BITTE GLAUB MIR

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*Wincent*
Ich konnte nicht mit Ann reden. In ihren Augen sah ich, wie sehr ich sie verletzt hatte. Das konnte ich mir selbst niemals verzeihen. Ann war mein Leben und ich hatte alles zerstört. Ich konnte ihr jetzt nur noch mehr wehtun und das wollte ich auf keinen Fall.
Ich setzte mich zu Ann aufs Sofa, ließ aber ausreichend Abstand zwischen uns. Einerseits sehnte ich mich nach ihrer Nähe und andererseits ertrug ich sie nicht.
Ich wusste, dass Mats mich einen Kopf kürzer machen würde, wenn wir nicht redeten, aber ich konnte nicht anders. Alle Worte klangen falsch und würde nichts retten. Ich wusste, was ich zu tun hatte. So schwer es auch werden würde, es war richtig so.
"Wince", begann Ann leise.
"Ja?" Ich vermied den Blick zu ihr, so schwer es mir auch fiel.
"Ich will nicht, dass das jetzt alles war. Ich ertrage den Gedanken nicht, dass sich unsere Wege jetzt trennen." Ihre Stimme brach.
"Es ist besser so", sagte ich, obwohl gleichzeitig mein Herz in tausende Stücke zerbrach. "Du solltest ein glückliches Leben haben. Das verdienst du und an meiner Seite wird das nicht gehen. Also muss ich dich gehen lassen."
Ich stand auf und ging in Anns Zimmer. Noch länger ertrug ich ihre Nähe nicht.
Ich nahm mein Handy zur Hand und hatte sofort noch schlechtere Laune. Ein entgangener Anruf von Kevin, einer von Fabi und einer von Mats.
Konnten die mich nicht einfach alle in Ruhe lassen? Das war doch eine Sache zwischen Ann und mir. Hatte Ann etwa mit Franzi gesprochen? Konnten die Frauen nicht einmal ihre Klappe halten?
Ich scrollte weiter runter und sah zwanzig ungelesene Nachrichten in der Studiogruppe. Genervt ging ich auf den Chat, damit die Benachrichtigung verschwand. Kurz überflog ich die Nachrichten.
Angefangen hatte Mats. »Alarmstufe ROT«
Dann eine Nachricht von Franzi. »Ist es das, was ich glaube?«
Mats, der olle Verräter. Das ging doch niemanden etwas an. »Wince will sich von Ann trennen.«
Die Nachrichten danach drückten lediglich Unglauben aus. Alle waren der Meinung, dass ich einen großen Fehler machte. Die hatten doch alle keine Ahnung.
Die letzte WhatsApp war von Franzi und kam heute Nacht gegen zwei Uhr. »Wenn ich vorbeikommen muss, sag Bescheid, @Mats.«
Kurz überlegte ich aus der Gruppe auszutreten.

*Annemarie*
"Schatz..."
"Nenn mich nicht so. Für mich ist es auch schwer dich gehen zu lassen." Wincents Blick war traurig.
Wir saßen inzwischen wieder im Wohnzimmer, denn er hatte sich dazu durchringen können, doch wieder zurückzukommen.
"Du musst mich aber nicht gehen lassen, versteh es doch."
"Ann, du verstehst es nicht." Wincent wurde etwas lauter.
"Was kann man daran denn bitte falsch verstehen? Du trennst dich von mir aufgrund eines dummen Pressefuzzis."
"Ich trenne mich nicht wegen ihm. Aber es ist besser so."
"Was ist daran besser? Liebst du mich nicht mehr?", fragte ich mit Tränen in den Augen.
"Weine bitte nicht... Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt. Aber ich bin nicht gut für dich. Du hast jemanden verdient, der immer da ist. Der dich nicht in unglückliche Situationen bringt."
"Ich will aber niemand anderen", widersprach ich direkt. „Wince, ich liebe nur dich. Mehr als jeden anderen auf dieser Welt und das wird sich auch niemals ändern. Wenn wir uns trennen, gehen wir beide kaputt. Dass wir nicht ohne einander können, haben wir doch schon häufig genug gemerkt. Bitte..."
