46 - Verletzungen

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I love you a lottle, it's like a little but a lot

Song: „Love Song" - Sara Bareilles

Meine Augen gleiten immer wieder zu ihm, ob ich das nun will oder nicht... ich will nicht.

Warum hat er mich vorhin mit diesem Blick angesehen, als... als würde in mir nicht nur seine Fake-Freundin sehen, als würde er... Nein! Er ist einfach nur ein genialer Schauspieler, das war Training für die Schule.

Was sonst?!

Ich sollte darüber gar nicht nachdenke, ich sollte mir lieber Gedanken darüber machen, wie ich Clive die Geschichte mit Sebastian und mir verklickern will. Vielleicht: „Hey Clive, übrigens... bevor du gestern aufgetaucht bist war ja Sebastian da und... also möglicherweise haben wir uns geküsst, mehrmals und dann ist er völlig durch den Wind verschwunden. Aber alles gut. Er hat mir nur gebeichtet, dass er mich wirklich mag – schon eine ganze Weile. Und du meinen ungefragten Wachhund gespielt hast. Aber sonst..."

Wenn ich mir das so auf der Zunge zergehen lasse, fühle ich mich schäbig. Es macht keinen Unterschied, dass Clives und meine Beziehung nur ein riesengroßer Schwindel ist. Ich habe ihn so oder so betrogen.

Ich habe danach mit Clive in einem Bett geschlafen und... Oh Gott! Was ist nur los mit mir?

Seit wann bin ich so?

„Du bist so still."

„Ich bin immer still.", presse ich hervor und linse flüchtig zu Clive.

Er ist still, nicht ich. Er macht Konversation im Auto, zieht mich auf und lacht mich anschließend aus, weil ich mich darüber aufrege.

Heute ist er ruhig. Clive ist ungewöhnlich schweigsam, seit wir mein Haus verlassen haben. Es kam nicht einmal ein genervter Kommentar von ihm, dass ich ein wenig länger gebraucht habe und er im Flur auf mich warten musste, oder Spott über mein extralautes Treppengepolter – damit meine Eltern Clives Schritte nicht hören. Normalerweise hätte er sich darüber köstlich amüsiert, sich über meine Paranoia und Panik lustig gemacht.

Aber nichts.

Clive hat mich nur mit diesem funkelnden Blick bedacht. Einer der Sorte: „Ich kann nicht glauben, dass ich das Glück habe, dich meine Freundin zu nennen. Du bist das Wertvollste in meinem Leben und ich liebe dich über alles." Gleichzeitig könnte ich schwören, dass auch so etwas wie pochender Schmerz darin versteckt war.

Und selbst wenn ich ihn nun darauf ansprechen würde, Clive würde es vehement abstreiten und mich aufziehen, ob ich plötzlich mehr in dieser Beziehung sehe...

„Du bist still."

Prompt begegne ich seinem Blick. Nur eine Sekunde, dann richtet er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße vor uns und ich spüre ein dumpfes Poltern in meinem Bauch.

Nervös ziehe ich meine Lippe zwischen den Zähnen hindurch, knabbere darauf herum und versuche irgendwas Verräterisches an seiner Haltung zu erkennen.

Nichts!

Wieso kann ich ihn nicht so lesen wie er mich?

Ich würde zu gerne wissen, was in ihn gefahren ist.... OH GOTT! Was ist, wenn er mitbekommen, dass Sebastian bei mir war, oder wenn Sebastian ihm eine Nachricht geschickt hat – ein Geständnis.

Vielleicht war das kein Glücks-Funkeln vorhin, sondern ein klagendes „Wie kannst du nur!".

Nein, dann würde er anders sein. Clive hätte mich zur Rede gestellt. Er hätte mir Vorwürfe gemacht und mich vielleicht sogar beschimpft, er wäre enttäuscht gewesen, oder?

CLIVE | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt