Alles nur ein Traum?

140 6 0
                                    

*Annemarie*
Ich setzte mich zu Wincent aufs Bett und kuschelte mich an meinen Freund. Wincent zog sein Handy aus der Hosentasche und wählte eine Nummer. Wieder einmal zog sich mein Bauch zusammen. Ich krümmte mich vor Schmerzen.
„Hey Kamil, kannst du kurz hochkommen? Ann hat Bauchmerzen und kann kaum laufen.", hörte ich Wincent am Telefon sagen.
Ich hörte dem Gespräch nicht mehr länger zu, viel zu sehr kreisten meine Gedanken. Bis vor ein paar Stunden, war ich mir noch nicht mal sicher, ob ich das Baby wollte und bereit dazu bin und nun machte ich mir Sorgen und hatte Angst, dass etwas nicht stimmte.
„Maus, Kamil kommt gleich hoch und hilft mir bei den Sachen. Dann kann ich dich auch ins Auto tragen."
„Danke", flüsterte ich kaum hörbar, aber ich war mir sicher, dass er mich verstanden hat.
Wenig später kam auch Kamil ins Hotelzimmer. Besorgt sah er mich an.
„Ann hat Bauchschmerzen und kann kaum laufen. Kannst du unsere Taschen nehmen und ich helfe Ann?"
„Klar. Wenn ihr Glück habt, habe ich in meiner Tasche Medikamente gegen Bauchkrämpfe dabei."
„Danke Kamil, nicht nötig."
Kraftlos lehnte ich mich an Wincent, während wir langsam das Hotel verließen. Immer wieder krümmte ich mich vor Schmerzen.
„Willst du wirklich nichts nehmen?", fragte mich Wincent besorgt, als der nächste Krampf vorbei war und ich weiterlaufen konnte.
„Wince, ich will nichts nehmen, was unserem Baby schaden könnte", flüsterte ich. Schützend legte ich meine Hand auf meinen Bauch.
Kamil und Wincent verstauten unsere Sachen ins Auto. Kamil startete den Motor. Immer wieder sah ich seine besorgten Blicke in den Rückspiegel. Wincents Hand streichelte mir immer wieder über meinen Bauch. Auch meine ruhte da hin und wieder. Ich kuschelte mich an Wincents Brust und lauschte seinem ruhigen Herzschlag. 

*Wincent*
„Wince? Ann sieht nicht gut aus. Seid ihr sicher, dass ihr jetzt nach München wollt und nicht lieber direkt zum Arzt?", fragte mich mein Fahrer.
„Ich weiß. Ich will jedoch nichts über ihren Kopf hinweg entscheiden. Sollte sie vor München nochmal aufwachen, können wir immer noch anhalten." Sachte zog ich Ann so gut es ging auf meinem Schoß und legte meinen Hoodie über ihren Oberkörper. Gedankenverloren schaute ich aus dem Fenster. Das Display meines Handys leuchtete auf. Kevin. Stimmt, mit ihm hatte ich mich letzte Woche für den Offday verabredet.
»Hey Wince, wie geht's? Steht alles für Morgen?«
»Moin Kevin, ich weiß noch nicht. Je nachdem, wie es Ann morgen geht...«
»Sie ist bei dir?«
»Ja.« Ich entschloss mich kurzerhand ein Foto zu machen und Kevin zu schicken. Müde lächelte ich in die Kamera und schoss ein Bild von meiner Freundin und mir und schickte es meinem Produzenten.
Wenige Zeit später rief Kevin an.
„Hey", flüsterte ich ins Telefon.
„Was ist passiert?", fragte Kevin ohne mich großartig zu begrüßen.
„Ich weiß nicht, ob ich es dir sagen darf."
„Wince. Ann sieht ganz und gar nicht gut aus? Was ist passiert? Habt ihr euch gestritten?"
„Nein, das ist es nicht."
„Und was ist es dann?"
„Kevin, bitte ich kann nicht." Ich raufte mir durch meine Haare.
„Ich sehe förmlich, dass etwas euch beschäftigt."
„Ja du hast recht. Da ist etwas." Ich schaute nochmals zu Ann. Sie schien tief und fest zu schlafen. Vorsichtig schob ich meine Hand unter den Hoodie und berührte vorsichtig Anns Bauch.
„Als Lisa schwanger war...hatte sie da auch unbestimmte Bauchkrämpfe?", fragte ich Kevin vorsichtig.
„Nein, hatte sie nicht. Aber Moment, warum fragst du das? Ist Ann...", weiter ließ ich Kevin nicht ausreden.
„Wir wissen es nicht."
„Aber habt ihr getestet? Du fragst doch nicht ohne Grund. Wincent ich kenne dich. Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen."