"Ann, du hast jemand besseren verdient als mich. Du wärst mit jemandem wie Linus oder Mats meinetwegen viel besser dran. Ich weiß gar nicht, wieso du dich noch mit mir abgibst."
"Du könntest doch auch jede haben", konterte ich und war ziemlich verletzt.
Dass er jetzt meinen Ex ins Spiel brachte, war echt uncool. Ich kannte seine Zweifel, aber so krass war es noch nie. Wieso hörte er mir denn nicht zu? Wincent erwiderte nichts darauf, sondern sah mich nur kurz an.
Das Klingeln seines Handys unterbrach uns. Er sah aufs Display.
„Amelie."
„Ich lass dich mal alleine", sagte ich leise. „Aber das Thema ist noch nicht beendet."
Leise schloss ich hinter mir die Zimmertür. Der Duft von Mats gekochten Essen trieb mich direkt in seine Arme.
"Habt ihr es klären können?", fragte Mats einfühlsam. Ich schüttelte traurig meinen Kopf. Erst in diesem Moment begriff ich wirklich, was in den letzten Stunden geschehen war. Ich hatte alles verloren. Wirklich alles. Mein Freund, unsere Zukunft, unseren gemeinsamen Freundeskreis und vermutlich auch noch meine Wohnung. Bitterlich fing ich an zu weinen.
"Schhh Ann. beruhig dich. Alles wird wieder gut. Er liebt dich. Wince kann nicht ohne dich leben. Die Phase jetzt ist schwer, aber ihr schafft es da gemeinsam durch. Ich verspreche euch, danach kann euch nichts mehr trennen." Mats schloss fest seine Arme um meinen Körper.
Ich klammerte mich an ihn fest. Kurz hatte ich das Gefühl, es wäre Wincent, doch dann fiel mir der andere Geruch auf. In dem Moment war es mir egal. Ich war einfach nur dankbar, dass ich nicht alleine war.
„Vielleicht solltest du mal nach Wincent schauen. Ich glaube, er könnte einen Freund gut gebrauchen", sagte ich nach einer Weile und löste mich aus der Umarmung.
„Bist du okay soweit?" Mats sah mich prüfend an und am liebsten wäre ich direkt wieder in Tränen ausgebrochen.
Das konnte doch alles nur ein Traum sein. Ein Albtraum, besser gesagt.
„Ich komme klar. Vermutlich rufe ich mal Franzi an", sagte ich und nahm mein Handy heraus.
„Das ist eine gute Idee. Ich sehe mal nach Wincent."
Mats verließ die Küche und ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich die Nummer meiner besten Freundin wählte.
„Ann? Du lebst noch? Was ist da los bei euch? Wie geht's dir?", begrüßte mich Franzi direkt.
„Wince...", begann ich und sofort hatte ich wieder Tränen in den Augen.
„Ich weiß. Mats hat es erzählt. Der hat ja wohl den Schuss nicht gehört." Franzi hätte sich vermutlich in Rage geredet und Wincent wäre nicht gut bei weggekommen. Doch sie beherrschte sich schnell wieder.
„Soll ich nach Berlin kommen?", fragte sie und ich dachte kurz drüber nach.
„Bleib du mal lieber in München. Ich glaube, wenn sich noch mehr Leute einmischen, blockt Wincent ganz ab. Ich hoffe einfach, dass er sich wieder beruhigt."
"Ich hoffe es auch sehr. Sonst komme ich doch vorbei."
Ich wusste, dass Franzi es nur gut meinte, aber ich hielt es für keine gute Idee. Es gab Dinge, die Wincent und ich alleine klären mussten. Immerhin waren wir beide alt genug dafür. Konnte man zumindest von ausgehen.
Gestern Abend haben wir nicht mehr miteinander geredet. Wincent hat kommentarlos seine Sachen genommen und hat die Nacht auf dem Sofa verbracht. Geschlafen habe ich so gut wie gar nicht. Immer wieder ging mir unser Streit durch den Kopf und ich kam nicht so richtig zur Ruhe. Wincent fehlte einfach neben mir im Bett.
