~Kapitel 28~

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Der Tag kündigte sich mit gedämpften Vogelgezwitscher an. Luna richtete sich bedacht auf und streckte sich gähnend. Ihre Sicht war verschwommen, doch die Geräusche um sie herum wurden lauter und schienen hektisch. Der Geruch von Tau auf den Wiesen und der gerade aufgegangenen Sonne kitzelten ihre Nase.

Ein eigenartiges Gefühl brach über sie herein. Es fühlte sich an, als würde jemand einen Ballon in ihrem Magen aufblähen und sie zum Schweben bringen wollen. Gleichzeitig unangenehm und schön. Ihre Wangen glühten, doch das kam wahrscheinlich von der kühlen Luft, die ihre Wangen streifte.

Als sie neben sich den Boden abtastete, schreckte sie auf. Der Platz an ihre Seite war leer. Noah war nicht mehr da. Sofort versuchte sie sich auf die Male ihrer Bändigung zu konzentrieren, da Alec einst davon gesprochen hatte, dass diese eine Verbindung darstellte. Eine Kommunikation wäre nicht möglich, aber sie könnte ihn vielleicht aufspüren. Oder besaß ihre Bändigung keinerlei Effekt?

Sie entschied sich, erst einmal Ruhe zu bewahren. Es bestand die Möglichkeit, dass Noah noch in der Nähe war, am Fluss etwas trank. Also ging sie herunter an das Ufer, dessen lange Binsen ihre Beine berührten. Sie schob sie langen Halme aus dem Weg und kletterte an der Böschung hinab. Doch auch hier gab es keinen Hinweis auf Noah. Ein flaues Gefühl breitete sich in ihr aus und die Angst übernahm für einen Moment ihren Geist. Sie schüttelte eifrig den Kopf. Er würde sie nicht einfach hier zurücklassen, nicht nach dem, was sie durchgestanden hatten.

Aus dem Wald drangen verschiedene Laute zu ihr, die weder einem Tier noch dem Wind gehörten. Es waren Menschen. Viele. Sie mussten den Wald durchkämmen, denn immer wieder vernahm sie das Knacken von Holz und das schrille Geräusch, das entsteht, wenn man mit einer Machete durch die Luft schneidet. Waren es die Dämonenjäger? Oder doch nur die Bewohner eines hiesigen Dorfes?

Luna wollte es nicht am eigenen Leibe herausfinden und watete durch den Fluss ans andere Ufer, um sich dort in den Sträuchern zu verstecken. Einige Dornen rissen ihre die obere Hautschicht auf, doch das merkte sie kaum. Die Formen, die allmählich aus dem Dickicht kamen, bannten ihren Blick. Fünf Männer und eine Frau drängten sich an den eng gereihten Bäumen vorbei. Zwei von ihnen wiesen augenscheinlich Verletzungen auf und Luna kam nicht umher, an Noah zu denken. Was wenn er ihnen das angetan hat?

Einer der Männer stolperte an den Rand des Abhangs, der an den Fluss führte und krallte sich an der Kante fest. Ihm musste geholfen werden, so schwerwiegend waren seine Wunden. Die Frau wusch ihm die tiefen Schnitte mit etwas Wasser aus und verband sie provisorisch. Allgemein besaß der kleine Trupp nur wenig. Die drei Männer, denen es gut ging, trugen kleine Taschen bei sich. Sonst nichts. Sie wirkten auch nicht sonderlich gefährlich und waren schon gar keine Jäger aus Carcerem, somit konnte Luna sich zu erkennen geben.

Sobald sie aus dem Unterholz stampfte und an den Fluss herantrat, guckten die anderen sie ängstlich an. In ihren Augen sah sie das Weiße hervorblecken und ihre Mienen verzogen sich, obwohl sie in der Überzahl waren.

„Ist bei euch alles in Ordnung?", erkundigte sich Luna und rutschte den Abhang hinab. „Woher stammen diese Verletzungen?"

Ein großer Mann schaute sich in der Runde um und musterte Luna eindringlich. Seine Hand war instinktiv an seine Machete gewandert, die er mit einigen Lederriemen an seiner Hüfte befestigt hatte. Doch als Luna beschwichtigend die Arme hob, entspannten sich die Leute langsam.

„Unser Dort, es wurde angegriffen", antwortete ihr die Frau.

„Angegriffen? Von wem?", hakte Luna nach und überquerte den Fluss ein weiteres Mal.

„Die bessere Frage hieße wohl, von was", erwiderte ein Mann spottend. „Vorgestern Nacht wütete etwas in unserem Dorf, riss Frauen und Kinder aus dem Schlaf."

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