64 - Sprachlos

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Stand by your man. Give him two arms to cling to and something warm to come to.

- Tammy Wynette

Song: „Team" – Lorde

Clive P.o.V.

„Wie war der Flug?"

"Ganz gut, ein bisschen wackelig, aber gut. Grandma hat sich zwei Margheritas gegönnt."

„Granny?"

„Ja, deine Grandma."

Lachend – das Telefon zwischen Schulter und Wange geklemmt – wische ich die Decken zu Boden.

Wo steckt diese verfluchte Fernbedienung? Wieso kann Benji sie nicht einfach auf den Tisch legen?!

„Wir sind jetzt auf dem Weg ins Hotel, bei dir ist so weit alles okay?"

„Mhm, alles gut..." Verdammt, wo ist das blöde Teil!

„Clive?"

„Sorry, Mom. Ich such nur grad die Fernbedienung."

Ihr Lachen schallt durch den Hörer und ich halte inne. „Die liegt auf dem Kamin, Schätzchen. Da hast du sie hin – gestern Abend."

„Oh..." Meine Augen fliegen magnetisch zum angeblichen Tatort.

Es dauert nicht lange, da kommen die verschwommenen Erinnerungen von gestern wieder. Zugegeben... ich erinnere mich klar und deutlich. Kurz bevor meine Eltern und Benji gefahren sind, hatte ich mich vom Sofa geschält und genau dort hingelegt. Tja und später habe ich sie genau da liegen lassen und bin vorm Fernseher eingenickt...

„Danke, Mom."

Ich kann mir vorstellen, wie sie ihren Kopf schüttelt und wissend lächelt. „Gerne. Meld dich, wenn was ist und sag Josh und seiner Familie liebe Grüße, ja?"

„Mach ich."

„Wir denken an dich, Schätzchen."

„Ich an euch auch.", seufze ich – halb genervt von ihrem ständigen „Schätzchen", halb schmerzlich, aber vollkommen ehrlich.

Es ist scheiße. Allein an Weihnachten ist einfach nur blöd. Ich kann Kevin verstehen. Ich vermisse meine Familie auch.

Wir legen auf.

Einen Moment lang lasse ich meine Hand auf dem Sims ruhen und fahre mir durchs Haar.

Vielleicht ist das auch eine Erfahrung, die man machen muss.

Vielleicht auch nicht, aber ich habe keine Ahnung, wohin ich hätte gehen sollen. Josh feiert mit seiner Familie und bei Gott, ich will nicht in diese heilige Tradition platzen, egal wie sehr mich seine Eltern und Geschwister lieben.

Rosie... ist in Montour – Familienfeier.

Sebastian... ich lach mich tot.

Cole, Leroy, Justin? Nein...

Gut möglich, dass auch mein Stolz schuld ist.

Rosie würde sagen ich bin zu arrogant und eingebildet, um irgendwen zu fragen. Tja, wie recht Rosie hat. Sowas darf ich ihr aber nicht sagen.

Ich muss grinsen, wenn ich mir ihr genervt aufstöhnendes Gesicht vorstelle. Wie sie mit ihren Haarspitzen spielt und ihre Unterlippe zerkaut.

Es sind nur eineinhalb Wochen.

Silvester bin ich sowieso bei Cole.

***

Noch fünf Minuten.

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