*Wincent*
Ich schreckte hoch und sah mich kurz um. "Was?"
"Guten Morgen", kam es von Johannes und da sah ich ihn im Türrahmen lehnen.
"Moin. Sag mal, hast du gerade etwas gesagt?", fragte ich noch komplett müde.
Ann neben mir bewegte sich und schien ebenfalls wach zu werden.
"Was habt ihr denn bitte in meiner Küche gemacht?"
"Äh, Kuchen gebacken", antwortete Ann. "Scheiße! Wir haben keinen Wecker gestellt." Ann stand, so schnell es mit dem Gips ging, auf und humpelte, mal wieder nur in meinem Shirt bekleidet, in Richtung Küche.
Ich stand auch auf und wollte ihr folgen, doch Johannes hielt mich auf.
"Wince, nochmal für dich. Falls du es in der Schule nicht mitbekommen hast. Für Kinder braucht man kein Mehl. Da reicht es auch, wenn man die Kondome weglässt."
Ich sah ihn komplett verwirrt an. Seit wann redeten wir denn darüber? Und wie kam er drauf? Wir gingen gemeinsam in die Küche, wo Ann vor dem Ofen stand und zu retten versuchte, was zu retten war.
"Ich geh mal davon aus, dass ihr hier aufräumt, bevor Ina kommt. Ich spring in der Zwischenzeit mal eben unter die Dusche." Er ging zur Tür und drehte sich dann nochmal um. "Ach und noch ein Hinweis: Es hilft, wenn man sich beim Backen auch darauf konzentriert. Dann klappt das auch besser." Er verschwand aus der Küche und Ann und ich sahen uns fragend an.
"Was hat er denn?", fragte ich laut. "Er hat gerade eben schon so komische Andeutungen gemacht."
Ann drehte sich zu mir um und sah mich erschrocken an.
"Hey, was ist denn? Seh ich so schlimm aus?"
"Nein, aber ich weiß, was mit Johannes ist." Sie deutete mit dem Finger auf den Tisch hinter mir.
Ich drehte mich um und wir beide sahen, was Johannes beim nach Hause kommen auch gesehen hatte. Die Abdrücke, die Ann und ich nach der Mehlschlacht und allem danach auf dem Tisch hinterlassen hatten, waren wirklich eindeutig. Ich holte einen Staubsauger und sorgte dafür, dass jegliche Mehlreste verschwanden, während Ann sich um die anderen Sachen kümmerte. Ich musste zugeben, dass sogar das Putzen mit Ann irgendwie Spaß machte. Es tat einfach gut, mal ganz normale und alltägliche Sachen mit ihr zu machen. Ich meine, bisher hatten wir ja eher weniger Gelegenheit dazu, denn immer war irgendwas.
"Mensch, ich sollte euch öfter aufräumen lassen", strahlte Johannes, als er wieder in die Küche kam. "Ist sauberer als vorher."
"Vergiss es, mein Freund", nahm ich ihm gleich den Wind aus den Segeln.
Das konnte ihm so passen. Ich putzte doch nicht seine Wohnung. So weit kam es noch.
„Kann einer von euch mir beim Essen vorbereiten helfen?", fragte Johannes und ich verschwand ganz schnell aus der Küche. Da hatte Ann eindeutig das bessere Händchen für.
„Verräter!", rief Ann mir nur nach, aber ich hörte das Lächeln in ihrer Stimme.
Im Wohnzimmer ließ ich mich auf die Couch fallen und scrollte ein bisschen durch meine Chats. Auf jeden Fall sollte ich mich bei Mum, Shay und auch Amelie und Marco melden. Ich schickte Amelie und Marco jeweils eine Sprachnachricht und klickte dann im Chat mit Mum auf Videoanruf. Sie ging auch direkt ran.
„Hey, mein Großer. Hört man auch mal wieder von dir", begrüßte sie mich.
„Moin Mum. Sorry, dass ich nicht bei euch sein kann heute. Wir holen das aber nach, versprochen."
„Mach dir keine Gedanken, okay? Shay und ich machen uns auch so einen schönen Abend."
„Winnie?", kam es aufgeregt von meiner kleinen Schwester und sie nahm unserer Mutter das Handy ab.
„Hey Shay", begrüßte ich sie. Beim Strahlen in ihren Augen vergaß ich ganz kurz, dass sie nicht mehr das kleine zwölfjährige Mädchen war, sondern fast erwachsen. „Wie geht's dir?", fragte ich meine kleine Schwester.
„Jetzt deutlich besser", antwortete sie. „Und bei dir? Alles gut?"
„Du meinst bis auf mein Urlaubsandenken?" Ich lachte. „Ja, alles bestens."
„Ist sie da?", wollte Shay neugierig wissen und damit tauchte auch meine Mum wieder im Bild auf.
„Ja. Die kocht mit Johannes", erklärte ich. „Wartet." Ich stand etwas unbeholfen auf, weil das mit dem Gips zwar schon besser ging, aber noch nicht super gut, und ging in die Küche. Ich stellte mich in den Türrahmen und wechselte zur Frontkamera, sodass meine Familie Ann und Johannes sehen konnte. „Hey ihr zwei, sagt mal Hallo zu meiner Familie."
Johannes sah direkt zu mir. „Moin!"
Ann schaute mich kurz unsicher an, aber als ich ihr zu lächelte, winkte sie in die Kamera. „Hey."
„Wince, könntest du gleich die Tür aufmachen, wenn Ina kommt?", bat mich Johannes.
„Geht klar", antwortete ich, wechselte wieder die Kamera und verschwand mit meiner Familie wieder im Wohnzimmer.
„Wince, du musst uns ganz bald besuchen kommen", bettelte Shay, sobald ich mich wieder hingesetzt hatte.
Ich grinste, denn genau so kannte ich meine Schwester. „Ich rede mit Ann, versprochen. Und dann schauen wir, wann wir mal vorbeikommen, okay? Spätestens zu meinem Geburtstag sehen wir uns ja sowieso und da wird Ann ganz sicher auch da sein."
„Aber das ist noch so lange hin", jammerte Shay.
„Ich hab gesagt, ich schau mal, ja? Und jetzt schmoll bitte nicht wie damals immer. Du lernst Ann noch kennen, versprochen."
Nun mischte sich meine Mum wieder ein. „Okay, du meldest dich einfach. Aber ich freu mich sehr, dass du wieder glücklich bist."
Wie gern hätte ich meine Familie jetzt in den Arm genommen. Das letzte Mal war wieder viel zu lange her, aber ich nahm mir ganz fest vor, so schnell wie möglich nach Hause zu fahren.
Im nächsten Moment kuschelte sich Ann an meine Seite und von Shay kam nur ein Quietschen, was mich zum Lachen brachte.
„Shay, beruhig dich wieder", versuchte meine Mum sie zu beruhigen, aber nur mit mäßigem Erfolg.
„Deine Schwester ist süß", flüsterte Ann mir ins Ohr.
„Lass sie das bloß nicht hören", antworte ich leise und prompt war Ruhe auf der anderen Seite. „Ich bekomme immer Schläge, wenn ich das sage."
Ann lachte. „Du bist ja auch ihr Bruder."
„Hä?" Verwirrt schaute ich sie an.
„Geschwister dürfen meistens Dinge nicht sagen, aber wenn andere Leute es sagen, ist es okay. Hab ich von Franzi gelernt."
„Da hat sie Recht", mischte sich Shay ein. „Auch wenn ich nicht weiß, worum es genau geht."
„Ist nicht so wichtig", sagte ich zu Shay.
Genau in diesem Moment klingelte Anns Handy. Sie warf einen Blick aufs Display und musste grinsen.
„Wenn man vom Teufel spricht", sagte sie und zeigte mir, dass Franzi anrief.
„Los, geh ran", forderte ich sie auf.
Ann stand vom Sofa auf und ging aus dem Wohnzimmer, um mit ihrer besten Freundin zu quatschen.
„Mit wem telefoniert sie?", fragte Shay, was ihr einen strafenden Blick von Mum einbrachte.
„Mit ihrer besten Freundin", antwortete ich.
„Und da muss sie direkt rangehen? Die ist ja besser erzogen als du."
„Hey!", protestierte ich, obwohl Shay schon Recht hatte. „Franzi macht sonst Telefonterror. Die sind gerade alle der Meinung, wir brauchen einen Babysitter", erklärte ich.
Mum lachte schallend. „Wieso kann ich mir das gerade sehr gut vorstellen?"
„Ey, ich dachte, wenigstens meine Familie ist auf meiner Seite."
„Sorry Großer, aber ich bin deine Mutter. Ich kenn dich einfach zu gut."
„Aber jetzt nicht beleidigt auflegen!", kam es vom Shay.
Hatte ich nicht vor. Okay, vielleicht... Nein, hatte ich nicht. Ehrlich nicht. Die Türklingel rettete mich.
„Ich bin nicht beleidigt, aber wir müssen trotzdem aufhören. Ina ist da", sagte ich. „Ich meld mich wieder. Hab euch ganz doll lieb."
„Wir haben dich auch lieb", erwiderte Mum.
„Meistens." Shay grinste. „Viel Spaß euch und ganz liebe Grüße an alle. Vor allem Ann."
„Richte ich aus", versprach ich und dann beendete ich das Telefonat, stand auf und öffnete Ina die Tür.
"Hey, komm rein." Ich ging ein Stück zur Seite und ließ Ina in die Wohnung. Dann schloss ich die Tür wieder.
"Johannes müsste in der Küche sein", sagte ich.
"Okay, danke." Ina ging in Richtung Küche und ich begab mich auf die Suche nach Ann.
Sie saß im Gästezimmer auf dem Bett und telefonierte mit Franzi. Ich setzte mich neben sie und gab ihr ein Zeichen, dass ich mithören wollte. Ann nahm das Handy vom Ohr, aktivierte den Lautsprecher und legte es auf meinem Bein ab.
"Ach und wenn du deinen Schatz gleich siehst, richte ihm schöne Grüße aus. Heute gilt Trinkspielverbot. Für euch beide", wies Franzi an.
"Das ist ja langweilig", rutschte mir leise heraus. Allerdings nicht leise genug.
"Ey, das hab ich gehört!", kam direkt die Antwort von Franzi. "Ich erinnere dich nur mal kurz daran, dass du nächste Woche noch Bandproben und ein Konzert hast."
"Ja, Mama."
"Klappe, Wince! Ann, nimm ihm den Alkohol weg."
Meine Freundin grinste. "Der hatte noch keinen."
"Noch schlimmer. Dann einen schönen Abend euch. Ich hoffe, ihr passt auf eure Alkoholmenge auf. Könnt ihr auch Johannes ausrichten, sonst gibt es Stress. Ich check mal eben, ob Fabi einkaufen war."
"Ey, alleine saufen macht betrunken", erwiderte Ann.
"Deswegen teil ich ja mit meinen mutiplen Persönlichkeiten", kam es noch von Franzi, bevor der Anruf zu Ende war.
"Okay...", sagte ich gedehnt. "Was war das jetzt?"
"Kontrollanruf", erklärte Ann.
"Wieso feiert Franzi eigentlich alleine Silvester?", hakte ich nach.
"Sie hasst es, deshalb. Eigentlich war sie immer bei ihren Eltern, aber dieses Jahr lohnt sich das nicht, weil sie ja direkt wieder nach München zurück muss."
"Und was macht sie jetzt? Also außer sich alleine volllaufen zu lassen?", wollte ich wissen. Irgendwie gefiel mir der Gedanke nicht, dass Franzi alleine Silvester verbrachte.
"Ach, wahrscheinlich trinkt sie gar nicht so viel. Sie wird sich jetzt schön etwas zu essen machen und danach bis Mitternacht irgendwelche Filme schauen. Gegen halb zwölf kommt dann Dinner for one dran. Zu Beginn des neuen Jahres verdrückt sie bestimmt noch 3 Pfannkuchen und dann geht sie entweder schlafen oder macht einen Filmmarathon."
"Woher weißt du das?"
"Ach Wince, ich hab genau einmal mit Franzi Silvester gefeiert. Daher weiß ich das. Abgesehen davon, dass sie meine beste Freundin ist."
"Klingt ja nicht nach einem aufregenden Silvesterabend", merkte ich an.
"Für Franzi reicht es", erwiderte Ann. "Kann ja nicht jeder so gerne feiern wie du."
"Hey!" Ich stupste Ann in die Seite. "Als ob du nicht gerne feierst."
"Hab ich nie gesagt", sagte Ann lachend.
"Wince? Ann? Essen ist fertig!", rief Johannes durch die Wohnung.
Ich stand auf und reichte Ann meine Hand.
"War ja klar, dass du beim Essen wieder direkt dabei bist", kommentierte Ann und ließ sich von mir hoch helfen.
Ich lachte und wir gingen gemeinsam Hände waschen und dann in die Küche, wo Johannes und Ina schon den Tisch gedeckt hatten. Wir setzten uns hin und genossen das leckere Essen. Anschließend verbrachten wir einen entspannten Abend auf der Couch und ich genoss es, endlich mal richtig abschalten zu können. Hier zählte gerade nichts, außer Ann in meinem Arm und die Gesellschaft von einem meiner besten Freunde und seiner Freundin. Ich war heute Abend einfach mal Wincent. Niemand verlangte nach dem Star oder Musiker. Der konnte ich ab morgen wieder sein. Dieser Abend gehörte nur mir, also der Person, die ich eigentlich war.
Um Mitternacht stießen wir alle gemeinsam an.
"Happy New Year. Auf dass es besser wird als das vergangene", sagte ich leise zu Ann, bevor ich meine Lippen auf ihre legte.
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Wir sind mittendrin
FanfictionUnsere erste Begegnung war zwar nicht lang, aber dafür intensiv. Vergleichbar mit einem Branding auf meinem Herzen. ...