„Mr. Stane ist da. Ich habe ihn ins Wohnzimmer gebeten."
„Danke, JARVIS. Ich komme gleich."Drei Monate waren vergangen. Drei Monate ohne auch nur ein Lebenszeichen. Drei Monate des ständigen Hoffens. Drei Monate der Enttäuschung.
Pepper kam nur noch aus Gewohnheit zur Villa. Arbeiten konnte sie jetzt auch von zu Hause, aber sie nahm trotzdem jeden Morgen den gewohnten Weg zur Villa. An der Küste entlang, das Meer fast immer neben ihr, durch mehrere kleine Ortschaften und schließlich die breite Auffahrt hinauf. Theoretisch könnte auch JARVIS nach dem Rechten sehen und auf das Anwesen aufpassen, aber es fühlte sich einfach richtig an, wenigstens diesen Aspekt der Normalität bewahren zu können und zu den gewohnten Zeiten in der Villa zu arbeiten.
Pepper tat sich noch etwas Zucker in den Kaffee, rührte einmal um und machte sich auf den Weg in den großen Wohnraum. Ihre Schritte hallten laut in den Fluren wieder. Mit dem Verlust des Hausherren, schien nun immer eine gedrückte Stimmung in der Villa zu herrschen. Es waren die kleinen Dinge, die nun anders waren. Die kleinen Dinge, die einen, wie Pepper nun wusste, gravierenden Unterschied machten. Keine Musik drang mehr aus der Werkstatt, keine kleinen Witze mehr, kein Lachen. JARVIS reduzierte seine Sätze nur noch auf das Wesentliche und sprach dabei so kühl, wie Pepper es noch nie erlebt hatte. Das Piepsen und Knattern von Tonys vielseitigen technischen Spielereien war verstummt und zurückgeblieben war die Stille.
Sie bog um die letzte Ecke und sah Obadiah Stane auf dem lange Sofa sitzen. Er wirkte, als wäre er die letzten Monaten um ein vielfaches gealtert und dennoch war er so penibel zurecht gemacht wie eh und je. Der Bart sauber gestutzt, ein eleganter, schwarzer Anzug und eine sauber gebundene Krawatte. Und dennoch sah er so müde und frustriert aus, das er fünf Jahre älter wirkte.
„Guten Morgen, Mr. Stane. Entschuldigen Sie, ich hätte Ihnen einen Kaffee mitgebracht..."
Obadiah schüttelte lediglich abwinkend mit dem Kopf.
„Alles in Ordnung. Zu viel von dem Zeug tut mir sowieso nicht gut.", er seufzte müde und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, „setzten Sie sich doch."
Pepper stellte ihren Kaffee vorsichtig ab und setzte sich. Sie konnte sich fast denken, weshalb ihr Gesprächspartner hier war. Es hing bereits die letzten Wochen in der Luft, aber konkret ausgesprochen hatte es bisher noch niemand. Sie war dankbar gewesen, dass es niemand getan hatte. Doch nun schien es soweit zu sein.Der Ausdruck in Obadiahs Augen sagte es ihr bereits. Der Aufsichtsrat würde Anthony Edward Stark offiziell für Tod erklären. The Show must go on, würden sie sagen, das Leben muss ja irgendwie weiter gehen. Sie würden erklären, dass es das beste für die Firma und ihre Mitarbeiter wäre. Pepper gab sich Mühe die Fassung zu bewahren.
„Sie wissen sicher, warum ich hier bin."
Sie nickte wage mit dem Kopf. Ein kleiner Teil von ihr klammerte sich an der Vorstellung fest, dass er etwas anderes von ihr wollte.
Irgendetwas.„Es tut mir leid, Miss Potts. Der Aufsichtsrat hat mich überstimmt. Sie geben ihm noch bis Freitag. Je länger sie warten, desto mehr schaden sie der Firma, so auf alle Fälle die offizielle Version. Sie meinen, dass es zu diesem Zeitpunkt praktisch unmöglich ist, das Tony noch lebt."
„Noch zwei Tage, also?", ihre Stimme klang dünn.
„Noch zwei Tage.", seine Stimme klang endgültig.„Was wird mit den Such-Truppen geschehen?", sie sah Obadiah fast ängstlich an. Wenn man beschloss das Suchen einzustellen, war Tony so gut wie tot. Immerhin wurde er irgendwo in der Wüste gefangen gehalten. Sein Leben hing davon ab, ob man ihn da draußen ganz aufgab oder nicht.
Ihr Gegenüber räusperte sich und wich ihrem Blick aus.
„Stark Industries hat beschlossen, den Geldhahn für die Army zuzudrehen. Diese wird zwar weitersuchen, aber nicht mehr mit der gleichen Intensität und vor allem... vor allem um eine mögliche Leiche zu bergen. Colonel Rhodes ist nach wie vor sehr daran interessiert Tony zu finden."Das war es. Das war das Todesurteil.
Pepper kämpfte mit sich und schaffte es die Tränen wegzublinzeln. Tony hatte noch zwei Tage. In dieser Zeit musste man ihn finden, oder er musste es schaffen zu fliehen. Wenn nicht, dann brauchte sie JARVIS nicht, um sich seine Chancen auszurechnen. Dann wusste sie, dass seine Überlebenschancen bei weit unter einem Prozent lagen. Es hielt sie nichts mehr auf dem Sofa. Sie stand auf und begann leicht fahrig hin und her zu laufen. Krampfhaft versuchte sich zu beruhigen, doch das gelang ihr nur schwer. Pepper vermied es Obadiah in die Augen zu schauen und biss sich auf die Lippen.
Ruhig bleiben, Potts! Ruhig bleiben.
Tonys Mentor sah ihr eine Weile schweigend zu und richtete dann erneut das Wort an sie.
„Sie wissen, wir würden Sie nicht hängen lassen. Ich bin mir ihrer großartigen Arbeit die letzten Jahre wohl bewusst. Wenn, nein falls, Tony nicht zurückkehrt, werde ich etwas Neues für Sie finden. Sie müssen sich keine Sorgen machen, Miss Potts."
Sie war stehen geblieben und blickte ihm jetzt genau in die Augen.
„Darüber habe ich mir auch keine Sorgen gemacht, Sir."
Obadiah Stane blickte ebenfalls ernst zurück und nickte dann leicht.
„Etwas anderes hätte mich auch verwundert."Jetzt schwiegen beide. Pepper hatte sich wieder aufs Sofa fallen lassen und nippte immer wieder an ihrem Kaffee während beide kurz ihren Gedanken nachhingen.
„Ich nehme an, dass Sie die eventuelle Nachfolge von Mr. Stark antreten sollen?", richtete sie sich schließlich wieder an ihr Gegenüber, mehr um der Stille zu entkommen, als aus ernsthaftem Interesse.Einen winzigen Moment glaubte sie Triumph auf seinem Gesicht widergespiegelt zu sehen. Dann war der Moment vorüber und Obadiah zog eine Grimasse. Als er antwortete klang seine Stimme wieder so rau und abgekämpft, dass Pepper zu dem Schluss kam, sich getäuscht zu haben.
„Ja...ich bin die naheliegende Wahl. Sie werden mir die Leitung von Stark Industries übertragen."
„Tony hätte sich gewünscht, dass Sie es sind, der ihm nachfolgt, da bin ich mir sicher!"Pepper hätte sich in diesem Moment selbst ohrfeigen können. Was redete sie da? Noch war Tony nicht tot. Sie hatte sich doch geschworen, ihn nicht aufzugeben und doch redete sie, als wäre sein Ende beschlossen. Sie atmete tief durch und blickte Mr. Stane wieder an.
„Aber noch ist es nicht soweit, nicht wahr? Vielleicht schafft er es."
„Ja, möglich ist es."
Das war jetzt aber deutlich Ärger in seiner Stimme gewesen. Pepper runzelte leicht die Stirn. Tonys Mentor und Freund verärgerte die Vorstellung, dass er überleben könnte? Das war nicht möglich. Sie musterte ihn genau, doch wieder fand sie in seiner Miene nichts als Trauer und Müdigkeit. Und doch war da dieser Unterton gewesen. Sie setzte sich etwas gerader hin, war jetzt regelrecht angespannt.„Wenn Sie mich entschuldigen würden? Ich müsste noch einiges erledigen. Ein Haufen E-Mails und so etwas. Außer Sie benötigen meine Hilfe?"
„Nein. Es war mir nur wichtig, es ihnen persönlich zu sagen. Wir hören von einander. Einen schönen Tag noch, Miss Potts."Während er dies sagte blickte er sie so warm und ehrlich an, dass Pepper schon wieder stark an dem zweifelte, was sie gehört zu haben glaubte.
„Ich danke Ihnen dafür. Ihnen auch einen schönen Tag, Mr. Stane."
Sie geleitete ihn zur Tür und blickte ihm nach, während er zu seinem Wagen ging und mit quietschenden Reifen davon brauste.Nein. Dieser ärgerliche Unterton war da gewesen. Ganz sicher.
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12% eines Genies - Pepper Potts
FanfictionDie gesamte Geschichte der Virginia 'Pepper' Potts. Die Arbeit bei Stark Industries und mit Tony, die alltäglichen Hürden und schließlich der Beginn einer Romanze zwischen den beiden... ⚠️ fast alle Charaktere, Orte usw. sind geistliches Eigentum vo...