~Kapitel 30~

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Sie hatte keine Waffe und körperlich war sie eigentlich aufgebraucht. Nur der Beutel mit dem restlichen Geld und ihrem Essen trug sie am Körper. Das gleichmäßige Schlagen ihres Herzens wirkte surreal auf sie, denn in wenigen Sekunden würde sie sich einem Wesen stellen, von dem sie hoffte, es sei noch bei Sinnen.

Die Dorfbewohner hielten sich bisher zurück, sammelten sich lediglich auf einer Seite der kleinen Gemeinde. Luna vermutete, dass sie sich dessen bewusste waren, was vor ihrem Zuhause wütete und ihre Lieben bedrohte. Deshalb musste sie sich nur noch mehr beeilen. Niemand sollte hier verletzt werden, weder die Menschen, noch Noah.

Ein Schwarm Krähen schreckte aus dem Baumwipfeln hoch und flog kreischend über ihren Kopf hinweg. Der blaue Himmel färbe sich für einen Sekundenbruchteil lang schwarz. Orientierungslos schwärmten sie aus, verteilten sich und einzelne Federn regneten herab. Dann ebbten ihre panischen Schreie ab und der Himmel erhellte sich.

Luna presste ihre Lippen aufeinander und durchforstete den Wald, gelangte rasch auf eine Lichtung, aus deren Richtung die Krähen gekommen waren. Hatten sie in diesen Bäumen gesessen und jemanden beobachtet? Hektisch musterte sie jeden Fleck und stieß auf ein Grasstück, das vollkommen verbrannt war. Ihre Fingerkuppen färbten sich grau, als sie die Asche überprüfte und feststellen musste, dass das Feuer noch nicht allzu lange verglommen war. Der Geruch von Holzkohle mischte sich mit dem, des feuchten Mooses und den gerade erblühenden Pflanzen.

In den vergangenen Tagen hatte sie sich so oft den Kopf über Noah zerbrochen, dass sie die Splitter ihrer Erinnerung kaum noch beisammen halten konnte. Wieso ließ sie sich so von ihm einnehmen? Vielleicht weil er sie ohne Grund gleich mehrfach beschützt hatte? Wollte sie ihre Schulden bei ihm begleichen? Eifrig schüttelte Luna den Kopf. Ein anderes Gefühl baute sich in ihr auf, das sie nicht verstand oder nicht verstehen wollte. Sie kannte ihn ja kaum und dennoch schrie etwas in ihrem Inneren danach, ihm zu helfen.

So sehr sich Luna auch bemühte, die Baumkronen, welche die Lichtung umringten, sahen allesamt leer aus. Plötzlich hörte sie ein lautes Knacken und schnellte herum. Sie beobachtete, wie ein Ast abbrach und mit einem dumpfen Knall auf den Boden fiel. Ein dunkler Umriss huschte durch das Unterholz, doch er war zu groß und knickte umstehende Jungbäume um. Sofort festigte Luna ihren Stand.

Etwas Großes kam da auf sie zu. Ihr Hals schnürte sich zu und die Fragen häuften sich in ihrem Schädel an, vernebelten ihre Sinne. Sie versuchte, alles zu vergessen und ihre Instinkte die Führung übernehmen zu lassen, aber Emotionen konnte man nicht mit einem Knopf abstellen. Ein Schwindelgefühl erfasste sie und ein bisschen benommen schritt sie zurück.

Knarrend bogen sich die massiven Baumstämme zur Seite und ein schauriges Lied ertönte, das alles, was mich fest im Boden verwachsen war, in die Knie zwang. Auch Luna hockte sich hin, verkleinerte somit die Angriffsfläche, die ihr Körper bot. Ein tiefes Knurren hallte wider und brachte die Erde zum Erbeben, die Luft zu Zittern. Der Wind frischste auf, wurde zu einem Sturm und peitschte Äste auf Luna zu. Einer traf sie ins Bein, bohrte sich wie ein Dorn in ihr Fleisch. Der Schmerz durchfuhr sie unverhofft, denn fall sie Wunden davontragen würde, hatte sie diese von Noahs Fangzähnen und nicht durch eine verdammten Stock erwartet.

Das Holzstück saß fest in ihrem Oberschenkel. Kleine blutrote Linien umspielten dessen Ränder, wie es ein Rahmen täte. Ihre zitternden Finger rutschten bei dem Versuch, den Ast herauszuziehen, immer wieder ab. Das Knirschen von unzähligen Stöckern, die zertreten wurden, schreckte sie auf du eine pechschwarze Silhouette stand mitten auf der freien Fläche. Das war nicht Noah, rief sie sich zu. Doch das war ein gewaltiger Wolf. Nein ein Dämon.

Klare, bernsteinfarbene Augen fixierten die junge Frau, die wie gelähmt auf dem Boden kauerte. Alles passierte schnell und mit einer unglaublichen Präzision. Der gewaltige Kiefer schnappte nach ihrem Kopf, verfehlte diesen jedoch, da sie sich duckte und abrollte. Der Ast in ihrem Schenkel grub sich weiter in ihr Fleisch und verzweifelt unterdrückte sie einen Schmerzensschrei. Während sie auf das kurze Stück Holz starrte, das aus ihrer Haut ragte, donnerte ein Schlag auf ihren Nacken. Ihr Atem stockte und sie sank hustend auf ihre Arme. Verschwommen erkannte sie den schwarzen Dämonenwolf, der sich verwandelte und eine menschliche Form annahm. Sie keuchte auf und krallte sich in den Boden, mobilisierte ihre Kräfte. Nun traf sie sein Fuß, beförderte sie auf die Seite und trat nochmals nach.

DaemoniumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt