimmen.
„Ja. Soll ich als Erstes oder willst du?", fragte ich sie.
„Aber...", versuchte Ann einzuwenden.
„Psst. Nichts aber. Solche Spritzen sind angenehmer als eine Thrombose zu bekommen." „Ich weiß, ich habe aber trotzdem Angst davor."
„Okay, pass auf. Ich spritze erst mich, dann kannst du zugucken und dann helfe ich dir, okay?" Zusammen setzten wir uns auf die Couch. Auch für mich war das eine ungewohnte Situation. Mir war mulmig. Zwar hatte ich keine Angst vor Nadeln und Spritzen, aber sich selbst was zu verabreichen, war schon eine ganz andere Hausnummer. Jetzt hieß es aber stark bleiben. Annemarie sollte nicht sehen, dass ich es auch nicht toll fand. Ich zog also mein Shirt hoch, desinfizierte die Stelle und setzte mutig die Spritze an. Puh geschafft.
„Gar nicht so schlimm."
„Dein Gesicht hast du aber trotzdem verzerrt." Oh shit. Das ist mir gar nicht aufgefallen.
„Leg dich mal bitte auf die Couch."
„Was hast du vor?", fragte Ann mich.
„Ganz einfach. Wenn du dich hin legst, kannst du den Bauch nicht so anspannen. Umso weniger merkst du die Spritze." Annemarie legte sich aufs Sofa. Erst wollte ich mich vor ihr hinknien, entschied mich aber dagegen. So setzte ich mich einfach auf Ann drauf. „Jetzt kommst du mir nicht mehr davon", lachte ich.
„Na toll." Ich zog ihre Bluse hoch. „Nicht anspannen. Dann tuts doch weh."
„Ich kann nicht anders. Ich habe Angst davor."
Langsam legte ich die Spritze oben auf die Rückenlehne. Ich beugte mich zu Ann runter und begann, sie zärtlich zu küssen. So langsam entspannte sie sich wieder. Meine rechte Hand wanderte wie durch Zufall unter ihre Bluse und strich immer wieder über ihren Bauch und über ihren BH. Ann zog mich dichter an sich. Der Kuss wurde immer intensiver. Wenn ich jetzt nicht aufpassen würde, würde es ganz schnell in die falsche Richtung abdriften. Geschickt zog ich die Spritze von der Rückenlehne des Sofas und platzierte die Spritze in einer kleinen Bauchfalte von Ann.
„Du Arsch! Das war fies, mein Vertrauen so eiskalt auszunutzen", sagte sie empört, als ich die Spritze wieder aus ihrem Bauch zog.
„Aber es hat funktioniert und du hast dich entspannt. Gib's zu, so weh tat es gar nicht", lachte ich.
„Ja, du hast Recht. Und jetzt pack das fiese Ding weg und küss mich wieder."
„Nichts lieber als das." Sie zog mich wieder zu sich runter. Wir beide vergaßen völlig, wo wir uns eigentlich befanden. Ziemlich schnell verloren wir beide unsere Oberteile. Gerade als ich mich an Anns Hose zu schaffen machen wollte, ging die Tür auf und Franzi platzte herein. Entsetzt schaute ich in Franzis Gesicht. „Nach Spritzen geben sieht es hier aber nicht mehr aus", sagte sie so laut, dass auch die anderen es hören mussten.
„Kommt ihr? Amelie ist am Telefon."
„Ja, wir kommen gleich", versicherte ich ihr. Franzi nickte und verließ wieder den Raum, ließ aber die Tür einen Spalt offen. Ich fischte unsere Oberteile wieder vom Boden auf. „Merk dir, wo wir stehen geblieben sind. Heute Abend nervt uns keiner", flüsterte ich in Anns Ohr. „Liebend gerne", lächelte sie.
Wir zogen unsere Oberteile wieder an, ich küsste Ann nochmal kurz und dann gingen wir zu den anderen in die Küche zurück. In der Mitte des Tisches lag ein Handy und aus dem Lautsprecher drang Amelies Stimme.
„So, sie sind wieder da", verkündete Franzi.
Hoffentlich halten alle ihre Klappe, dachte ich. Für dumme Sprüche hatte ich echt nichts übrig gerade, denn wenn Amelie anrief, hieß das meistens nichts Gutes. Schon gar nicht, wenn alle da waren. Hab ich irgendwas vergessen? Oder etwas falsch gemacht und nicht gemerkt? Was will Amelie? Und warum schaut Franzi so seltsam? Weiß sie etwas, was ich nicht weiß?

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