16 JAHRE DANACH, HEUTIGER TAG
12. Oktober - London, Vereinigtes KönigreichCHERYL
Bitte nicht quietschen. Bitte nicht quietschen.
Ich betete die Maschine an, als ich sie in den Aufzug ins Erdgeschoss schob. Sie war laut genug, wenn ich sie anschaltete und ihre Sonden nahm, da brauchte ich definitiv kein Gequietsche ihrer Räder.
Ich atmete erleichtert aus, als ich sah, dass der Flur leer war. Was hätte man erwartet in einer Nachtschicht, in der nichts passierte.
»Wen haben wir denn da?«
Shit.
Ich drehte mich um und blickte in die allzu bekannten grünen Smaragde von Adrik Haynes. Ich verdrehte die Augen und ließ einen genervten Seufzer von mir. Warum musste er ausgerechnet immer da sein, wenn ich ihn nicht brauchte?
Adrik Michael Haynes. Die Namen waren wie Gift in meinem Blut.
Es war schon immer so gewesen. Wenn ich bei Rose war, war er immer dabei, wenn ich eine Nachtschicht betrat, er stand immer am Eingang des Krankenhauses mit seinen Kollegen, wenn ich von der Arbeit zurückkam und mich zum Tanzen machte, war er immer irgendwo da.
»Sie wissen schon, dass Stehlen ein Verbrechen ist, Miss Kenney?«
Ich gab mir alle Mühe, nicht vor Ekel grün zu werden. Aber gleichzeitig gab ich mir auch alle Mühe, nicht rot zu werden, denn ich schob gerade ein £15.000 teures Sonographiegerät aus der Gynäkologie durch die leeren Gänge des St. Mary's Hospital in Richtung des hinteren Ausgangs.
Ich habe diese Nachtschicht seit zwei Monaten geplant und alles so hergerichtet, dass es wie ein normaler Tag im Krankenhaus aussehen würde. Ich habe mir sogar einen überteuerten Mietwagen - Mietvan - geholt, um das Ding zu transportieren.
Es war eine Ultraschallmaschine, eine, von der ich seit meinem Undergrad träumte und ich meine, ich würde sie ja nur für ein paar Jahre leihen und dann irgendwann hoffentlich zurückgeben...
»Ja, Doctor Haynes.«
Doctor Haynes. Ich würgte. Dieses Arschloch hatte alles, aber keinen Doktortitel verdient.
»Was wollen Sie mit ihr machen, sobald Sie mit der Maschine draußen sind?«, Adrik schob seine Hände in die Seitentaschen seines Mantels und schlenderte auf mich zu.
Der Mantel hing ihm bis zu den Knien und ich fühlte mich sofort neidisch. Die Länge des Mantels zeigte, in welcher Position der Arzt oder die Ärztin war.
Ich, mit meinem Master und 2000+ Stunden Erfahrung mit Patienten, durfte einen Mantel tragen, der mir bis zur Mitte meiner Oberschenkel ging. Ich durfte Diagnosen stellen und mit Anweisung von meinen Vorgesetzten Medikamente verschreiben und Behandlungen durchführen.
Adrik hingegen durfte alles, wenn man es grob sagen wollte. Sein Mantel allein zeigte, dass er mit seinem Studium fertig war, seine Assistenzzeit und sein Spezialtraining beendet hatte. Dank des Englischen Schulsystems hatte Adrik mit 16 Jahren die Schule beendet und elf Jahre danach seine Stelle als angehender Chirurg hier. Er war mit seiner Ausbildung zwar noch nicht fertig, hatte noch vier Semester vor sich, die aber so viel wie gar nichts mehr bedeuten außer vier Prüfungen, die er auch so schon bestehen würde, denn die Operationen führe er auf einer täglichen Basis durch.
Ich rückte ein großes Stück nach hinten, weiter in Richtung des Ausgangs.
»Sie muss zur Reparatur.«, zischte ich und musterte Adrik. Ich log ihn fett ins Gesicht, als er immer näher kam und dann einen Meter von mir entfernt stand.
Hätte Adrik nicht so einen scheiß Charakter, würde ich glatt sagen, Adrik sei attraktiv. Ich konnte aber nicht sagen, dass er hässlich war. Er war groß, größer als ich, schlank und muskulös gebaut. Es war aber nicht dieses eine Gym-Muskulös, es war dieses natürliche, das von einem Adrenalinjunkie wie ihm kam. Adrik hatte messerscharfe Wangenknochen, volle Lippen und eine dunkle Haarpracht.
Er war gutaussehend, er hatte gerade seinen Doktor gemacht und eine feste Stelle als einer der angehenden kardiologischen Chirurgen hier bekommen. Ich wollte mich gar nicht fragen, wen er alles gefickt hatte, um diese Stelle zu bekommen.
Und mit 'gefickt' meinte ich, jede zweite Krankenschwester, die an ihm an einem Tag vorbeilief, zwinkerte ihm zu. Es war ekelhaft, einfach nur ekelhaft. Ich fand ihn ekelhaft.
Dass wir uns beide auf der Arbeit einigermaßen mit Respekt, was aber mehr nach Spott aussah, behandelten war ein Wunder. Aber sobald wir das Krankenhaus verließen, ging es richtig los.
Adrik und ich konnten außerhalb der Arbeit nicht in einem Raum sein, ohne einander giftige Blicke zu schmeißen oder fiese Kommentare über den jeweils anderen loszuwerden.
Alles hatte damit begonnen, dass Rose und ich uns während unseres Medizinstudiums vor sechs Jahren kennengelernt hatten und irgendwie stellen wir fest, wir hatten die gleichen (nicht) existierenden Gehirnzellen, also entschieden wir beste Freunde zu werden und ab dann waren wir unzertrennlich.
Rose hatte mich einmal bei sich zu Hause eingeladen, wo ich Adrik kennengelernt hatte. Von da an hat Adrik mich schon skeptisch gemustert und ich konnte ihn sofort nicht leiden.
Ich fing an, Adrik zu nicht sonderlich zu mögen, fast schon zu hassen, als er begann, sich wie das größte Arschloch zu verhalten, jedes Mal, wenn ich versuchte, nett zu ihm zu sein - Rose zur Liebe.
Ich wusste, dass ich nach meinem Undergrad und meinem Foundation Programme zum St. Mary's für mein Spezialtraining in der gynäkologischen Chirurgie wollte, dass ich dann auf Adrik treffen würde, das wusste ich, dank Rose auch, aber ich hatte nicht darauf gehofft.
Und dass wir beide in einem Gebäude sein werden würden, hatte ich leider auch gewusst.
Gynäkologie und Kardiologie waren zwar zwei komplett verschiedene Branchen in der Medizin, dennoch gehörten die Operationen, die durchgeführt wurden, zu einer der dringendsten und wichtigsten.
»Reparatur?«, er runzelte die Stirn. Ich rückte immer weiter nach hinten.
»Was ist denn an ihr kaputt?«
Kannst du nicht einfach verschwinden?
»Sie äh... sie.. die Steckdose. Sie lässt sich nicht richtig anstecken.«, fuck.
»Sie lässt sich nicht anstecken? Da ist doch der Stecker.«, er deutete auf das Stromkabel mit einer verwerfenden Handbewegung.
»Ja, aber da kommt kein Strom rein.«, gab ich zickig zurück.
Ich hatte absolut keine Lust, mich nach meinem sechzehn-Stunden Dienst mit Adrik auseinanderzusetzen. Ich schob die Maschine weiter weg und versuchte, mich auch weiter von Adrik zu distanzieren.
»Gute Nacht, Doctor Haynes.«, ich erreichte fast den Ausgang, als ich meinen Magen zusammenzog und mich höflich von ihm verabschiedete.
»Miss Kenney, lassen Sie mich Sie nicht mehr erwischen, wie Sie etwas so teures mitgehen lassen und mich anlügen, weil sonst mache ich Ihre Assistenzzeit zu Ihrer persönlichen Hölle.«, rief er. Ich war aus dem großen Tor rausgegangen und atmete erleichtert aus.
Ich war nicht mehr auf der Arbeit, ich konnte wieder Cheryl Caoimhe und nicht Miss Kenney sein.
»Geh sterben, Adrik.«
Ich schob die Maschine mit einer Hand zum Parkplatz, wo der Mietwagen stand, und mit der anderen Hand zeigte ich Adrik den Mittelfinger. Hinter mir hörte ich nur, wie Adrik spöttisch lachte.
DU LIEST GERADE
Never Hated You More
RomanceHAYNES #2 Ihr Hass steigert sich von Tag zu Tag. Genau wie ihr verlangen. ~ Eine Medizinstudentin. Ein Kardiologe. Ein Hass, der sich zwischen ihnen ausbreitet... Cheryl Kenney schwelgt zwischen Abschlussprüfungen und Seminaren und kommt kaum noch...