"Ich glaube, wir haben auf dieser Welt die Wahl, wie wir traurige Geschichten erzählen wollen. Wir können sie schönreden. Doch es ist nicht die Wahrheit."
Danke, Mum. Danke, dass du mir wieder so ein Buch kaufst. Ich habe "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" zwar nicht gelesen, oder den Film gesehen, aber ich weiß worum es geht. Ganz grob. Es geht genau um dasselbe Thema wie in allen anderen Büchern die meine Mum mir kauft. Sie denkt, dass mir das helfen könnte die Sache zu verdauen. Die Sache. Sie nannte es nicht einmal beim Namen. Sie nannte es nur die Sache oder die Umstände. Schon allein die Tatsache, dass sie es nicht sagen konnte. Die Tatsache, dass sie Angst hatte, wenn sie es aussprechen würde, würde ich zusammen brechen, machte die ganze Sache nur noch komplizierter. Ja als wäre ich nicht schon längst zusammen gebrochen. Als wäre meine ganze Welt nicht schon längst zusammen gebrochen.
Sie hatte keine Ahnung, wie ich mich fühlte. Auch wenn sie immer sagte " Ich verstehe dich. Ich weiß, wie das ist." Sie hatte keine Ahnung. Ich machte ihr deswegen keine Vorwürfe. Ich war froh, dass sie diesen Schmerz noch nie erlebt hatte. Denn diese Umstände würde ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind wünschen.Nicht einmal der schlechteste Mensch der Welt hatte das verdient. Naja, vielleicht dachte ich ja nur so, weil ich der schlechteste Mensch der Welt bin.
Versteht mich nicht falsch. Ich versinke hier nicht in Selbstmitleid, sondern eher in Selbsthass und Schuldgefühlen. Ich bin auch nicht deprimiert oder so. Ich gehe wieder normal zur Schule, kümmere mich um meinen jüngeren Bruder Justin, wenn meine Mutter (mal wieder) länger arbeiten muss. Zur Arbeit gehe ich übrigens auch wieder. Anders könnten wir uns mein College nicht leisten. Meine Noten sind mehr als nur gut genug für ein Stipendium, ich kriege nur keines.
Ich kriege kein Stipendium, weil ich einen Vater habe. Und weil dieser Pilot ist. Es hieß, es gäbe ärmere Familien und ich solle meinen Vater doch einfach um Geld bitten. Das Problem dabei ist, dass mein Vater uns keinen Unterhalt bezahlt. Abgesehen davon rede ich schon seit vier Jahren nicht mehr mit ihm. Ich kam zu dem Entschluss, dass allein die Unterhaltungen verblödend sind, als er angefangen hatte meine Mutter als eine Schl**** hinzustellen und zu behaupten, dass er keine Kinder hätte. Ich hätte den Kontakt zu ihm schon viel früher abbrechen sollen, spätestens da als herauskam, dass er Mum mit einer Polin betrogen hatte. Spätestens da hätte ich ihn meiden sollen...
Naja, jedenfalls muss ich jetzt dreimal die Woche Kellnern und genauso oft Babysitten. Ich habe nur einen Tag frei und den verbringe ich damit soviel Wissen wie möglich in mich hinein zu prügeln. Meine Mutter ist Krankenschwester. Sie wollte den Beruf aufgeben, weil sie als private Pflegerin mehr verdienen würde, aber ich wusste, dass das immer ihr Traum war, also bin ich eingesprungen.
Ich bin wirklich froh, dass mein Bruder nicht arbeiten muss. Ich bin froh, weil er so wenigstens ein Leben außerhalb der Schule führen kann. Ein normales Leben, mit Freunden und allem was dazu gehört. Allerdings waren die letzten paar Jahre nicht mal für ihn unbeschwert.
Er hatte genauso leiden müssen wie Mum. Ich war oft von der Arbeit nachhause gekommen und habe gesehen wie sie geweint haben. Ich bin immer zu ihnen gegangen um sie zu trösten, aber sie fingen nur noch mehr an zu weinen und irgendwann habe ich mich einfach in mein Zimmer zurückgezogen, in der Hoffnung, dass sie sich schneller wieder beruhigen würden.
Der Plan ging auf, sie hatten sich tatsächlich ziemlich schnell wieder im Griff, allerdings sahen sie mich immer so an... So als könnte ich jeden Moment weg sein...

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Lead Me Out Of The Dark
Teen FictionDies ist die Geschichte von Jenny, einem sechzehnjährigen Mädchen. Sie hat zwei Jobs, um ihre Mutter finanziell zu unterstützen während diese mit Jennys Vater mitten in einem Scheidungskrieg steckt. Ihr Leben verbrachte sie stehts nur damit zu arbei...