~Kapitel 14~

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Sie wollte ihn nicht wieder sehen. Am liebsten nie wieder, doch das musste und würde sie in wenigen Minuten, denn der Termin ihrer gemeinsamen Jagd war gekommen. Der Regen peitschte auf die Straßen vor ihr und der Wind verwirbelte die kleinen Tropfen immer wieder, sodass sie bis unter Lunas Kapuze gelangten. Mit zitternden Fingern zog sie sich den Stoff weiter vors Gesicht und stapfte weiter durch die Pfützen. Der Himmel war grau und von dichten Wolkenteppichen behangen. Die Sonne versteckte sich, entzog den Lebewesen hier unten auf der Erde ihre Wärme.

Gestern hatte sie sich noch eine Moralpredigt von Alec anhören müssen, dass sie es nicht übertreiben sollte. Weder in Bezug auf die Sache mit Natalis, von der er selbst gar nichts Genaues wusste, noch bezogen auf die Chimäre, auf die sie treffen würden. Seine Sorgen um Lunas Wohlergehen verpackt er dabei wie gewohnt in wütende Aufschreie und beinahe beleidigende Erklärungen, dass sie noch längst nicht bereit für einen solchen Kampf sei. Das wusste sie jedoch selbst, befolgte nur die Befehle des Rates. Eine andere Wahl blieb ihr auch nicht, dass verstand auch der alte Einsiedler tief in seinem Inneren.

Am westlichen Tor wartete Natalis auf Luna. Er hatte sich in seine Lederkleidung geschmissen, die den meisten Klauen und Reißzähnen der Dämonen Stand hielt. Zumindest für eine kurze Zeit, doch soweit wollte es nie jemand kommen lassen, denn hatte ein so großer Dämon wie eine Chimäre erst mal ihre Beute zwischen ihren Kiefern, würde sie diese nicht mehr loslassen. Etwas ungeduldig scharrte er mit seinem Stiefel im Matsch und wusch sich diesen dann in einer Wasserlache wieder ab. Das wiederholte er einige Male, bis er Luna sah und winkte sie zu sich. Das Mädchen zurrte sich ihren Schal über Nase und Mund, lediglich ihre blauen Augen stachen heraus. Sie musterte ihn eine Weile von der Seite, so dass er es nicht registrierte und ein Brodeln breitete sich in ihrem Magen aus. Die bevorstehende Jagd machte sie nicht nervös, aber er.

Keiner sagte ein Wort. Natalis schritt voraus, da er die restlichen Informationen zu diesem Dämon zusammengesucht und von seinem Vater den letzten Standort dessen bekommen hatte. Außerdem wäre er ohnehin derjenige gewesen, der das Duo angeführt hätte. Einerseits, weil er der Jäger und Luna nur die Bändigerin. Andererseits gebot dies sein hoher Stand. So oder so hatte Luna keine großen Einwände. Sie wollte es schnell hinter sich bringen, um der angespannten Stimmung zwischen ihnen zu entkommen. Nach diesem Kuss, den sie verhindern wollte, es aber nicht geschafft hatte, war ihr Verhältnis geradezu zerstört. Er spürte es genauso wie sie selbst. Das gegenseitige Anschweigen war der beste Beweis. Luna schluckte den Kloß, der sich plötzlich in ihrem Hals befand, herunter und vertrieb damit die Schmerzen in ihrer Brust.

Es dauerte einige Zeit, dann hielt Natalis auf der Straße an und deutete in den Wald hinein. Auf dem weichen Boden hatten sich Schleifspuren abgebildet, die in dieselbe Richtung führten. Dazwischen tauchten immer wieder tablettgroße Katzenpranken auf.

„Sie hat sich jemanden geholt?", platze es aus Luna heraus und die Spannung legte sich ein bisschen. „Ich dachte, es gäbe nur Verletzte."

Natalis schob seine Kapuze ein Stück aus seinem Gesicht und schaute Luna direkt an. Ihr Herz stoppte für diesen Moment.

„Die Chimäre hat gestern Abend einen Händler und seine Kutsche von der Straße geholt. Vater hat es mir auch erst heute Morgen berichtet."

„Wieso sind sie ihr dann nicht gefolgt und warten damit?"

Er erwiderte nichts, sondern stieg die kleine Böschung hinab und nahm die Verfolgung auf. Die Spuren verschwammen allmählich, da der Regen den Boden aufweichte und sie wegspülte. Einige Holzbretter, vermutlich von der Kutsche, lagen hier und da im Gras. Sie schienen von scharfen Krallen zerfetzt worden zu sein. Die Chimäre musste eine gewaltige Kraft besitzen, wenn sie ein Pferd samt Kutsche in den Wald hineinzerren konnte.

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