„Kevin, ja schön, wir haben zwei positive Schwangerschaftstests. Doch es gibt Unterschiede."
„Herzlichen Glückwunsch, dass sind ja tolle Nachrichten. Jetzt verstehe ich auch, warum du ein Jahr Pause machen möchtest."
„Stop, Kevin. Die Schwangerschaft war nicht geplant. Jedenfalls noch nicht." Ich atmete tief durch, bevor ich weitersprach. „Ann war übel. Naja und schließlich hat sie einen Test gemacht. Ihrer war gestern mehr als positiv und heute haben wir nochmal einen zusammen gemacht und der zweite Strich war kaum noch zu erkennen. Jetzt hat Ann Bauchkrämpfe, die immer schlimmer werden."
„Bauchkrämpfe in der Schwangerschaft sind nicht normal. Vor allem nicht solche, wie du sie beschreibst. Geht bitte zum Arzt. Lasst das abchecken. Und Wince, egal was da rauskommt, sei für Annemarie da und verkriech dich nicht."
„Nein, niemals. Danke Kevin." Kevin und ich legten auf. Sachte gab ich Ann einen Kuss auf ihr Haar. Wenig später rührte sich Ann auf meiner Brust.
„Hey wie geht's dir?", flüsterte ich.
„Besser. Irgendwie."
„Das freut mich zu hören."
Die restliche Fahrzeit nutzen wir noch um weiter zu kuscheln. Anns Krämpfe waren auszuhalten, aber gut noch lange nicht. Wir entschieden uns morgen früh zum Arzt zu fahren. Schließlich wussten wir nicht einmal in welche Woche Ann bereits war. Gegen 4 Uhr morgens kamen wir bei mir an der Wohnung an.
„Soll ich euch morgen zum Arzt bringen?", fragte Kamil, als er mir die Taschen aus dem Kofferraum reichte.
„Nein, nicht nötig. Schlaf du mal aus. Danke Kamil."
„Immer gerne. Na dann gute Nacht."


*Annemarie*
„Schatz, kannst du mit reinkommen? Ich habe Angst alleine."
„Klar gerne." Schützend legte Wince einen Arm um mich. An der Anmeldung vom Arzt klammerte ich mich regelrecht an meinen Freund fest.
„Was kann ich für sie tun?"
„Hallo Mein Name ist Annemarie de Groot. Ich habe zwei positive Schwangerschaftstests, jedoch habe ich seit gestern ziemliche Bauchkrämpfe. Ich mache mir Sorgen, dass etwas mit dem Wurm sein könnte."
„Haben Sie einen Termin?"
„Nein."
„Okay. Waren Sie schon mal hier?"
„Auch nicht."
„Hören Sie Frau Dornfelder. Wir sind auf Dienstreise und würden gerne einmal kontrollieren lassen, ob es dem Baby gut geht. Wir machen uns Sorgen. Wir warten auch." Wincent wurde langsam ungeduldig. Ich konnte das verstehen. Jedoch hatte ich keine Kraft, um mich mit der Frau anzulegen.
„Gut, dann nehmen Sie bitte im Wartezimmer platz und füllen Sie uns das hier aus."
Die Frau gab uns einen Anmeldebogen und zeigte ungeduldig auf das Wartezimmer. Das Wartezimmer platze aus allen Nähten. Ein Stuhl war noch frei. Wince zog mich zum freien Platz. 
„Setz dich auf mein Schoß."
Ich nickte. Wince und ich suchten eine möglichst bequeme Position und füllten zusammen den Anmeldebogen aus. Anschließend brachte ich ihn weg und kuschelte mich wieder an Wincents Brust.
„Ruh dich aus, Babe. Ich wecke dich schon, wenn wir dran sind."
„Danke."
An Schlafen war nicht zu denken. Wincent und ich redeten zwar kaum miteinander, aber tauschten immer wieder besorgte Blicke aus.
„Frau de Groot bitte." Nach einer gefühlt endlosen Zeit fiel endlich mein Name. Sofort griff ich nach Wincents Hand. Die Arzthelferin zeigte auf das Zimmer mit der Nummer zwei.
„Die Ärztin kommt gleich, bitte nehmen Sie Platz."
„Danke", brachte ich gerade noch so raus. Mir war richtig schlecht. Wir nahmen Platz und Wincents Hand ruhte auf meinem Oberschenkel. Auch er war angespannt, das konnte man sehen. Wenig später kam auch schon die Ärztin rein.
„Hallo Frau de Groot und Herr..." Die Dame geriet ins Stocken, als sie sah, dass ich nicht alleine hier war.
„de Groot", vervollständigte Wincent ihren Satz. Augenblicklich musste ich Wincent anlächeln. Es fühlte sich schön an. Auch, wenn es noch gar nicht so weit war.
Die Frauenärztin fuhr unbeirrt weiter fort. „Was kann ich für Sie tun?"
„Ähm ich...", doch weiter kam ich nicht. Es bildete sich ein dicker Kloß im Hals.
„Meine Frau hatte zwei positive Schwangerschaftstests der erste war deutlich positiv und beim zweiten einen Tag später, war der Strich kaum noch zu erkennen. Zusätzlich leidet meine Frau noch an ziemlichen Bauchkrämpfen. Wir würden gerne wissen, ob es dem Baby gut geht und in welcher Woche wir sind."
„Alles klar verstehe. In welchem Bereich treten die Bauchschmerzen auf und seit wann?"
Ich zeigte auf dem Bereich, wo ich die Krämpfe am deutlichsten spürte. „Hier sind die Krämpfe am deutlichsten zu spüren. Seit gestern Abend."
„Wissen Sie, wann ihre letzte Periode war?"
„Ich schätze vor vier bis fünf Wochen."
„Gut. Ich würde gerne bei Ihnen einen Ultraschall machen und wenn wir da nichts sehen sollten, nehmen wir einmal Blut ab."
„Alles klar", sagte ich unsicher. Wincent spannte sich merklich an. Jetzt ist der Moment gekommen, entweder würden wir jetzt unseren kleinen Krümel zum ersten Mal sehen oder es bewahrheitet sich das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann.
Ich zog mich aus und setzte mich auf den Behandlungsstuhl. Wincent stand völlig unbeholfen mitten im Raum.
„Komm her", bat ich ihn.
Er stellte sich neben meinen Kopf. Ich griff nach seiner Hand und lächelte ihn an. Ich brauchte jetzt einfach seine Nähe. Von der Untersuchung bekam ich kaum etwas mit. Ich war in meiner Welt abgetaucht und sah gerade nur mich und meinen Mann. Die Frauenärztin räusperte sich und wir kamen wieder im Hier und Jetzt an.
„Frau und Herr de Groot, ich kann leider keine Schwangerschaft erkennen, aber es kann gut sein, dass es noch gar nicht erkennbar ist. Ich würde vorschlagen, dass wir Ihnen noch ein bisschen Blut abnehmen. Heute Nachmittag wissen wir dann mehr."
„Aber der erste Test war doch ganz klar positiv", warf Wincent ein.
„Das ist richtig und das ist auch das, was mich irritiert, deshalb der Bluttest. Dann kann ich sicher eine Aussage treffen. Sollten in der Zwischenzeit Blutungen auftreten, müssen wir leider von einer Fehlgeburt ausgehen."
"Eine Fehlgeburt? Aber wie?...", weiter kam ich nicht, mir brach meine Stimme weg.
"Machen Sie sich bitte jetzt noch keine Gedanken darüber. Ich würde es gerne ausschließen, aber ich kann es nicht. Viele Frauen bekommen so früh noch gar nicht mit, dass sie schwanger sind. Oft wird es als verspätete Regelblutung abgetan. Ich drücke Ihnen die Daumen, dass das Blutergebnis heute positiv ausfällt. So lange müssen Sie sich gedulden."
"Danke."
Wir verabschiedeten uns und verließen die Praxis. Schweigend liefen wir zum Auto. Ich fühlte mich schuldig. Ob das Kind wohl gespürt hatte, dass ich es erst nicht wollte? Bin ich schuld?
"Schatz, bleib mal kurz stehen." Ich drehte mich zu Wincent um und sah ihn fragend an.
"Ich weiß was in deinem Kopf gerade los ist. Hör zu, egal was da jetzt rauskommt, dich trifft keine Schuld."
"Aber..."
"Nichts aber. Du wirst eine tolle Mutter." Wincent zog mich in eine feste Umarmung und ich war mehr als dankbar für diese Geste.
Durch das Klingeln von Wincents Handy, wurde die Umarmung beendet.
"Irgendwann schmeiß ich das Ding nochmal in den nächsten Fluss", fluchte er.
"Tu dir keinen Zwang an", lachte ich.
"Ja? Oh Hey Kevin. Ja wir sind gerade durch. Ja, ich frage Ann mal."
"Wollen wir uns gleich mit Kevin und Lisa treffen?", fragte mich Wincent. Ein bisschen Ablenkung schadet bestimmt nicht.
"Ja, gerne."
"Kevin wir kommen. Bis gleich."
"Na dann wohl auf zu Kevin?", fragte ich als Wincent aufgelegt hatte.
"Ja, ich hoffe für dich ist es wirklich okay?"
