„Misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein, Rus", murrte Dante streng. „Auch wenn du sein Schutzpatron warst, hast du deine Rechte im Klan verspielt."
„Das ist kein Grund, eine Frau so zu behandeln", erwiderte Rus und ließ seinen Blick zu Luna schweifen, die verängstigt an der Höhlenwand hockte.
„Sie ist eine Dämonenjägerin!"
„Keine Sorge, ich werde dir nicht wehtun", sagte Rus und glitt fast schwebend und geräuschlos an Dante und Gin vorbei.
Er reichte Luna seine Hand und zaghaft legte sie ihre in die seine. Obgleich er ein Mann – nein – ein Dämon war, wirkte seine Hand filigran und zerbrechlich wie Pergament. Langsam stützte Luna sich auf, ihre Augen noch immer auf Dante gerichtet, als könnte sie das von einem erneuten Angriff schützen. Noch bevor sie fest auf beiden Beinen stand, packte Dante die Hand von Rus. Luna befürchtete, er würde sie wie einen Klumpen Sand zerbröseln, aber sie tauschten lediglich ein paar Blicke aus.
„Ob sie nun hier, in dieser modrigen, kalten Höhle sitzt oder mit mir eine Tasse Tee trinkt, macht doch keinen Unterschied", entgegnete Rus weich. „Sie wird ohnehin nicht aus diesem Gebirge fliehen können."
Sichtlich erbost stieß Dante Rus weg und näherte sich Luna. Blitzschnell schoben sich seine kräftigen Hände unter ihre Arme und pinnten sie an die Wand. Seine Augen brannten sich in ihre und hinunter in ihre Seele.
„Versuchst du auch nur ein einziges Mal, abzuhauen oder machst sonst Ärger, werde ich dich von oben bis unten bei lebendigem Leibe aufreißen", schaudernd und mit Tränen in den Augen fiel sie wieder zu Boden. „Rus, für dich gilt das Gleiche. Du weißt, warum ich sie hierher geholt habe, also freunde dich nicht mit ihr an. Mitleid ist unser Tod, vergiss das nicht."
Nachdem Dante und seine Gefolgsleute die Höhlennische verlassen hatten, setzte sich Rus zu Luna auf den Steinboden. Seine weiße Haarsträhne glitzerte in dem Schein der Flammen und er sah sie direkt an, das hatte er bis jetzt vermieden. Nicht einmal sein Gesicht drehte er zu ihr, doch seine Anwesenheit und Freundlichkeit halfen Luna, sich in dieser Situation zu beruhigen. Für einen Moment vergaß sie beinahe, dass sie verletzt und entführt worden war.
Auf Abstand haltend wies Rus sie mit einer Geste an, ihm zu folgen. Die Höhle erstreckte sich nicht sehr weit, der kleine Raum, in dem sie Luna festgehalten hatten, befand sich in der Nähe einer kleinen Siedlung. Siedlung war wohl der falsche Begriff, aber Luna fiel kein anderer ein, denn die vielen Eingänge, die in die Berghänge führten, wirkten wie Hauseingänge der Menschen. Allerdings war dieser Ort völlig vereinsamt. Hin und wieder konnte sie Gemurmel aufschnappen, doch die Grautöne verschluckten das Leben.
Vor einer Öffnung, deren Rahmen aus gemeißelten Steinen und schönen Mustern bestand, hielt Rus inne. Seine Hand wanderte an Lunas Schulter und schob sie sachte durch den Bogen, hinein ins Ungewisse. Ein bisschen perplex humpelte sie den endlos langen Flur entlang, der dem eines Wohnhauses recht nahe kam. Sowohl links als auch rechts gab es Türen, aber sie vermutete, dass sich dahinter niemand verbarg.
Ein plötzlicher Windstoß erfasste sie und brachte sie aus dem Gleichgewicht. Sie schwante, prallte gegen die Wand und hielt sich daran fest, um sich zu sammeln. Die Wunde mit dem Ast darin, pochte stark und wurde von Stunde zu Stunde spürbar wärmer. Luna traute sich nicht, sie genauer zu untersuchen, hatte sie sich doch erst gerade von der Übelkeit erholt.
Sie betraten eine hell erleuchtete Ebene, die augenscheinlich überhaupt nicht zu dem Rest des Gebäudes im Gestein passte. Säulen aus Perlmutt hielten eine Glaskuppel, welche von dunklem Efeu umrankt wurde. Stellte man sich darunter, konnte man den Blick gen Himmel schweifen lassen, da der Berg darüber abgetragen worden war. Jetzt lagen nur das Blau des Himmels und einige, bauschige Wolken über ihr. Nebelschwaden verschleierten die ab und zu die Sicht, ließen diese Ort verschwinden.
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Daemonium
Paranormal„Dunkelheit, Blut an meinen Händen. Das waren die ersten Dinge, die ich wahrnahm. Ein stechender Schmerz breitete sich in meinem Nacken aus. Meine Augen wollten sich nicht an die Finsternis gewöhnen. Blind tastete ich mich voran, nichts ahnend, was...