Das nächste Wochenende brach an und ich fand mich am Freitagabend vor einer leeren Leinwand wieder, die ich aus einem unerklärlichen Impuls heraus, zusammen mit einer Menge an Farben, die ein Anfänger niemals brauchen würde, besorgt hatte, um meinem nächsten temporären Hobby nachzugehen. Dem Malen.
Genau genommen hatte ich das Malen schon mehrmals aufgenommen. Ich hatte CDs bemalt und sie mit Schnüren aneinander befestigt, wie ich es in irgendeinem TikTok Trend gesehen hatte. Außerdem hatte ich mir eins von diesen ultrakleinen Notizbüchern besorgt, in denen manche winzigkleine Kunstwerke hineinzeichneten. Nach zwei Tagen hatte ich das winzige Ding verloren. Mein dritter und bis dato letzter Versuch war Glasmalerei gewesen. Ich hatte mit den Knien auf meinem Schreibtisch gehockt und meine halbe Fensterscheibe versaut. Das hatte ausgesehen, als hätte eine Erstklässlerin an meinem Fenster herumgewerkelt.
Und nun war es wieder das Malen. Nur, dass das Malen nicht einfach so geschah, während ich die weiße Fläche betrachtete und die Farben auf meiner Mischpalette zu trocknen begannen. Ich betrachtete die Farben, dann die Leinwand, dann die Farben - und zuckte die Schultern. Meine intrusiven Gedanken gewannen und ich drückte die Mischpalette auf die Leinwand, bevor ich sie nach unten gleiten ließ. Vor Abscheu, vor dem Resultat, verzog ich das Gesicht, aber dann sah ich, zwischen zusammengekniffenen Lidern eine Gestalt in dem Bild und zückte einen stumpfen Bleistift, ohne die Leinwand aus den Augen zu lassen. Als konnte das, was ich sah, wieder verschwinden, wenn ich den Blick abwandte.Nach ein paar Stunden hatte ich ein Bild gemalt, dass mich gleichzeitig erstaunte und abermals die Nase rümpfen ließ. Ich machte eine wegwerfende Handbewegung in Richtung Bild und wandte mich ab, um mir im Bad die mit Farbe beklecksten Hände und Arme waschen zu gehen. Danach zog ich mir gemütliche Yogakleidung aus dem Schrank und tauschte sie gegen mein altes, weißes Shirt und die schwarze Leggings. Von oben bis unten in die dunkellila Farbe einer Waldbeere gepackt, verließ ich das Haus für einen kleinen Spaziergang.
Die Sonne knallte mir auf den Scheitel und ich hob eine Hand, um meine Augen abzuschirmen. Der Himmel war strahlend blau und wolkenlos, Insekten surrten und der Geruch von Sonnenerhitzten Pflanzen und Asphalt stieg mir in die Nase. Wäre jetzt noch Yoongi bei mir-
"Oh, vorsicht, Young!", sagte jemand, bevor ich in ihn hineinrennen konnte.
Schnell senkte ich den Kopf und richtete ihn nach vorne. Ich senkte meinen Arm, ließ ihn eher fallen, und war überrascht, bei dem Anblick der Person, die sich vor mir aufgebaut hatte. Ich hatte kaum das Grundstück verlassen.
"Jin?!", fragte ich so laut und überrumpelt, dass es fast wütend klang.
"Ich freue mich auch, dich zu sehen, Prinzessin auf der Erbse. Hast du es immer so eilig, wenn du gerade in den Himmel schaust, um dir die Netzhaut wegzuätzen?"
Innerlich seufzte ich genervt, äußerlich verschränkte ich aber nur die Arme vor der Brust und stemmte mein gesamtes Gewicht auf ein Bein.
"Was machst du hier?"
Jin ging an mir vorbei und rempelte mich dabei an, so dass ich das Gleichgewicht verlor und mit den Armen fuchtelnd um meine Balance kämpfen musste. Wütend drehte ich mich zu ihm um, aber da schlenderte er schon durch unser Eingangstor, auf unser Haus zu. Widerwillig lief ich ihm hinterher.
"Eigentlich war nicht geplant, dass ich herkomme. Ich habe Yoongi heute zu einer seiner Auditions gefahren, weil sie in Daejeon stattgefunden hat. Er wollte zuerst Überstunden machen, damit er sich Zugtickets hätte leisten können."
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The Uninteresting Life of Goh Young || min yoongi
FanfictionVlogs sind eine Art an der eigenen Schule und darüber hinaus Bekanntheit zu erlangen, doch für Goh Young geht dieser Plan schief, denn ihre langgezogenen Alltagsvideos sind für ihre Mitschüler die reinste Lachnummer. Das macht Young ziemlich zu scha...