"Auf jeden Fall sonst hätte ich nein gesagt. Etwas Ablenkung tut uns glaube ich ganz gut."
Wincent gab mir noch einen kurzen Kuss auf den Mund und zusammen fuhren wir zu Familie Zaremba. Ich war gespannt, wie Kevin wohnte. Schließlich kannte ich ihn nur aus dem Studio.

*Wincent*
Innerlich machte ich mir tierische Sorgen um Ann und um unser Baby. Sollte uns jetzt wirklich eine Fehlgeburt bevorstehen? Ich war dankbar, als Kevin angerufen hatte. Eine Ablenkung würde uns beiden sicher gut tun.
Kevin öffnete die Tür und Louis rannte den Flur entlang.
"Kommt rein. Louis ist schon ganz aufgeregt, als ich vorhin gesagt habe das du uns besuchen kommst."
"Hey schön dich zu sehen", begrüßte ich meinen Produzenten.
"Hey Kevin, danke für die Einladung", hörte ich Ann sagen.
"Wie geht's dir? Was sagt der Arzt?" Kurz stockte Ann.
"Hey shh alles gut. Kevin und Lisa wissen Bescheid. Er hat gestern Abend angerufen. Du weißt doch Kevin bekommt alles raus."
Vorsichtig nickte Ann.
"Schon okay, wenn ihr nicht drüber reden wollt", ruderte Kevin zurück.
"Die Bauchschmerzen sind noch da. Mal mehr, mal weniger. Gerade gehts. Das endgültige Ergebnis haben wir noch nicht. Jedoch konnte man nichts im Ultraschall sehen."
Kevin zog scharf die Luft ein und sah uns traurig an.
"Wir warten noch auf die Blutergebnisse."
"Wollt ihr noch länger im Flur stehen bleiben, der Kuchen ist fertig. Schatz hilfst du mir mal?", rief Lisa aus der Küche.
"Ich komme."
Schon war Kevin weg. Gerade als wir unsere Schuhe ausgezogen hatten, kam Louis um die Ecke.
"Hey mein großer!", begrüßte ich meinen kleinen Sportsfreund.
"Wiiiiiiincent!!!"
Ich hockte mich hin und knuddelte Kevins Sohn einmal durch. Ich spürte die Blicke von Annemarie auf uns ruhen. Nach einer ausgiebigen Umarmung stand ich auf und hob Louis hoch.
"Louis?", sprach ich den kleinen Mann an und schon hatte ich seine volle Aufmerksamkeit.
"Darf ich dir meine Freundin Ann vorstellen?"
"Hallo Ann", sagte Louis schüchtern.
Ann grinste und begrüßte ihn ebenfalls. 
"Komm Wincent, Küche. Es gibt Kuchen." Ich musste lachen. Aber schließlich trug ich Louis in die Küche. Ann ging uns hinterher. Kevins Sohn ließ mich nicht mehr los. So kam es, dass ich Lisa in eine kurze Umarmung zog, ohne Louis loszulassen. Auch Ann begrüßte Lisa.
"Willst du Wincent nicht mal loslassen? Und auf deinen Platz gehen. Es gibt gleich deinen Lieblingskuchen.", probierte Lisa ihr Glück.
"Nein", schrie Louis schon fast.
"Louis? Du sollst nicht so schreien.", ermahnte ihn Kevin.
"Schon gut. Er kann auch auf meinem Schoß sitzen, das kenne ich ja schon."
"Du wirst ein toller Papa, weißt du das?", flüsterte Ann mir ins Ohr. Ich konnte nicht anders und küsste Ann.
"Ihhhh, nicht küssen. Das ist ja ekelhaft", kommentierte Louis meine Geeste und versuchte Ann wegzudrücken. Wir mussten lachen. Der Nachmittag tat uns richtig gut. Zwar hatten wir nichts mehr von der Frauenärztin gehört, was vielleicht auch nicht so schlecht war. Denn so konnten wir die gemeinsame Zeit mit Freunden genießen. Wir erzählten auch Lisa von dem positiven Test, aber auch vor dem ungewissen Ende. Sie machte vor allem Ann mut. Und es tat gut Ann wieder lachen zu sehen.
"Lisa, wo ist euer Badezimmer?", fragte Ann.
Ich sah sie fragend an. "Babe alles gut, ich muss nur mal für kleine Mädchen."
"Den Flur runter und dann die rechte Tür."
"Danke." Ann stand auf und verschwand ins Bad.
"Wincent? Schatz?", hörte ich Ann wenig später aus dem Bad rufen. Ihr Tonfall ließ mir meine ganze Farbe aus dem Gesicht weichen. Sofort wurde mir schlecht. Ich sprang auf und eilte ins Bad.

Wir sind mittendrin Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt