~Kapitel 6~

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In den Käfigen, die Luna nun passieren musste, befanden sich sehr lebhafte und aggressive Dämonen, die in etwa die Größe eines Collies hatten. Hämische Grimassen und finstere Blicke straften das Mädchen, aber viel mehr die Wache, welche sie begleitete. Einige attackierten gezielt die Gitterstäbe, die nur wenig nachgaben und in ihren Verankerungen klapperten. Dennoch nahm Luna Abstand. Vor allem das sich in die Ohren schneidende Kreischen der Kreaturen machte ihr zu schaffen. Es schnitt sie wie eine scharfe Klinge in ihr Fleisch, kratzte geradezu an ihren Knochen und ihre Organe zogen sich schmerzhaft zusammen.

„Oh, den hab ich fast vergessen", sagte die Wache mehr zu sich selbst als zu dem Mädchen und kramte einen Notizblock heraus. „Der hier muss morgen in die Arena."

Lunas Augen suchten in der Dunkelheit der Zelle nach einem Wesen. Sie fanden ein beiges Wollknäuel, das ihre Anwesenheit scheinbar nicht sonderlich interessierte. Automatisch hielt sie inne und war kurz davor, sich vor den Käfig zu knien.

„Wenn er morgen in die Arena geschickt wird, bedeutete das doch nur, dass ihr ihn töten lasst", stellte sie fest und unterdrückte ihre Wut.

„Tse, das ist uns dieses Biest auch schuldig. Diese Viecher töten ohne Sinn und Verstand, fressen menschliches Fleisch und zerstören ganze Städte. Auch der Winzling ist nicht ohne, das kannst du mir glauben."

„Gegen wen wird er kämpfen?"

„Hm ... Ich denke gegen einen der menschlichen Dämonen. Der eine ist momentan der Liebling der Zuschauer und zwischen den spannenden Kämpfen wollen diese eben auch mal Blut sehen."

Der Mann sprach diese harten Worte so gleichgültig aus, dass Luna am liebsten gekotzt hätte. Dieses kleine Wesen, für was auch immer es hier festsaß, hatte es trotzdem nicht verdient, abgeschlachtet zu werden. Niemand verdiente so einen bedeutungslosen Tod, der nur zur Belustigung der Menschen diente. Sie konnte die Angst, welcher die Menschheit wegen der Dämonen empfand, aber deshalb konnte man solche Rachetaten nicht entschuldigen. Selbst Luna, die vor ein paar Tagen ihre eigenen Eltern verloren hatte, verabscheute dieses Verhalten. Natürlich galten Dämonen als gefährlich und brutal, diese Tatsache ließ sich nicht leugnen. Doch musste man sie zur eigenen Befriedigung quälen?

„Dann hat er ja nicht mehr lange", erwiderte Luna so unbeteiligt, wie sie nur konnte.

Ein dicker, von Stacheln übersäter Kloß in ihrer Kehle drückte ihr die Luft zum Atmen ab. Schnell wand sie sich von der Wache ab und nachdem sie sicher gegangen war, dass er sie nicht weiter beobachtete, veränderte sie ihre Haltung. Mitleidig blickte sie auf das kleine Tier, dessen Fell auf einmal zu zucken begann. Erschrocken wich Luna kaum sichtbar zurück, während die gelb schimmernden Augen des Dämons sie anblinzelten. Ein Füchschen tapste näher an sie heran, nur das Eisengitter und wenige Schritte trennten sie voneinander. Das beige Fell nahm an den zierlichen Beinen einen dunkelbraunen Ton an. Seine Schnauze, auf deren Spitze eine pechschwarze Nase thronte, streckte er in ihre Richtung und schnupperte interessiert. Er wedelte gespannt mit dem gespaltenen Schwanz, der ein typisches Merkmal für die animalischen Dämonen der unteren Riege war. Alles wirkte in diesem Augenblick so, als könne er in Luna hineinsehen und ihre wahren Gefühle erkennen. Sie biss sich auf die Unterlippe und unterdrückte den Drang, ihre Hände zwischen die Stäbe zu stecken und den kleinen Fuchsdämon da herauszuholen.

Den Rest der sogenannten Führung bekam sie nur noch am Rande mit. Ihre Gefühle und Gedanken kreisten ausschließlich um den kleinen Dämon, dessen Tod sie einfach nicht hinnehmen wollte. Womöglich war es an der Zeit, dass sie etwas riskierte und die Menschen zu einem Umdenken bewegte. Aber was, wenn dieser jetzt so niedlich und unschuldig wirkende Fuchs in Wirklichkeit ein blutrünstiges Monster war? Das konnte ihr niemand beantworten. Sie fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und musste sich eingestehen, dass sie nicht in der Lage gewesen wäre, in die Gefängnisse einzubrechen. Die Sicherheitsstandards wurden Jahr für Jahr erhöht. Nach jedem vermeintlichen Ausbruch, gab es mehr Wachen und stärkere Bannsprüche, welche die magischen Kräfte der Dämonen im Zaum hielten. Außerdem stand immer noch die Frage aus, warum Luna zusammen mit Alec aufgefordert wurde, einen Auftrag anzunehmen. Ihr fiel es schwer, den kleinen Fuchsdämon hinter sich zu lassen, ihn vergessen zu müssen, um ihr eigenes Leben zu schützen. Befreie sie ein Wesen der Finsternis, würde nicht einmal Julianus sie vor dem Zorn des Rates retten können.

DaemoniumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt