Speak low, if you speak love. - William Shakespeare
Song: "Dressed Up in White" – by CAL
"Clive, ich muss dir was sagen." Durchatmen. Innerlich versuche ich mich auf seinen durchbohrenden Blick zu wappnen – was bescheuert ist, denn sobald er mich auf diese Art ansieht, werde ich vermutlich innerlich zusammensacken. „Sebastian war ja bei mir und wir haben an unseren Kunstprojekten gearbeitet... irgendwann saßen wir auf meinem Bett und, er hat seine krüppelhaften Augen gezeichnet und den Bleistift nicht hergeben wollen und..."
Selbst in meinen Gedanken überschlägt sich meine Stimme dreifach. Atmen. Ich habe allmählich das Gefühl meine Lungen füllen sich nicht mit Luft, sondern scharfer Säure, die sich nach und nach meinen Hals hinaufätzt.
„Wir haben uns geküsst.", stoße ich aus.
Es kostet mich alle Kraft – das Bisschen, dass ich noch habe –meinen Wackelpudding-Knien zu widersprechen und den Mageninhalt in Schach zu halten. Der Toast bleibt im Bauch!
Standhaft recke ich mein Kinn nach oben, doch es gleicht mehr dem Versuch eine Verspannung aus meinem Nacken zu lösen als einer selbstbewussten Geste.
Im Grunde finde ich höchstens ein Staubkörnchen in dieser Geschichte, wofür ich selbstbewusst sein könnte. 'Wir haben einen Deal und sind nicht wirklich zusammen.' Lächerlich!
Oh Gott!
Wenn ich mich schon so fühle, wenn ich nur daran DENKE es zu beichten. Mir wird schlecht.
„Clive... am Montag, bevor du gekommen bist, war Sebastian ja da und wir haben uns geküsst."
Wieder wird mir speiübel.
Es ist jetzt beinahe eine Woche her und mit jedem Tag, jedem Blick zu ihm oder Sebastian wächst der Berg an Schuldgefühlen. Allmählich habe ich den Eindruck, er könne dem Mount Everest Konkurrenz machen.
Egal, wie ich es drehe und wende, am Ende fühle ich mich wie eine miese Betrügerin. Vielleicht fühlt sich das so in einer echten romantischen Beziehung an, wenn man einen dummen, irreversiblen Fehler begangen hat.
Aber der Unterschied ist, dass Clive und ich keine echte Beziehung führen und es will nicht in meinen Kopf, weshalb mir dieser Kuss nun so dermaßen zusetzt.
Das Klopfen an der Badezimmertür lässt mich zusammenfahren.
Automatisch kralle ich mich an das kalte Porzellanwaschbecken. Meine Finger fühlen sich taub an. „Rosemary?" Meine Mutter. Ich hätte es auch an ihrem Klopfen erkannt. Dad hämmert immer ein wenig, selbst wenn er es sanft macht – er kann nicht anders. „Bist du okay?"
Nein, Mom. Nichts ist okay!
Ich habe Sebastian geküsst, meinen Traumprinz und fühle mich deswegen hundsmiserabel, weil ich in einer Beziehung mit Clive stecke, die aber eigentlich auch gar nicht real ist, sondern nur ein riesengroßer Schwindel, um genau das zu erreichen.
Und ich traue mich jetzt nicht mal mehr Clive länger als drei Sekunden in die Augen zu blicken, ohne von einer Welle Schuldgefühle überrollt zu werden.
„Mhm, alles okay, ich brauche nur noch ein bisschen. Eyeliner und so."
„Clive wartet draußen."
„Schon?" Meine Stimme ist ein jämmerliches Krächzen.
„Mary, es ist halb acht... darf ich reinkommen?"
Ein Blick in den Spiegel und die klare Antwort sollte NEIN sein, aber ich kann nicht und meine Mutter nimmt das Schweigen wohl als JA.
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CLIVE | ✔
Teen FictionRosemary Adams führt eigentlich ein Bilderbuchleben. Eine glückliche Familie, zwei beste Freundinnen, die für sie durchs Feuer gehen würden und eine Leidenschaft für Kunst, die ihre Welt in Farbe taucht. Es fehlt nur noch der Traumprinz, um das letz...