Achterbahn der Gefühle

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*Annemarie*
"Der Strich..."
"Was ist damit Schatz?" Besorgt sah er mich an.
"Warum ist der eine Strich heute nicht mehr so intensiv wie gestern? Wince, was ist da los?" Auf einmal überkam mich Panik.
"Babe, beruhig dich alles gut. Da ist bestimmt alles gut. Bei den Tests gibt es bestimmt auch Abweichungen."
"Ich hoffe."
"Komm lass uns zurück aufs Bett gehen." Ich starrte auf das Ergebnis. Warum war der Strich so dünn?
Wincent schob mich mehr oder weniger aus dem Bad. Jedoch nahm er den Test mit. Zusammen legten wir uns aufs Bett. Ich kuschelte mich in Wincents Arme und er hielt den Test fest.
"Ich glaube, ich habe eine Entscheidung. Aber wir müssen das beide wollen."
"Ich habe mich auch entschieden", flüsterte er mir ins Ohr und ich bekam direkt eine Gänsehaut.
"Babe? Auch wenn der Zeitpunkt nicht schlechter sein könnte, was kann unser Kind dafür? Ich möchte das Kind behalten. Aber nur, wenn du dich auch für das Kind entscheidest." Ich hielt gespannt den Atem an.
Wincent zog mich noch dichter an sich heran. Beide Hände ruhten mittlerweile auf meinem Bauch. Ein wohliges Gefühl breitet sich aus und trotzdem hatte ich Angst vor seiner Antwort. "Ich weiß wir beide hatten andere Pläne. Aber das Schicksal meint es wohl anders. Vielleicht muss es alles so sein. Nichts geschieht ohne Grund. Ann ich liebe dich. Wir beide schaffen das. Wir werden wundervolle Eltern." Ich drehte mich so zu Wincent, dass ich ihn ansehen konnte. Uns liefen Tränen über den Wangen. Wir würden Eltern werden. Zwar eins, zwei Jahre zu früh, aber  zusammen schaffen wir das. Meine Lippen fanden automatisch die von Wincent. Unser Kuss war leidenschaftlich. Es hatte sich etwas zwischen uns verändert und vermutlich war der kleine Wurm schuld. Aber es fühlte sich gut an. Wir genossen noch die gemeinsame Zeit.
"Wince, ich glaube du musst langsam los."
"Willst du nicht mitkommen?"
"Ich glaube, ich bleibe heute hier. Der Tag hat mich ziemlich geschafft. Ich bin todmüde."
"Ist alles in Ordnung? Du kannst dich sonst doch auch gleich in die Garderobe legen."
"Wince, sei mir nicht böse. Ich würde gerne hier bleiben. Wir sehen uns doch direkt danach wieder."
"Ist wirklich alles okay?"
"Wirklich. Mir geht's gut. Ich bin nur sehr früh aufgestanden, das ist alles und außerdem sind wir doch über unsere Armbänder verbunden. Drück es einfach, wenn du seelische Unterstützung brauchst. Ich bin da."
Wince schien wenig überzeugt, nickte aber. "Ist gut. Und falls was sein sollte, sag Bescheid. Ich schicke jemanden vorbei und Kamil kommt nachher noch vorbei. Ich habe ihn angerufen. Er fährt uns heute Nacht nach München."
"Ist okay. Dann weiß ich Bescheid. Und nun ab mit dir. Du bist spät dran."
Wincent wurde wenig später von Mats abgeholt. Nun war es still im Hotelzimmer. Ungewohnt still. Aber ich fühlte mich wohl. Wincent hatte wie immer ein kleines Chaos hinterlassen. Mit einem Grinsen räumte ich seine Tasche ein. Schließlich würden wir heute Nacht noch nach München weiterfahren. Gerade als ich das letzte Shirt in seinen Rucksack, mehr oder weniger stopfte, krampfte sich mein Magen zusammen. Autsch. Was war denn nun los? Ich krümmte mich zusammen und ging zum Bett. Das Bett roch nach Wincent. Zwar fühlte ich mich wohl, aber dennoch überkam mich leichte Panik. Es fühlte sich nach Unterleibschmerzen an? Konnte das möglich sein? War etwas mit dem Wurm?