Ich stand total gerädert auf und schmiss mir im Bad eine Ladung Wassers ins Gesicht. Um die ganzen Tränenspuren zu verwischen, brauchte ich definitiv Make-up. Nicht selten hatte ich in der vergangenen Nacht geweint, weil ich einfach so verzweifelt war. Und der Schmerz in meiner Brust ließ auch nicht nach. Ab und zu hörte ich sich nähernde Schritte, aber dann entfernten sie sich wieder. Irgendwie hoffte ich, dass es Wincent war, der darüber nachdachte, zu mir zu kommen.
Als ich wieder halbwegs lebendig aussah, ging ich in die Küche. Mats hatte schon Frühstück vorbereitet und saß am Tisch. Wincent war auch da und starrte in seine Kaffeetasse.
"Guten Morgen", murmelte ich und setzte mich dazu.
Mats stand automatisch auf und machte mir einen Kaffee. Ich hatte wirklich den besten Mitbewohner, den man sich wünschen konnte.
"Wie lange arbeitest du heute?", fragte Mats und reichte mir die Tasse.
"Mal sehen. Offiziell bis 18 Uhr, aber wer weiß", antwortete ich.
"Wince, kannst du Ann vielleicht zur Arbeit bringen?", wandte sich Mats an meinen, keine Ahnung, was er gerade war.
"Wieso?" Wincent sah Mats verblüfft an.
"Weil du Zeit hast. Außerdem wäre es cool, wenn du das einkaufen könntest, was ich dir schicke. Ich komme heute nicht dazu."
Wincent rang sichtlich mit sich und ich selbst war auch nicht gerade begeistert davon. Die Vorstellung, mit einem schlecht gelaunten Wincent im Auto zu sitzen und zum Job zu fahren, auf den ich eh keinen Bock hatte, war nicht so traumhaft.
"Ich kann auch alleine fahren", warf ich ein, doch Mats sah mich strafend an.
"Ich kann das schon machen. Hab eh noch ein Meeting mit Anna und Amelie."
"Gut, dann wäre das ja geklärt." Mats sah recht zufrieden aus.
"Du musst das wirklich nicht tun", wandte ich mich an Wincent, der etwas gequält aussah.
"Passt schon", wank Wincent ab. "Ich hole mal meine Sachen."
Mit diesen Worten stand er auf und ließ mich mit Mats in der Küche alleine.
Auf dem Weg zur Arbeit schwiegen wir. Ich wollte so gerne mit ihm reden, aber auf einen Streit hatte ich keine Lust. Wincent sah zwar etwas entspannter aus, aber ich wollte nicht schon vor Dienstbeginn Stress haben.
"Steigst du heute nicht mit aus?", fragte ich, als Wince keine Anstalten machte, sich zu bewegen.
"Nein."
"Wegen Sven? Der ist heute nicht da."
"Nicht wegen dem Arsch", erwiderte Wincent kalt.
"Aber warum dann?", fragte ich verwirrt.
"Nimm es einfach so hin, okay?" Wince war noch nie so abweisend zu mir.
"Nein. Das will ich nicht. Was ist das Problem?"
"Es gibt kein Problem."
Ich glaubte ihm das einfach nicht. „Offensichtlich gibt es eins."
„Nein", beharrte Wincent.
„Hör auf mich anzulügen. Irgendwas stimmt nicht mit dir. Das bist nicht du. So habe ich dich nicht kennengelernt. Ich werde um dich kämpfen."
So langsam verzweifelte ich hier. „Ann, lass es einfach gut sein. Und wenn du nicht zu spät kommen willst, solltest du langsam los."
„Geht's noch?", fuhr ich ihn an. „Mein Job ist mir gerade sowas von egal. Aber DU bist mir nicht egal. Irgendwas stimmt ganz offensichtlich nicht. Rede bitte mit mir." Meine Stimme schlug von Wut in pure Verzweiflung um. Schon wieder stiegen mir Tränen in den Augen. Warum verstand er denn nicht, wie wichtig er mir war?

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