My cutie

Kapitel 40

Heute ist der Tag, des Konzertes und ich bin total aufgeregt. Ich war schon auf mehreren Konzerten in meinem Leben, bei keinem war ich so aufgeregt, wie bei diesem.
Jason ist eher weniger aufgeregt, aber er sagt, er wird heute Abend Spaß haben.

Ich habe ein bisschen Schiss, denn das Konzert findet in der O2 Arena statt und die ist nur ca. 40 Minuten von Maeves Uni entfernt.
Ja, ich hab es gegoogelt, ich konnte nicht anders, ich musste einfach wissen, wie weit sie weg ist. Ich bin ihr heute Abend näher, als in den letzten 377 Tagen, oder um es einfach zu sagen, seit sie mich verlassen hat. Jason ist heute Abend auch nur knapp 1,5 Stunden von Marie entfernt, das hab ich auch nachgeguckt, werde ihn aber natürlich nicht darauf ansprechen.

Allerdings hat Mary uns beiden geschrieben. Sie und ihr noch-nicht-aber-bald-Freund waren erneut auf einem Date. Er hat ihr Blumen mitgebracht und sie waren zusammen essen und er hat auch das komplette Essen bezahlt, mitsamt Vorspeise, Hauptspeise, Dessert und mehreren Runden Drinks. Das war jetzt ihr 4 Date glaube ich und sie haben sich immer noch nicht geküsst. Jason und ich denken, sie sollten endlich miteinander rummachen, aber der noch-nicht-aber-bald-Freund möchte es langsam angehen lassen und Mary ist auch nicht scharf drauf direkt in die Kiste zu steigen, sondern sich erstmal einmal kennenzulernen.

Wir beide wünschen uns für Mary, dass sie glücklich wird. Wir haben ihren noch-nicht-aber-bald-Freund auch einmal ganz kurz gesehen und er weiß, dass Jason und ich skeptisch ihm gegenüber sind, auch wenn es dafür keinen guten Grund gibt, denn eigentlich ist er total nett, er soll einfach nur aufpassen.

"In 10 Minuten geht es los, Ivy!"
Verdammter, verfluchter, verteufelter, verflixter, doppelter Scheibenkleister!
Ich bin noch so gar nicht fertig. Ich hab mein Make-up gerade mal zur Hälfte fertig und bin noch nicht angezogen. Das einzige, was erledigt ist, ist, dass ich heute Morgen aus dem Bett gekommen bin.
Ich hab zumindest Glück, dass ich nicht zu Hause bin und meinen vollen Kleiderschrank habe, sondern nur ein Koffer mit einer bestimmten Anzahl von Klamotten, die ich "nur noch" finden muss.
"Klar! Bin gleich fertig!"
Größte Lüge, die ich je erzählt habe.

Nach 15 Minuten bin ich so gut wie fertig und ziehe noch meine Converse an.
"Ich bin fertig! Ich bin fertig! Ich bin fertig!", rufe ich und stolpere über meinen noch halb offenen Schnürsenkel.
"Wir haben noch 5 Minuten, als ob mir nicht klar war, dass du noch nicht fertig bist", grinst Jason stolz.
"Du.... Arsch!"
"Was? Ich hab nur dafür gesorgt, dass wir pünktlich sind!", ruft er empört.
"Komm jetzt!"
"Omg..." Ich stelle mir vor, wie er, hinter mir, die Augen zumacht und sich mit der Hand die Nasenwurzel hält.

Ich ziehe mir meine Lederjacke über und nehme den Hotelzimmerschlüssel mit.
"Hast du die Tickets?", frage ich Jason, bevor ich die Tür zumache.
"Klar", antwortet dieser und steckt die Hände, in die Jackentaschen.

An der Konzerthalle angekommen, steht eine sehr Schlange davor.
"Das kann ja heiter werden", seufze ich und gehe mit Jason zum Ende der Schlange und wir reihen uns ein. Jason und ich haben einen Stehplatz vor der Bühne.

Jason und ich setzten uns auf den Boden und ich verteile UNO-Karten.
"Du gewinnst doch eh immer", stöhnt Jason, aber nimmt seine Karten entgegen.
"Ja und? Dann versuch eben mich zu schlagen." Ich hebe meine Karten auf, sortiere sie und grinse.
"Ach komm, ich weiß, dass du gewinnst, so wie du jetzt schon grinst!"
"Versuch mich zu schlagen" wiederhole ich mit einem hämischen Grinsen und lege die Anfangskarte vom Stapel zwischen uns.

Natürlich gewinne ich. Und das sogar mehrmals in Folge. Es sah 2-mal ein wenig schlecht für mich aus, ich habe dann aber noch die Kurve bekommen.
Ich teile erneut aus und merke langsam die Lust, die sich in Jasons Augen bildet, mich zu besiegen.
Sobald die sieben Karten auf seinem Haufen liegen, schnappt er sie sich und sortiert sie direkt, ich mache es ihm gleich.

Nach ein paar weiteren Partien geht aus dem Nichts das Licht aus.
"Omg! Es geht los!", schreie ich zu Jason, der gerade die Karten aufsammelt und sie in seine Jackentasche steckt.

Lana beginnt das Konzert mit 'Video Games' (einem meiner Lieblingssongs) und es ist so geil das live zu sehen. Weiter geht es mit 'Radio' und 'Young And Beautiful'.
Ich liebe diese Frau einfach, ihre Songs, Texte, Stimme und alles andere. Sie ist einfach so perfekt. So perfekt wie, wie... Nein! Sie ist nicht perfekt, sie hat mich verlassen! Mit einem Brief! Aber abgesehen davon ist sie perfekt.
Ok nein! Nicht darüber nachdenken! Ich genieße jetzt das Konzert.

"Hey, alles okay?", fragt Jason und legt eine Hand auf meine Schulter. Die Leute um uns herum springen, singen, jubeln, tanzen und klatschen in die Hände.
"J- ja, ja. Alles okay, danke", antworte ich und atme einmal tief durch.
"Sicher?", fragt er nochmal besorgt nach und lässt die Hand auf meiner Schulter liegen.
"Ja, klar", antworte ich erneut und blicke wieder auf Lana, um Jason nicht ansehen zu müssen, damit er nicht sieht, dass nicht alles okay ist.

Natürlich ist nicht alles okay. Sie hat mich verlassen, einfach so. Mit einem Brief! Einem Brief, in dem sie mir sagt..., wie sehr sie mich liebt und das auf so viele Weisen. Ich hasse es, dass sie mich so verlassen hat und ich hasse, dass ich sie immer noch liebe, nach all dem. Wie kann man diesen Menschen aber auch nicht lieben? Alles an ihr ist so... so perfekt.
Ihr Charakter, ihre Art, ihr sein, ihre Anwesenheit, ihre Umarmungen und Küsse, ihre Haare, ihre Haut, ihre Lippen, ihr Herz, ihr Verstand, ihre Glas blauen Augen.
Omg diese Augen.
Ich erinnere mich an diese Augen noch so gut. Sie haben sich in meine Netzhaut und meinen Verstand eingebrannt und ich werde sie nicht mehr los.
Die Form und der Geschmack ihrer Lippen sind auf meinen verankert und manchmal bilde ich mir ein ihre Lippen schmecken zu können.
Ich vermisse sie immer noch so sehr, mein Körper vermisst sie.
Trotzdem hasse ich sie, für das, was sie getan hat. Sie hat eine nicht wiederbefüllbare Leere in mir hinterlassen, mit der ich langsam anfange zu leben.
Es tut immer noch weh, aber ich habe in den letzten Monaten gelernt, damit umzugehen. Ich habe angefangen meine Wut auf gesunde Weise rauszulassen und zugelassen, dass die Wunde endlich heilt und sie eine Erinnerung wird.