6. Kapitel Die Überraschung

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"Aurora aufwachen", jemand strich mir über die Stirn. Ich seufzte und kuschelte mich in die Decke. Seit langem hatte ich nicht mehr durchgeschlafen und ich wollte weiter schlafen. Ich öffnete meine Augen langsam und blickte gleich in die Augen von Jessica, die mich anschmunzelte. "Hast wohl gut geschlafen?"

Ich seufzte zufrieden und das brachte Jessica zum Lachen. Es war ein ehrliches Lachen und kein gehässiges Lachen, was ich nur kannte.

"Hattest du wenigstens einen schönen Traum?" Jessica hatte sich noch nicht ganz von ihrem Gelächter erholt.

"Mhhm", stöhnte ich, schnappte mein Kissen und drückte es auf mein Gesicht.

"Ach du hattest so einen Traum" Jessica lachte erneut auf, schnappte sich das Kissen, welches ich in mein Gesicht drückte und warf es in die nächste Ecke. "Wie sah er aus?"

"Das verrate ich dir doch nicht", murrte ich und vergrub mein Gesicht in meine Hände. Auf meinen Lippen hatte sich aber dennoch ein Lächeln geschlichen. "Muss ich dich erst durchkitzeln, damit du es mir verrätst?" Jessica fing auf einmal an mich zu kitzeln und ich musste lachen, da ich sehr kitzelig war, versuchte ich mich aus ihrer Reichweite zu bringen, aber sie verfolgte mich. Ohne Gnade kitzelte sie mich, erst als ich kaum mehr Luft bekam, hörte sie auf. "Und muss ich weitermachen?" Sie schaute mich mit schräg gelegtem Kopf an. "Is ja gut", ich ergab mich.

"Und?" Sie klang ungeduldig und ihre grünen Augen strahlten förmlich.

"Er hatte flammend rote Haare, die bestimmt sonst in einem Irokesenschnitt sind. Er trug einen schwarzen Mantel. Seine Augen waren blau, so wie das Meer, wenn es aufgewühlt ist. Er hat den Schatten, der mich seit 6 Monaten begleitet, einfach mit einer Hand weggeweht."

"Oh man, so genau wollte ich es nun auch nicht wieder wissen." Sie ließ sich auf die Matratze fallen.

"Du wolltest es wissen", ich gluckste und fiel in schallendes Gelächter, Jessica fiel eine Sekunde später ein.

"Hey ihr zwei, anscheinend versteht ihr euch ziemlich gut, es gibt Frühstück." Marie steckte ihren Kopf in den Raum. "Jay Liebling, kommst du kurz."

"Ja Mama", Jessica setzte sich auf und schlurfte in ihrem Pyjama zu Marie.

"Was?" Jetzt fiel ich aus allen Wolken. Wenn Marie Jessicas Mutter war, dann wäre sie...

"Ja, sie ist auch deine Mutter", ergänzte Jessica meinen Gedanken und schlüpfte gerade in dem Moment aus dem Raum.

Marie und ich schauten uns an. "Ich wollte dich eigentlich erst ankommen lassen, bevor ich es dir erzähle, aber Jay hat es leider voraus genommen", Marie klang ziemlich traurig.

"Sie hat nur gesagt, dass sie meine Schwester ist und wir verschiedene Väter haben und ich habe 1 und 1 zusammengezählt."

"Verstehe, wenn du darüber reden möchtest", Maries Stimme brach. "Vielleicht später", ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Ich hörte Marie, wie sie sich von der Tür entfernte und die Treppen runterlief.

Warum hatte ich so lange bei meinem 'sogenannten Vater' gelebt, der mir immer erzählt hatte, meine richtigen Eltern wären bei einem Autounfall gestorben? Ich wusste nicht, ob ich wirklich vertrauen sollte, sie hatte fast 17 Jahre Zeit, um mich zu sich zu holen, warum erst jetzt?

"Wie lange möchtest du noch hier liegen?" Eine unbekannte Stimme ließ mich aufschrecken.

Ich setzte mich auf und schaute mich Raum um, aber sah niemanden. Hatte ich mir diese Stimme eingebildet?

