Vor ihnen tauchte ein langer und dazu noch tiefer Riss in der Erde auf, welcher sich von der übrigen Umgebung offensichtlich abzeichnete. An den Rändern wuchs kein einziger Grashalm mehr, sie waren einzig von Sand und Staub bedeckt. Erst einige Meter von dem Schlund entfernt breiteten sich kleinere Sträucher und Gewächse aus. Der Wald, der schließlich an Carcerem grenzen würde, lag noch viel weiter in der Richtung, aus der sie gekommen waren.
Noah trabte an der Klippe entlang, doch bis er einen Übergang fände, würde dir Nacht über sie hereinbrechen und ihnen folgten mit hoher Wahrscheinlichkeit immer noch die Dämonenläger. Julianus hatte deutlich gemacht, dass sie den Fenriswolf nicht ohne weiteres lebendig davonkommen lassen würden.
Luna lernte schon in jungen Jahren, ihre Ängste zu kontrollieren und sie ihrem Gegenüber niemals offen zu zeigen. Noah würde also nicht merken, wenn sie sich vor ihm fürchtete, zumindest nicht sofort und damit gewann sie allmählich sein Vertrauen. Sie wollte ihm unbedingt helfen, obgleich sie sich bewusst war, dass er ein Dämon war und auch bleiben würde. Trotzdem erkannte sie seine gutherzige und warme Art, die so gar nicht dem Bild entsprach, das man ihnen eingetrichtert hatte.
„Noah, wo bringst du uns hin?", richtete Luna das Wort an ihn.
Er reagierte in keinster Weise, nicht einmal ein Zucken oder ein Blick zu Luna. Nervös krallte sie sich fester in sein helles Fell und presste die Waden enger an seinen Körper. Die Schulterknochen des Wolfes stachen bei seinen Sprints spitz hervor und auf sie wirkte es so, als würde er langsam schwächer werden. Das bedeutete auch, dass er sehr bald die Kontrolle verlieren könnte und Luna drehte sich bei dem Gedanken der Magen um. Zweifel regneten auf sie ein, aber sie schüttelte diese so rasch ab, dass sich keine genauen Ideen entwickeln konnten. Mit ihrem Entschluss zu leben, würde eine Herausforderung darstellen, doch es das war ihr eigener Kampf.
Noah lief weiter neben der Schlucht her, jedoch entfernte er sich immer weiter von dieser. Dann nahm er Anlauf und in einem riesigen Satz überwand der das Erdenloch. Sie kamen sanft auf der anderen Seite auf und Luna vernahm die menschlichen Stimmen im Hintergrund. Die Jäger tummelten sich nicht allzu fern von ihnen und verrieten sich durch ihre Lichter, die sie bei sich trugen. Der silberne Wolf bohrte die Krallen in den weichen Boden und rannte los, immer auf der Flucht vor den Dämonenjägern, die ihre Spur wieder aufgenommen haben mussten.
Im Schutze einer Böschung machte er endlich Halt und löschte seinen kräftezehrenden Durst an dem Fluss, den Luna nicht kannte. Die gesamte Umgebung erschien ihr fremd. Ihr fehlten Anhaltspunkte, um ihren Standort festzulegen und so blieb ihr einzig die Vermutung.
Auch sie wusch sich das Gesicht und kühlte ihre Knöchel. Ihre Finger waren ganz starr, da sie sich viel zu fest an Noahs Fell geklammert hatte, aus Angst, von seinem Rücken zu fallen. Ihr Blick wanderte zu diesem, der hechelnd auf dem Bauch lag. Wie konnte sie ihm nur seine Schmerzen nehmen? War die Bändigung tatsächlich seine einzige Rettung? Musste er auf ewig in Gefangenschaft sein, damit er nicht seinem eigenen Wahnsinn verfiel?
In einem schillernden Glanz, der dem Licht der unzähligen Sterne am Nachthimmel ähnelte, erstrahlte der dämonische Wolf zu Lunas Rechten und erlosch gleich wieder. An seiner Stelle lag nun Noah am Ufer und atmete schwer. Die junge Frau zögerte einen Augenblick, tapste dann auf ihn zu, ging in die Hocke und berührte seine Hand. Die Knöchel bildeten sich weiß auf seiner Haut ab, da er sich krampfhaft an einem Büschel Gras festhielt. Sein blick wirkte glasig und fixierte keinen bestimmten Punkt.
„Noah", flüsterte sie. „Wie geht es dir?"
„Ging schon mal besser", erwiderte er und schaute auf. „Wir haben eine Kleinigkeit bei unserer Flucht vergessen."
„Was meinst du?"
„Ein Buch, das verbotene Bannsprüche beinhaltet. Ohne es können wir die Bändigung nicht durchführen. Die normalen Zeichen sind nicht stark genug."
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Daemonium
Paranormal„Dunkelheit, Blut an meinen Händen. Das waren die ersten Dinge, die ich wahrnahm. Ein stechender Schmerz breitete sich in meinem Nacken aus. Meine Augen wollten sich nicht an die Finsternis gewöhnen. Blind tastete ich mich voran, nichts ahnend, was...