"Ein Kuss ist der Austausch der Seelen". -Platon"*Annemarie*
„Probiere es aus Wincent.", hörte ich mich selbst flüstern. Obwohl ich dies sagte, wusste ich nicht, ob ich wirklich bereit dafür war. Wollte ich Wincent küssen? Definitiv ja! Ging es nicht zu schnell? Keine Ahnung.
Langsam schloss ich meine Augen, als ich seinen Atem auf meinen Lippen spürte. Zaghaft, fast schon scheu legte er seine Lippen auf meine. Der Kuss löste ein Feuerwerk der Gefühle in mir aus. Meine Hand wanderte automatisch in seinen Nacken. Ich zog ihn sanft zu mir her. Vorsichtig legte er sich auf mich. Der Kuss, der so zaghaft begann, verlor sich schnell in einer wilden Knutscherei. Mein Zögern war erloschen. Mittlerweile befanden sich beide Hände in seinem Nacken. Besser gesagt, die waren in seinen Haaren verschollen. Wincent stöhnte leicht in den intensiven Kuss hinein. Dies brachte mich zum Grinsen. Er zog mich enger an sich. Kein Blatt hätte mehr zwischen unsere Körper gepasst. Keiner von uns wollte diesen Kuss beenden. Doch zwang uns irgendwann der Sauerstoffmangel dazu. Wer den Kuss nun beendete, konnte ich nicht sagen. Aber als wir uns gelöst hatten, mussten wir beide erstmal nach Luft schnappen. „Wow, was war das denn?", sprach Wincent meine Gedanken aus. „Ich weiß es nicht, aber es fühlte sich gut an.", antwortete ich ehrlich.
Wir lagen immer noch eng umschlungen nebeneinander. Jedoch wurde mir langsam etwas warm, was vielleicht auch am Kuss lag. Vorsichtig probierte ich, etwas Platz zwischen uns zu schaffen. Wincent bemerkte meinen Versuch direkt. „Was machst du? Fühlst du dich unwohl?", fragte er direkt besorgt. „Sorry, bei mir ist alles gut. Mir ist nur etwas warm.", gab ich wahrheitsgemäß von mir. Sofort rückte er ein wenig von mir ab. „Besser?" „Ja schon, hast du vielleicht was zu trinken im Hotelzimmer? Nach dem ganzen Bier brauche ich glaube ich ein Schluck Wasser." „Ähm, wenn du Glück hast, müsste sich noch eine angebrochene Wasserflasche in der Minibar befinden." Schnell stand ich auf und warf einen Blick in die Minibar. Und tatsächlich stand da noch eine angebrochene Flasche Wasser. Das kühle Wasser tat so gut. Erst beim Trinken merkte ich, was für einen Durst ich wirklich hatte.
Wincent schaute mich belustigt an. „Guck nicht so, ich war am verdursten.", gab ich lachend von mir. „Das kann ich mir vorstellen, der Kuss war auch ziemlich heiß.", raunte er mir entgegen. Ein wohliger Schauer überkam mich und mir wurde augenblicklich wieder ganz warm. Ich beschloss, meinen Pullover auszuziehen. Schließlich hatte ich noch ein Top drunter.
Zurück an Wincents Seite, kuschelte ich mich mit meinen Kopf an seiner Brust. Er platzierte seinen Arm um meinen Körper. Gedankenverloren griff ich nach seiner Hand und spielte mit seinen Fingern. „Wollen wir noch ein Film gucken oder so? Ich will noch nicht nach Hause", sprach ich das aus, was mir im Kopf herumgeisterte. „Du glaubst doch wohl nicht, das ich dich jetzt noch nach Hause fahren lasse oder?", fragte mich Wincent stattdessen. Erstaunt suchte ich seinen Blick. „Nicht?" „Nein, was glaubst du denn? Das ich dich nach den Kuss raus werfe? Ob mit Kuss oder ohne. Ich wollte dich eh fragen, ob du nicht hier schlafen möchtest? Ich möchte dich nicht direkt wieder gehen lassen. Wir sind gerade mittendrin uns kennenzulernen. Da würde ich gerne jede Minute auskosten, die wir haben."