*Wincent*
Obwohl ich wieder ohne Ann zur Konzertlocation musste, fiel mir das heute ein wenig leichter. Immerhin wusste ich, dass sie im Hotel auf mich wartete. Dass wir auch noch Eltern wurden, machte die Situation noch schöner. Ich hoffte sehr, dass wir den Rest der Tour und auch noch die Sommertour gut schaffen würden. Auf jeden Fall nahm ich mir vor, Ann jetzt noch mehr zu unterstützen als vorher. Als ich verkabelt wurde, ging mir wieder durch den Kopf, dass ich das absehbar wahrscheinlich nicht mehr so oft tun werde. Immerhin stand Familie schon im Vordergrund und das war wirklich kein Geheimnis mehr. Mit Betreten der Bühne, sog ich noch einmal mehr die ganze Energie auf. Es war einfach so ein geiles Gefühl, hier oben zu stehen und in so viele gut gelaunte Gesichter zu sehen, die meine Songs mitsangen. Bei der Anmoderation von 'Was die Menschen nicht wissen' musste ich so aufpassen, dass ich mich nicht verplapperte. Immerhin war das Baby Anns und mein Geheimnis und ich würde es ganz sicher nicht zuerst meinen Fans erzählen. Ich war mir ziemlich sicher, dass Amelie oder Franzi mitfilmten und Ann die Videos zuspielten. Daher versuchte ich besonders viel Gefühl in die altbekannten Zeilen zu legen. Sehr selten war mir der Song wichtiger als heute. Die nächsten Songs verflogen nur so und dann kamen wir an den Punkt vom Konzert, der mich immer wieder an den Rand meiner Selbstbeherrschung brachte. Ich vermisste meinen Vater nicht wirklich, aber 1993 blieb einfach einer der emotionalsten Songs, die ich jemals veröffentlicht hatte. Heute kam mir nicht nur mein Vater in den Kopf, sondern auch die Angst, selbst kein guter Vater sein zu können, dominierte. Um mich zu beruhigen, drückte ich direkt bei den ersten Tönen mein Armband und als es vibrierte, fühlte ich mich etwas stärker. Zumindest so, dass ich ohne Tränen den Song überstand. Die Fans supporteten mich schon von Anfang an, aber heute war ich noch dankbarer dafür. Ey, was so ein kleiner Wurm alles änderte. Wie ging das? Das war doch mehr als nur ein kleines Wunder. Den Rest der Show genoss ich in vollen Zügen und konnte ehrlich die Energie nutzen, die die Fans hier in die Halle brachten. Gegen Ende des Konzertes kamen die für mich fast wichtigsten Songs. Jetzt hätte ich Ann wirklich gerne im Backstage gewusst, aber da sie nicht allzu viele Kilometer entfernt war, ging es auch. Als mir Nico meine Gitarre reichte, fing ich automatisch an zu grinsen. Seit Jahren begleitete mich 'Kaum erwarten' bereits auf Tour, aber heute verabschiedete ich mich innerlich schon von ihm. Also dieses Jahr ließ ich ihn definitiv noch auf der Setlist, aber so absehbar spielte ich schon mit dem Gedanken, ihn zu streichen. Beim Ende des Songs strich ich mir die Tränen aus den Augen und hoffte sehr, dass es niemand mitbekam. Zum Glück ging es direkt mit 'Halb so schön' weiter und dieser Songs brachte mich von Freudentränen wieder auf das normale Konzertfeeling zurück. Runter von Wolke sieben, zurück auf den Erdboden. Nach der Show verabschiedete ich mich ganz schnell von allen, damit niemand Fragen stellen konnte. Ich wollte einfach nur noch zu Ann und unserem Kind. Im Hotel angekommen, lief ich schnell die Treppen nach oben und betrat unser Zimmer. Ann lag auf dem Bett und schien zu schlafen. Ich sah mich kurz um und sah, dass sie schon fast alles gepackt hatte. Wir wollten heute Nacht noch fahren und bevor ich noch müder wurde, weckte ich Ann vorsichtig, indem ich sie an der Schulter rüttelte.
"Hey Schatz aufwachen. Ich bin wieder da."
Verwirrt öffnete sie ihre Augen. "Aber wie? Warum? Du musst doch arbeiten."
"Nein Schatz, du bist eingeschlafen. Es ist fast 23 Uhr. Kamil wartet schon unten auf uns. Komm. Im Auto kannst du weiterschlafen."
Ich ging ins Badezimmer, um zu schauen, ob ich noch etwas einpacken musste.
"Arrrghh...scheiße", hörte ich Ann fluchen.
"Ann? Was los?", rief ich ihr zu.
"Ich weiß es nicht", antwortete sie und es klang ziemlich verzweifelt.
Das ließ meine Alarmglocken schlagen und als ich aus dem Bad trat, sah ich, dass sie Tränen in den Augen hatte.
„Wince?", wimmerte sie.
"Shhh ich bin da." Ich schlang vorsichtig meine Arme um ihren Körper.
"Es tut so weh."
"Wo tut es weh?", fragte ich einfühlsam.
"Mein Bauch."
"Wie lange?" Ich konnte nicht verhindern, dass sich Panik in meine Stimme schlich.

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