Mit einmal saß jemand auf dem Stuhl, es war ein wabbeliger Schatten. Ich erschrak, aber bekam kein Wort über die Lippen. "Steh auf, wir reden heute Abend." Seine Stimme kam mir sehr bekannt vor und dann machte es klick. Es war der Schatten, der mir Albträume bereitet hatte. Ich drückte mich an die Wand. "Oh nein, du wirst dich jetzt nicht wieder verängstigt in die Ecke drücken." Der Schatten sprang vom Stuhl und wollte mein Gesicht in seine Hände nehmen und ich versuchte sie wegzuschlagen. Er war aber geschickter und hielt es keine Sekunde mit seinen Händen fest. "Schau mir in die Augen", seine Stimme wurde eisig. Er hatte sich vorgebeugt, er fing an Kreise zu ziehen mit seinen Daumen auf meinen Wangen. Diese zärtliche Berührung verwirrte mich und ich schaute in seine Augen. "Ich hätte dich nicht mit den Albträumen quälen sollen, damit habe ich dich erst in diese Situation gebracht." Die Bewegung des Schatten beruhigte mich. "Du bist anscheinend viel kooperativer, wenn du durchgeschlafen hast." Ich versank in seinen schwarzen Augen, Augen mit einem leichten lila Schimmer. "Wehr dich nicht."

Wogegen sollte ich mich wehren?

Der Schatten beugte sich zu meinen Lippen und fing an mich zu küssen. Dunkelheit drang in mich ein. Es war ein sehr unangenehmes Gefühl. Ich schlug auf seine Arme. Das unangenehme Gefühl wurde zu einem brennen. Ich schubste ihn mit meinen Füßen von mir weg.

"Du solltest dich doch nicht wehren!" Er schien sauer zu sein. Ich zitterte, es fühlte sich an, als würde man mir einen Eiskübel über dem Kopf ausschütten. "Aber anscheinend war ich zu forsch." Er legte seinen Kopf schief und beobachtete mich. "Bis heute Abend." Der Schatten löste sich in der Luft auf.

"Aurora, kommst du?" Jessicas Stimme kam von unten und löste meine Starre somit.

"Ja." Ich sprang vom Bett auf und huschte mit eiligen Schritten ins Bad. Auf einer kleinen Kommode lag ein Stapel Klamotten. Ich schnappte mir diesen und zog sie mir ganz schnell an. Es war eine dunkle Jeans mit einem weißen T-Shirt. Das weiße T-Shirt harmonierte mit meinen roten Haaren seltsamerweise. Meine Haare flocht ich zu einem Zopf. Ich eilte aus dem Bad und lief die Treppe herunter.

Jessica und Marie saßen am Tisch und warteten auf mich. Ich setzte mich auf den freien Platz. "Endlich, ich habe Hunger." Jessica rieb sich die Hände und nahm sich die ersten Brötchen. Sie reichte mir den Brötchenkorb weiter und ich nahm mir ein helles Brötchen heraus. Es war eine sehr entspannte Atmosphäre.

"Ich habe eine kleine Überraschung für dich, Aurora", sagte Marie, die aus der Küche kam. Wir hatten gerade eben das Frühstück beendet und saßen nun an einem aufgeräumten Tisch.

Marie legte ein kleines eingepackte Paket vor mich auf den Tisch. Es war in einem grünen Geschenkpapier mit, einer weißen Schleife versehen. "Ich weiß, du hast noch nicht Geburtstag, aber ich hoffe, dass ist eine Entschuldigung für die Jahre, die du nicht bei mir verbracht hast." Ich schaute Marie irritiert an und öffnete mit zitternden Händen das Paket. In dem Paket lagen ein schwarzer Reiterhelm, eine Gerte und noch eine Reiterhose. Ich schaute Marie verwirrt an.

"Ich glaube, sie weiß nichts damit anzufangen, Mama." Jessica schaute ihre Mutter an, die seufzte. "Du bist hier auf Jorvik und es ist Brauch, dass wirklich jeder ein eigenes Pferd besitzt."

Meine Augen weiteten sich. "Ich kann, aber nicht reiten", erwiderte ich ziemlich ängstlich. "Ich weiß, deswegen wirst du Reitunterricht bekommen." Marie lächelte mich ehrlich an und strahlte Wärme aus.

"Und wenn ich merke, dass Reiten nichts für mich ist?"

"Glaub mir, du wirst es lieben", erwiderte Jessica, nahm meine Hand und drückte sie.

Der 4. GeneralWo Geschichten leben. Entdecke jetzt