*Wincent*
"Noch 10 Minuten bis Showbeginn", wurde uns mitgeteilt und Jonas, der bis eben ruhig auf der Couch in meiner Garderobe gelegen hatte, sprang auf.
Wo nahm der denn diese ganze Energie her?
"Wincent! Aufstehen." Er stellte sich vor mich, griff meine Hände und versuchte mich hochzuziehen. Ein aussichtsloses Vorhaben.
"Los!" Er sah mich auffordernd an.
"Ich glaube, ich gebe meinen Job als Coach heute an Jonas ab", sagte ich an Ann gewandt und stand dann doch vom Sofa auf.
Ann, die am Tisch saß und am Laptop gearbeitet hatte, drehte sich zu uns um. "Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist."
"Ach, der kann sehr hochwertiges Feedback geben, glaub ich. Und genauso schick aussehen, wie ich, tut er auch."
Jonas trug eine Jeans und ein blau-grün kariertes Hemd, was ihm echt sehr gut stand. Ich hatte mich, auf Anweisung von Anna und Ann, wieder in einen Anzug geworfen. So langsam gewöhnte ich mich dran. Immerhin wollte ich nächstes Jahr heiraten und für das Weihnachtsalbum musste ich auch wieder Anzug tragen. Ey, ich war noch nie so häufig so gut gekleidet wie dieses Jahr.
"Ihr seht in der Tat toll aus. Das grün dieses Jahr steht dir besser als das vom letzten", sagte Ann und stand auf.
"Danke."
"Wollen wir los?", fragte Ann.
"Jaaaa!!" Jonas sprang freudestrahlend auf und ab und war ziemlich schnell an der Tür.
"Ich schätze, da müssen wir hinterher", sagte ich und so folgten wir Jonas auf den Flur.
Ann griff nach meiner Hand und ich hielt ihre ganz fest. Zumindest so lange, bis der kleine Mann unbedingt zwischen uns laufen wollte. Aber das war schon okay.
Sobald wir hinter der Bühne angekommen waren, ging die Hektik los. Ich gab Ann noch einen kurzen Kuss, sehr zum Missfallen von Jonas, bevor die beiden ins Publikum gingen. Ich wurde in der Zwischenzeit verkabelt und ging noch einmal kurz zu meinen Talenten.
"Ellice? Toby? Jayden? Ihr schafft das und egal, wie das nachher ausgeht: Ich bin absolut stolz auf euch. Ihr habt es bis ins Finale geschafft und das ganz alleine. Ihr seid drei außergewöhnliche und super gute Künstlerinnen und Künstler. Lasst euch von niemandem etwas anderes erzählen. Das hier ist nur eine Show, okay?" Ich sah sie nacheinander prüfend an.
Sie nickten alle.
"Danke für alles, Wincent." Ich nahm Ellice in den Arm und danach auch die Jungs.
"So, eine Gruppenumarmung und dann muss ich los."*Annemarie*
"Wo ist Wincent?" Jonas sah mich traurig an.
"Der kommt gleich", versprach ich ihm. "Du musst jetzt aber ganz brav hier sitzen bleiben und zuhören, okay? Wincent muss ein bisschen arbeiten. Ihr könnt nachher ganz viel kuscheln und toben."
Er nickte eifrig und kletterte dann auf meinen Schoß, um mit mir zu kuscheln. Allerdings nur, bis die Coaches auf die Bühne kamen. Da setzte er sich dann lieber auf seinen Platz. Natürlich saßen wir so, dass er die ganze Zeit Wincent sehen konnte. Während der gesamten Show saß Jonas brav da, applaudierte und strahlte durchgängig wie ein Honigkuchenpferd. Als dann allerdings Ellice auf der Bühne stand und Wincent, genau wie so manch anderer im Studio, Tränen in den Augen bekam, brauchte Jonas wieder meine Nähe. Ich nahm ihn auf den Schoß und wiegte ihn beruhigend hin und her. Am Ende klatschte er sehr verhalten, aber als Wincent wieder zu lächeln begann, war die Welt wieder in Ordnung. Man konnte echt denken, Jonas wäre sein Sohn.
Die Bestätigung für diesen Gedanken bekam ich dann einige Stunden später, als die Aufzeichnung vorbei war und Wincent zu uns in die Garderobe kam.
"Hey, mein Großer. Zeit, um nach Hause zu fahren, hmm?"
Jonas, der auf dem Sofa lag und kaum noch die Augen offenhalten konnte, nickte nur.
"Willst du nicht auf die Aftershow? Schließlich hattest du hier mit dem Team intensive Wochen."
"Ne, alles gut. Ich muss nicht mehr überall dabei sein. Aber Mats bleibt hier. Lasst uns fahren."
"Okay. Dann los."
Wincent nahm Jonas auf den Arm, der sich direkt an ihn kuschelte. Ich nahm Wincents Rucksack und meine Sachen und folgte ihm. Wir gingen kurz in den Raum, wo die Aftershow stattfand. Allerdings nur, weil Wincent sich schnell verabschieden wollte.
"Bis morgen, Mats. Genieß die Party", wandte ich mich an meinen Mitbewohner.
"Bis morgen. Ihr kommt klar?"
"Ja, danke. Gute Nacht."
"Gute Nacht, Ann."
Mats nahm mich noch einmal kurz in den Arm und dann folgte ich Wincent zum Auto. Er hatte Jonas bereits angeschnallt. Mit einem letzten Blick in den Rückspiegel, fuhr Wincent vom Gelände und nach Hause. Eigentlich wollten wir dort auf Anja und Ingo, Jonas Eltern, warten. Doch schon kurz nachdem wir angekommen waren, schlief er auf der Couch ein.
"Was machen wir jetzt? Ich will ihn nicht wecken." Wincent sah mich fragend an und dann wanderte sein Blick wieder zu Jonas.
"Ich könnte seinen Eltern Bescheid geben und er bleibt über Nacht hier", schlug ich vor.
"Das klingt gut. Ich bringe ihn in der Zwischenzeit mal ins Bett."
Während ich also Anja schrieb, hob Wincent Jonas hoch und brachte ihn in mein Zimmer. Ich konnte nicht widerstehen und ging ihm leise nach. Mein Herz begann heftig zu pochen, als ich sah, wie liebevoll er Jonas zudeckte und durchs Haar strich. Ich freute mich jetzt schon darauf, ihn dabei zu sehen, wie er das mit unserem eigenen Kind tat.
"Hey, wo warst du schon wieder mit deinen Gedanken?" Ich hatte gar nicht gemerkt, dass Wincent direkt vor mir stand.
"Bei unserer Zukunft",gab ich zu. "Du wirst ein wunderbarer Vater."
"Meinst du?" Wincent sah mich skeptisch an und dann drehte er sich noch einmal zu Jonas um, der friedlich in meinem Bett lag und schlief.
"Ja. Komm, wir gehen ins Wohnzimmer."
Gesagt, getan. Ich kuschelte mich neben Wincent auf die Couch und einen Moment lang hingen wir unseren Gedanken nach.
"Meintest du das eigentlich Ernst?", unterbrach mein Verlobter irgendwann die Stille.
"Was?"
"Das mit den Kindern."
"Natürlich. Wenn ich Kinder habe, dann nur mit dir als Vater."
"Ich liebe dich", sagte Wincent und küsste mich.
Ich erwiderte den Kuss direkt. "Ich liebe dich", sagte ich, nachdem wir uns wieder gelöst hatten.
"Ich will übrigens auch nur dich als Mutter meiner Kinder." Wincent gab mir einen Kuss auf den Kopf und ich kuschelte mich an seine Brust.
"Aber erst nach der Hochzeit, okay?"
"Klar." Ich hörte Wincents Lächeln und ich selbst war auch mehr als nur glücklich.
Allerdings war ich auch müde, was meinem Verlobten nicht verborgen blieb.
"Los, lass uns ins Bett gehen", murmelte er.
"Okay."
Wir machten uns schnell fertig und schlichen dann ins Schlafzimmer. Zum aller ersten Mal konnten wir nicht Arm in Arm einschlafen, denn da lag ja noch ein Zwerg zwischen uns. Also so ein richtiger. Doch das war vollkommen okay. Wincent gab mir vorher einen Kuss und dann lächelte er mich über Jonas hinweg an.
Dass Wincent nach einem gemeinsamen Frühstück mit Anja und Ingo der Abschied von Jonas sehr schwer fiel, war fast vorhersehbar. Doch schließlich schaffte er es, nachdem er seinem neuen Freund versprechen musste, dass sie sich ganz bald wiedersahen. Spätestens bei seinem Konzert in Berlin, soweit ich wusste. Diese Info behielten wir aber für uns, denn weder Wincent noch Jonas wussten das. Es sollte die Geburtstagsüberraschung für meinen kleinen Ziehbruder sein.
Zwei Stunden später musste ich mich dann auch von Wincent verabschieden. Immerhin stand bei mir die ganze Woche Arbeit auf dem Programm. Und mein Verlobter musste nochmal nach München ins Studio. Ich wusste, dass wir es überleben würden, uns eine Woche nicht zu sehen. Doch ein wenig weh tat es schon. Am liebsten wollte ich immer bei ihm sein, aber das ging nicht. Zumindest aktuell war das einfach nicht drin.
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Wir sind mittendrin
FanfictionUnsere erste Begegnung war zwar nicht lang, aber dafür intensiv. Vergleichbar mit einem Branding auf meinem Herzen. ...