30. Kapitel Eine andere Art von Unterhaltung (Jessicas Sicht)

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Jessica saß wie jeden Abend an ihrem Schreibtisch und studierte das Buch der Lichtzeremonie. Sie machte sich Notizen, was alles schiefgehen könnte. Aber sie schien sich nicht richtig konzentrieren zu können, denn sie schaute entweder auf ihr Handy oder aus dem Fenster.

Sie schaute gerade auf ihr Handy, als es anfing, zu klingeln. Es rief Sabine an, der Klingelton, verriet sie. Jessica ließ ihren Stift sofort fallen und ging sofort an ihr Handy. "Jessica, ich weiß, du machst dir Sorgen um Aurora. Es. Geht. Ihr. Gut."

"Ich mache mir halt Sorgen. Ich...Ich..", ihre Stimme schien zu versagen.

"Ich bin eigentlich niemand, der Vorwürfe macht, Jay", Sabine schien auf der anderen Seite Luft zu holen. "Du hast bei ihr eine Grenze überschritten, egal wie viele Geschenke du ihr machst oder dich entschuldigst. Sie muss dir verzeihen können und wenn sie das jetzt noch nicht kann, dann gib ihr einfach Zeit."

"Was soll Aurora dir verzeihen?" Garnoks Stimme hallte durch Jessicas Verstand.

Jessica zuckte zusammen. 'Fuck', dachte sie. 'Wieso habe ich mein Gespräch nicht abgeschottet?'

"Danke, dass du angerufen hast, Sabine, und dass du mir den Kopf noch rechtzeitig gewaschen hast, bevor noch irgendwas Schlimmeres passiert wäre."

"Bevor noch irgendwas Schlimmeres passiert wäre?" Garnok klang alamiert.

"Jaja, dank mir später. Erzähl es am besten Garnok, der macht dich sonst keine Ahnung wie viel Köpfe kürzer." Mit diesen Worten beendete Sabine das Telefonat.

"Jessica De Kasa, du wirst mir jetzt sofort erzählen, warum du dich andauernd abschottest. Ich würde es ja verstehe, wenn du mich bei einem Gespräch mit deiner Schwester aussperrst, aber es ist mittlerweile fast jeden Tag!"

Jessica sackte in ihrem weichen Stuhl zusammen. Sie schien nicht zu wissen, wie sie anfangen sollte.

"Ich wiederhole mich nur selten, Jessica. Was soll dir Aurora verzeihen?"

Jessica schluckte. "Das ich ihr das Bein gestellt habe und sie die Treppe heruntergestürzt ist."

"Du hast ihr was?" Wann war das?" Garnok schien kurz davor sein auszurasten.

"Als sie 2 Tage gebraucht hat, um nachhause zu kommen", antwortete Jessica kleinlaut.

"Sag mir nicht, dass es die Treppe in der Schule heruntergefallen ist!"

"Doch", flüsterte sie.

"Hast du noch alle Tassen im Schrank! Deine Schwester hätte dabei sterben können!"

Jessica sackte noch mehr in sich zusammen.

"Das wirft auch ein schlechtes Licht auf mich, ist dir das eigentlich bewusst? Nein, anscheinend war es dir nicht bewusst. DU GEHST SOFORT ZU AURORA UND ENTSCHULDIGST DICH."

"Ich würde das ja machen, wenn sie nicht seit fast 2 Tagen verschwunden wäre", Jessica wurde immer kleinlauter.

"WIE VERSCHWUNDEN?!" Garnok rastete jetzt komplett aus.

"Sie ist in Sicherheit", eine unbekannte Frauenstimme ließ Jessica erneut zusammen zucken. Sie drehte sich um und blickte in fast identische Augen, wie sie besaß.

"Urahnen, was machst du hier?" Garnok klang verwirrt.

"Ich wollte mit meiner Nachfahrin eine Unterhaltung führen." Die Frau verschränkte ihre Arme vor der Brust.

'Nachfahrin? Was meinte die Frau damit?' Jessica war genauso verwirrt anscheinend wie Garnok, denn dieser zog sich sofort aus ihrem Geist zurück.

Die Frau schaute Jessica ernst an. Sie trug ihre schwarzen Haare in einem geflochtenen Zopf und hatte ein grünes Kleid an. "Darf ich mich setzten?"

Jessica war so überrascht über ihren Besuch, dass sie auf ihr Bett zeigte. Die unbekannte Frau setzte sich aufs Bett und der strenge Blick wurde etwas sanfter. "Du machst dir Vorwürfe, stimmt's?"

"Ja", erwiderte Jessica und senkte den Kopf.

'Ja, verflucht nochmal, ich machte mir Vorwürfe. Ich habe vor 2 Wochen einen Sündenbock für meine Probleme gebraucht und Aurora war leider das perfekte Opfer.'

"Weißt du, vor Jahrtausenden ist genau dasselbe passiert." Die Fremde neigte ihren Kopf. "Ich habe meiner Schwester nur damals geholfen, als die anderen auf sie eingedroschen haben. Ich habe sie nicht gestoppt, obwohl ich es hätte können. Erst jetzt, nach zehntausend Jahren, hat sie mir verziehen."

Jessica sah ihren unbekannten Besuch überrascht und gleichzeitig erschrocken an.

"Erst nach zehntausend Jahren?"

"Ja. Machst du dir Gedanken um Aurora?"

"Ja, mache ich. Ich kann nachts nicht mehr ruhig schlafen, vorallem seit sie 2 Tage nun verschwunden ist."

"Möchtest du sie sehen?" Die Frau lächelte sie dezent an. Sie hielt Jessica eine Hand hin. Jessica nahm die Hand der Frau und wurde in die Erinnerungen gezogen.

Aurora saß auf einem Sofa und wirkte abwesend, aber glücklich. Fasziniert beobachtet sie eine Tasse, aus der Blubberblasen aufstiegen. Die ganzen Verletzungen, die durch den Treppensturz kamen, waren anscheinend verheilt. Aber waren auch ihre psychischen Verletzungen verheilt?

Die Erinnerung verblasste und die Frau nahm die Hand weg.

"Gibt es etwas, was du ihr geben willst?"

Jessica reagierte fast sofort, sprang von ihrem Stuhl auf und ging auf leisen Sohlen in Auroras Zimmer. Die unbekannte Frau folgte ihr.

Jessica ging zum Nachtischschrank von Aurora. Auf diesem stand die kleine Schneekugel, die sie ihr nachträglich zum Geburtstag geschenkt hatte.

Jessica erinnerte sich an die Freude, die sie gespürt hatte, als Aurora sie in der Hand gehalten hatte.

'Würde sie mit mir jemals wieder lachen? Oder hatte ich es komplett verschissen?'

"Hast du die gemacht?" Die unbekannte Frau nahm interessiert die Schneekugel in die Hand.

"Ja, es sollte eine Entschuldigung sein." Jessica hielt ihren Kopf gesenkt. Eine einsame Träne verriet ihre Gedanken.

"Ich werde sie ihr geben. Sie wird sich sicher sehr darüber freuen." Die Unbekannte neigte ihren Kopf und sah die einsame Träne, die über Jessicas Wange lief.

'Ja, sie würde sich freuen, denn sie dachte, jemand Unbekanntes hätte es ihr geschenkt und nicht ihre verhasste Schwester, der sie nicht mehr über den Weg trauen konnte.'

"Wenn sie fragt, sag ich es ihr, dass sie von dir stammt."

Jessica drehte sich um und wollte noch etwas erwidern, die Frau war aber verschwunden.

Der 4. GeneralWo Geschichten leben. Entdecke jetzt