Ich konnte es nicht wirklich wahrhaben. Wincent wollte, dass ich bleibe. Noch nie war ich nach einem ersten Date bei jemandem über Nacht geblieben. Doch was war bei uns schon normal. Ich vermute nicht allzu viel. „Gerne, würde ich bei dir übernachten.", antwortete ich Wincent schließlich.
Auf meinen Lippen breitete sich ein glückliches Grinsen aus. Ich drehte mich so zu ihm um, dass ich ihn problemlos küssen konnte. Meine Unsicherheit von vor ein paar Minuten war wie verflogen. Fordernd drückte ich meine Lippen auf seine. Nur zu gern erwiderte Wincent den Kuss. Ich spürte Wincents Hand auf meinem Rücken. Keine Sekunde später drehte er uns um. Das war gekonnt, dachte ich mir. Unsere Küsse, die wir uns gegenseitig schenkten, sagten so viel mehr aus, als unsere Worte es jemals getan hätten. Es war so, als würden unsere Seelen miteinander sprechen. Nach einer endlosen langen Zeit beendeten wir den Seelenaustausch. Zufrieden schauten wir uns an. Wincent zog mich fest in seine Arme. Ich fühlte mich absolut sicher und geborgen. Allmählich merkte ich, wie ich immer müder wurde. Dies bekam auch Wincent mit und ihm schien es nicht anders zu gehen. „Ich glaube wir sollten so langsam mal schlafen gehen.", sagte ich schließlich. „Ja, du hast recht. Wenn du willst, kannst du von mir ein Shirt haben. Und im Koffer müsste noch eine Ersatz Zahnbürste liegen, die ich dir geben kann.", sagte Wincent liebevoll.
Gesagt, getan. Wir quälten uns aus dem Bett und Wincent reichte mir seine Ersatzzahnbürste und ein Shirt von ihm. Schnell machte sich jeder von uns fertig. Zurück im Bett kuschelte ich mich so gut es ging an Wincent ran. Leise hörte ich noch ein sanftes „Gute Nacht.", von Wincent. Jedoch war ich bereits so gut wie eingeschlafen und nicht mehr in der Lage zu antworten. Dicht an ihm gekuschelt, fiel ich in einen leichten Schlaf.
Mitten in der Nacht wurde ich durch einen sehr unruhigen Wincent neben mir wach. Er redete, aber man verstand es nicht. „Wincent?, bist du wach?", probierte ich mein Glück. Doch eigentlich war mir bereits klar, dass er schlecht träumte und somit nicht wach war. Vorsichtig fing ich an, an seiner Schulter zu rütteln. Leider ohne Erfolg. Ich wurde etwas lauter und rüttelte ihn stärker. Wincent schlug seine Augen auf und ich blickte direkt in seine dunkelbraunen Augen, die mich angsterfüllt angucken. „Hey Wincent, es ist alles gut. Du hast nur schlecht geträumt.", redete ich möglichst beruhigend auf ihn ein. „Du bist noch da.", kam es von Wincent. „Na klar, bin ich noch da." „Ich habe geträumt, du wärst weg. So, wie alle anderen auch."
Wir setzten uns im Bett auf. Behutsam, griff ich nach Wincents Hand. Ich war mir unsicher, wie viel Nähe er gerade zulassen würde. „Ich würde niemals einfach so weglaufen und verschwinden. "Dafür gibst du mir gar keinen Grund." „Danke Annemarie, dass du mich geweckt hast. Du hast mich vermutlich vor einer weiteren Panikattacke bewahrt." Wincent atmete tief aus, bevor er weiter sprach. „Weißt du Annemarie, es hört sich immer toll an berühmt zu sein. Aber die meisten Leute um mich herum sehen nicht, wie es mir eigentlich geht. Das auch ich Zweifel habe und eine Vergangenheit habe, die nicht immer schön war. Vor allem abends und nachts gibt es immer wieder Momente, wo alles hoch kommt. Diese enden dann oft in einer Panikattacke. Vieles habe ich in der Vergangenheit selber mit mir ausgemacht und doch wieder vor mir selber in Kisten versteckt. Auch ich muss weiter an mir arbeiten. Mit den Dingen leben, die bereits passiert sind. Nur habe ich Angst, dass du wegrennen könntest, wenn du alles von mir weißt. Das ich nicht immer stark sein kann und viele Ängste und Zweifel habe. Ich habe Angst, dass ich dich ungewollt mit runterziehen könnte und wir zusammen nicht wieder herausfinden bzw. wir zusammen ertrinken. Und das alles nur, weil ich so viele Probleme mitbringe. Gleichzeitig glaube ich aber, dass genau du die richtige Person dafür sein könntest, mich da raus zu holen. Mich zu unterstützen, die mich versteht. Und ich glaube, genau das ist es, warum ich so Angst habe, dich damit kaputt zu machen, uns zu zerstören, nur wegen meiner Vergangenheit."Gespannt hörte ich Wincent zu. Ich verstand ihn. Auch ich habe meine Päckchen zu tragen. Auch ich habe Angst, Angst, dass wir uns beide in etwas verrennen könnten. Ich merkte gar nicht, wie Tränen aus meinen Augen kamen. Mein Blick traf genau den von Wincent. Ich lächelte ihn an. „Wincent, ich verstehe dich genau. Wort für Wort. Es ist schon fast gruselig. Es ist so, als würdest du mir aus der Seele sprechen. Ich bin nicht berühmt und ich weiß nicht, wie es sich anfühlt. Aber auch ich habe meine Ängste und Zweifel. Lass uns einfach weiter kennenlernen und sehen, wo es uns zwei hinführt. Wir sind alle nur Menschen und irgendwo angreifbar. Doch mit dem Richtigen an seiner Seite kann man die Vergangenheit aufarbeiten und irgendwann ruhen lassen. Und bis jetzt könnten wir auf einem guten Weg sein. Findest du nicht auch?"
Langsam fing Wincent an zu nicken. „Ja, aber kannst du bitte aufhören zu weinen?", sprach er leise zu mir. Aber auch in seinen Augen war trotz der Dunkelheit im Raum ein leichter Tränenschleier erkennbar. „Ich wollte eigentlich nicht weinen, aber das war zu emotional. Es hat mich einfach tief im Herzen berührt. Außerdem sehe ich auch deine Tränen in den Augen. Lass sie los. Es ist okay, Gefühle zu zeigen und die Tränen loszulassen." Ich wartete gar nicht auf seine Reaktion, sondern zog ihn einfach in meine Arme. Nach kurzer Zeit vernahm ich ein leises Schluchzen, von seiner Seite aus. Beruhigend sprach ich leise zu ihm und strich ihn immer wieder über seinen Arm. Nach nicht allzu langer Zeit drehte Wincent sich um und wischte sich seine Tränen weg, bevor er seine Stimme wiederfand. „Danke. ... Danke, dass du mich genauso nimmst, wie ich bin. Du bist echt etwas besonderes." Noch immer gerührt von der gesamten Situation, konnte ich nichts erwidern, außer ihm einen Kuss zu geben. Wir schmiegten uns wieder aneinander und lauschten dem gegenseitigen Herzschlag. Zeitgleich schliefen wir ein.
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Wir sind mittendrin
أدب الهواةUnsere erste Begegnung war zwar nicht lang, aber dafür intensiv. Vergleichbar mit einem Branding auf meinem Herzen. ...