Keuchend und vom Schweiß durchnässt wachte sie in ihrem Bett auf. Tränen rannen ihr Gesicht hinab, verklebten ihre Wimpern. Ihr Herz hämmerte aufgeregt gegen die Brust und raubte ihr die Luft zum Atmen. Mit der zitternden Hand fuhr sie sich durch die feuchten, blonden Haare. Nur ein Alptraum, sagte sie sich zur Beruhigung immer wieder. Luna richtete sich langsam auf, achtete auf ihre Atmung, die sich normalisierte. Die ersten Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch die schweren Vorhänge und erhellten das Zimmer.
Luna schreckte augenblicklich zusammen, als Laurentia an ihre Tür klopfte. Ihre Hände donnerten in kurzen Abständen gegen das Holz. Ohne eine Antwort Lunas abzuwarten, sprang die Tür auf und knallte gegen die Wand. Grinsend stand Laurentia im Türrahmen. Sie und Luna waren schon seit ihrer Kindheit befreundet. Als sie Luna verheult auf dem Bett sitzend sah, weiteten sich ihre Augen.
„Hey, alle in Ordnung? Du bist kreidebleich", sagte Laurentia mit einem besorgten Unterton in der Stimme. „Wieder schlecht geträumt?"
„Ja, wie so oft", erwiderte Luna und schälte sich schwerfällig aus der Bettdecke, die sie wie ein Kokon schütze.
„Eigentlich wollte ich mit dir schimpfen, weil du wieder verschlafen hast, aber ich denke, das kann ich mir sparen. Gut, dass ich vorbeigekommen bin. Immer wenn deine Eltern einen Auftrag außerhalb haben, kommst du nicht aus dem Bett. Beeil dich, sonst bekommen wir wieder Ärger."
Nachdem Laurentia kehrt gemacht hatte und verschwunden war, schnappte sich Luna die Schuluniform. Ihre Tasche lag neben ihrem Bett. Sie riskierte noch einen Blick nach draußen. Das warme Wetter würde wohl noch auf sich warten lassen. Die beiden Mädchen machten sich auf den Weg zur Schule. Carcerem war keine gewöhnliche Stadt und in Deranien bekannt wie keine andere. Hier wurden die für die Menschheit lebenswichtig gewordenen Dämonenjäger ausgebildet. So auch Luna und Laurentia. Vor über tausend Jahren wurde sie erbaut und seither existieren auch die Jäger und Bändiger. Viele der umliegenden Städte und Dörfer nehmen ihre Dienste in Anspruch. Dämonen und Schattenwesen sind eine Plage, die die Menschen heimsucht und nicht selten ganze Generationen ausgelöscht. Nur diejenigen, die das Blut der Vorfahren Carcerems in sich tragen, erbten auch die speziellen Fähigkeiten. Diese erlauben es, Dämonen und andere Monster zur Strecke zu bringen.
„Luna, hörst du mir eigentlich zu?", fragte Laurentia plötzlich und riss ihre Freundin aus deren Gedanken. „Ich rede schon seit den letzten zehn Minuten auf dich ein und du ignorierst mich eiskalt."
Beleidigt erhöhte Laurentia ihr Tempo und lief ein Stück voraus. Ihre braunen Haare hatte sie wie jeden Tag zu einem nahezu perfekten Dutt zusammengesteckt, welcher nun auf und ab schwang. Noch etwas benommen schüttelte Luna den Kopf und schaute sich um. Neben ihnen baute bereits die Außenmauer der Schule auf. Alle Gebäude und Einrichtungen, die zum Training genutzt wurden, befanden sich im Westen der Stadt, während die Wohnsiedlungen im Norden lagen. Mit der Handfläche fuhr Luna die weiße Mauer ab. Sie war angenehm kühl. Die Linden, die symmetrisch an der Straße standen, versprühten einen eigenartig bekannten Duft.
„Laurentia, jetzt warte doch!", rief Luna. „Das war nicht böse gemeint. Ich habe nur geträumt. Wenn ich nachts schon nicht schlafen kann, dann nimm es mir bitte nicht übel, wenn ich es am Tag nachhole."
„Das ist die schlechteste Ausrede, die ich je von dir gehört habe", erwiderte Laurentia lachend. „Komm, wir sind immer noch spät dran."
Gemeinsam rannten sie wie von den Hunden gejagt in das Klassenzimmer. Kurz bevor ihr Lehrer eintrat, schafften sie es auf ihre Plätze. In Gedanken war Luna jedoch woanders. Sie sorgte sich um ihre Eltern, die vor zwei Tagen einen Auftrag in einem anderen Dorf angenommen hatten. Normalerweise schickten sie immer eine Nachricht, dass es ihnen gut ging, aber bis ist noch kein Brief angekommen. Sie wusste, dass es bei der Dämonenjagt zu Problemen kommen konnte, das stand außer Frage. Doch ihre Eltern waren hoch angesehen, ihr Vater Aulus besaß einen Platz im hohen Rat Carcerems, was ihn zu einem politisch starken Mann machte. Auch die Bändigungsfähigkeiten ihrer Mutter Caecilla waren nicht zu verachten.
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Daemonium
Paranormal„Dunkelheit, Blut an meinen Händen. Das waren die ersten Dinge, die ich wahrnahm. Ein stechender Schmerz breitete sich in meinem Nacken aus. Meine Augen wollten sich nicht an die Finsternis gewöhnen. Blind tastete ich mich voran, nichts ahnend, was...