Mein Wecker klingelte. "So ein Müll, ich will nicht zur Schule."
Trotzdem erhebe ich mich schwerfällig aus meinem Bett, wobei ich fast umgekippt und wieder zurück hinein gefallen wäre,nahm mein Handy zur Hand und schlurfte ins Badezimmer. Dort sperrte ich mich ein,schaltete den MP3 Player auf meinem Handy an und stellte mich unter die heiße Dusche.
Ich musste mich mit aller Kraft zusammen reißen, damit ich meine Augen nicht schloss, denn wenn meine Augen einmal geschlossen waren, würde ich wieder einschlafen. Zwei Stunden Schlaf. Ob ihr es glaubt oder nicht, das ist neuer Rekord. Und zwar Höchstrekord!
In den letzten Wochen kam ich so gut wie gar nicht mehr zum Schlafen. In der Schule war zu viel los, außerdem bin ich die Chefredakteurin bei unserer Schülerzeitung und ich arbeite ganze nebenbei als Kellnerin und als Babysitterin, damit ich es mir leisten kann irgendwann einmal auf ein College zu gehen. Zuhause läuft auch nichts so wie es sein sollte. Über zwei Jahre läuft die Scheidung meiner Eltern jetzt schon und es ist noch kein Ende in Sicht.
Mein Vater hat meine Mutter betrogen. Dann hatte er ihr am Tag meiner Firmung die Scheidung angekündigt. Da er nichts für uns bezahlen möchte, meine Mutter aber keine Ausbildung hat, streiten die zwei sich seither und zwar vor Gericht. Meine Mutter und ich, wir streiten uns auch sehr oft, seit das angefangen hat. Mein Bruder bekommt davon (hoffentlich) so gut wie nichts mit. Er ist erst 9 und ich will, dass er eine unbeschwerte Kindheit hat, zumindest so weit wie möglich. Ich bin mittlerweile 15 und kann das nicht von mir behaupten. Ich gebe niemandem die Schuld daran wie die Dinge gelaufen sind. Man kann es eh nicht mehr ändern, aber die Tatsache, dass die Dinge jetzt so laufen wie sie laufen, ist allein die Schuld meines Vaters. (Mit dem ich übrigens seit ungefähr zehn Monaten nicht mehr spreche.)
Ich will auch gar nicht mehr darüber nachdenken, also steige ich aus der Dusche, trockne mich ab, föhne meine wiederspenstigen Haare und mache mich für die Schule fertig.
Den Bus verpasse ich wie immer beinahe und muss deshalb laufen. Eigentlich müsste ich eine super Figur haben, wenn man mal darauf achtet wie viel ich am Tag laufe, weil ich etwas oder jemanden fast verpasst hätte. Naja, so ist es halt nicht. Auch egal.
Die Schule ist genauso, wie ich es schon nach dem Aufwachen vermutet hatte. Mathe,Latein,Biologie,Französisch und eine Doppelstunde Sport. Zum Runterspülen.
Als ich um drei Uhr zuhause ankomme und dieTür aufstoße, höre ich schon von weitem, dass meine Mutter im Wohnzimmer sitzt und weint. Der Fernseher ist eingeschaltet, aber ich weiß, dass es nicht daran liegt. Ich setze mich neben sie und nehme sie in den Arm. Sie weint noch ein paar Minuten, bevor sie mir erklärt was los ist. Nicht dass sie es mir erklären müsste, ich wusste es bereits. Seit ungefähr zwei Jahren traf ich sie fast täglich nach der Schule so an. Und es war immer der selbe Grund.
Ich beschwere mich nicht, ich weiß, dass es ihr hilft darüber zu reden, egal wie oft, also lasse ich sie einfach weinen und reden. "W-Weißt-du...i-ich ka-ann ei-nfach n-ni-cht verste-hen wie-wieso e-er da-das tu-ut..."
Ich lasse sie weiter weinen und ignoriere es, dass mein T-Shirt mittlerweile komplett durchnässt ist. Ich streiche ihr über den Rücken und drücke sie an mich. "Schhhhh"
Nach einer ganzen Weile richtet sie sich wieder auf "Hast du keine Hausaufgaben?" "Doch, ich gehe sie gleich machen" Ihre Stimmungsschwankungen sind nicht echt. Sie versucht nur so zu tun, als ob alles normal ist. Sie weiß es, ich weiß es und ich glaube, sogar Justin weiß es. Der kleine aber feine Unterschied ist nur, dass meine Mutter denkt, Justin und ich würden nichts bemerken, wir würden ihr alles glauben.
Ich gehe die Treppe hinunter in mein Zimmer und setze mich an den Schreibtisch. Ein totales Chaos herrscht hier und nachdem ich auf meinem Handy wieder die Musik angemacht hatte, fange ich an aufzuräumen. Nach etwa einer halben Stunde ist mein Zimmer wieder ordentlich genug um es benutzen zu können. Ich setzte mich und begann mit meinen Hausaufgaben und lernte für den nächsten Tag, danach arbeitete ich an der neuen Ausgabe unserer Schülerzeitung und schrieb an meiner Geschichte weiter. Ich konnte es leider nicht beenden weil ich zur Arbeit musste.
Ich kam pünktlich um 18.30 Uhr mit dem Moped vor dem Wohngebäude an, in dem ich immer babysitte. Ich sprintete die Treppe hinauf, den pünktlich ist grundsätzlich immer zu spät. Ich klopfe an und Jamie öffnete die Tür "MAMA ! JENNY IST DAAHAA!" Sofort raste Mrs. Morgan an mir vorbei " Wir sehen uns um 11, Jenny! Bis später!" Den letzten Satz hörte ich schon fast nicht mehr, weil sie bereits die Treppe hinab gestürmt war. "JENNY!!!" Das war Sam, ein kleines, drei jähriges, blondes Mädchen und die kleine Schwester von Jamie. Sie rannte auf mich zu und umarmte mich, oder eher meine Schienbeine. Ich lachte, hob sie auf und trug sie zurück in die Wohnung. Jamie schloss hinter mir die Tür und als ich Sam abgesetzt hatte, gab er mir einen Handkuss. Er hatte das irgendwann einmal in einem Kinderfilm gesehen und seither begrüßte er mich immer so. Jamie ist sechs, brünett und ziemlich groß für sein Alter, er ging mir immerhin schon bis zur Schulter.
Wir verbrachten den Abend damit Monopoly und Activity(zu dritt eine ziemliche Herausforderung) zu spielen und um acht brachte ich sie ins Bett und las ihnen eine Gute Nacht Geschichte vor. Als die beiden Rabauken endlich schliefen, setzte ich mich ins Wohnzimmer und schrieb über mein Handy an meiner Story weiter.
Mrs. Morgan kam wie erwartet (wenn auch gegen unsere Abmachung) um halb eins nachhause. Sie gab mir 60 Euro und entschuldigte sich tausend mal dafür, dass sie (schon wieder) zu spät kam. Ich versicherte ihr nur, dass das schon in Ordnung sei und verabschiedete mich.
Dann fuhr ich nachhause. Leise sperrte ich die Haustüre auf. Meine Mutter merkte nie, dass ich so spät erst nachhause kam, weil sie sich innerhalb der letzten zwei Jahre angewöhnt hatte, schon gegen acht Uhr ins Bett zu gehen.Ich schlich in mein Zimmer und machte mich Bett fertig. Während ich mich ins Bett plumsen ließ und auch schon schlafen wollte viel mir etwas ein- Ich musste noch mein Geo-Referat machen!
Normaler Weise hätte ich es einfach gelassen und behauptet ich hätte es vergessen, allerdings wollte ich eine bessere Note in Geo und wusste, dass ich diese Chance sonst in diesem Schuljahr nicht mehr bekommen würde.
Ich stieg also wieder aus dem Bett und arbeitete an meinem Referat.

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Lead Me Out Of The Dark
Teen FictionDies ist die Geschichte von Jenny, einem sechzehnjährigen Mädchen. Sie hat zwei Jobs, um ihre Mutter finanziell zu unterstützen während diese mit Jennys Vater mitten in einem Scheidungskrieg steckt. Ihr Leben verbrachte sie stehts nur damit zu arbei...