Kapitel 5

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ADRIK

»Adrik?«, es dröhnte aus der Sprechanlage.

»Ja, lass mich rein. Hab' Essen dabei.«, ich deutete der Kamera eine Tasche mit der Aufschrift Sushi zu, nachdem ich sie mit einer Grimasse gemustert hatte.

Keine Sekunde später summte die Tür und ich konnte sie mühelos aufdrücken. Ich lief die knarrenden Treppen des Altbaus aus den späten 1950ern hinauf und wartete im zweiten Stock, bis meine Schwester mir die Tür zu ihrer Wohnung öffnete.

Rose wohnte hier ohne Miete zahlen zu müssen - gut für sie - , denn das ganze Haus, plus einige andere benachbarte Häuser der Baker Street waren Eigentum der Familie Dormer und meine Paten hielten es für eine gute Idee, sie hier leben zu lassen.

Zuerst bestand sie darauf, auszuziehen, da sie nur hier aus Gunst der Ehe mit Luc wohnen durfte, aber als sie die steigenden Preise von Einzimmerwohnungen in London Marylebone sah, entschied sie sich doch um.

Luc.

Im Moment hatte ich das Gefühl, mein Leben bestand nur darin, Leute zu hassen. Zuerst Cheryl und dann meinen eigenen Schwager, meinen besten Freund, meinen unbiologischen Bruder. Wir waren zusammen aufgewachsen, bauten zusmmen Scheiße oder eher ich baute Scheiße und er holte mich immer von der Polizei ab und nun waren wir kaum mehr als Fremde.

Luc und ich waren in einer Prügelei auseinander gegangen, als er und Rose vor eineinhalb Jahren beschlossen hatten, sich scheiden zu lassen. Rose hatte mit Tränen versucht, mich aufzuhalten, auf Luc einzuschlagen, aber als Luc sie rausgeschickt und gesagt hatte, dass Es nicht wert sei, hatte ich ihm die Nase gebrochen und vier Rippen geprellt.

Danach sprachen wir nie wieder miteinander. Und soweit ich wusste, schrieben oder sahen Luc und Rose einander seit September letzten Jahres nicht mehr.

»Hi.«, ich schloss sie in meine Arme und ließ meinen Blick in ihrer Wohnung wandern, während ich Rose gegen meine Brust drückte. Aus dem Wohnzimmer lief 'This Is Berk' von John Powell in How To Train Your Dragon und ich wusste sofort, wer noch anwesend war.

»Warum ist die hier?«, fragte ich, als Rose das Essen aus meiner Hand nahm.

»Die heißt Cheryl und die hat mich vor ner Stunde vom Bahnhof abgeholt. Du konntest heute doch nicht, weil Tottenham spielt, oder?«, sie runzelte die Stirn.

»Hast du das noch nicht mitbekommen? Die haben Luc für über fünf Millionen gekauft. Als ob ich jetzt noch zu deren Spielen gehe!«, allein der Gedanke daran, Luc im Stadion spielen und alle Damen, die seine Rückennummer trugen und ihn anhimmelten, zu sehen kotzen mich an.

Ich war froh für den Hund, dass er so weit gekommen war. Luc hatte dem Unfall vor zwei Jahren, wo er seine beiden Kniekapseln ruiniert hatte, seine Scheiße zusammengerauft, war regelmäßig zur Physiotherapie gegangen und hatte mächtig viel Zeit auf dem Platz, mit Trainern und mit Aufenthalten im Ausland verbracht, Rose wurde von seiner ersten Priorität zu seiner letzten.

Im Nachhinein war es Rose, der der Kragen geplatzt war und sich von Luc trennen wollte. Wir, Mara, die jüngeren Zwillinge und ich gaben ihr all das Recht, sie hatte ihn geliebt, stellte ihn immer vor alle anderen, hatte ihn als ihre top Priorität, versuchte ihre Ehe zu retten, während sie ackerte und studierte und so bedankte Luc sich bei ihr.

»Ach so.«, Rose schürzte ihre Lippen. In ihren Augen sah ich Trauer, aber gleichzeitig auch Stolz. Rose hatte es nie leicht mit Verabschiedungen. Keiner von uns hatte es. Ich war in einer großen Familie mit vier Geschwistern aufgewachsen und da hatte man immer Gesellschaft, ob man es wollte oder nicht.

Thea hatte uns vor drei Monaten verlassen, als sie bei Emirates aufgenommen wurde und nach Dubai zog. Immerhin rief sie öfters an und einmal in der Woche führten wir Geschwister ein Up-To-Date Skype Meeting. Es war nicht meine Idee gewesen, und ich hielt es Anfangs auch für dumm, aber seit dem wir älter geworden waren, hatten wir gelern unsere Familie zu schätzen.

»Komm rein. Wir haben den Film gerade erst angefangen.«, sagte Rose.

Ich nickte stumm und hing meine Jacke hinter der Tür auf, bevor ich ihr ins Wohnzimmer folgte.

»Du? Hier?«, ich verdrehte die Augen, als ich Cheryl auf einer Hälfte des Sofas mit den Beinen unter den Ellenbogen eingesteckt sah.

»Halt's Maul.«, ich quetschte mich auf die andere Hälfte des Sofas und ließ zwischen mir und Cher sitzen. Ich stellte die Tüte auf den Kaffeetisch ab und packte die Boxen mit dem Essen aus. Mit oder ohne Cheryl, wir hätten sowieso zu viel Essen. Ich hatte ein ganzes Familienmenü gekauft, als ich sah, dass es von 60 Pfund auf nur 53 Pfund heruntergesetzt war, da die an Halloween weniger verkauften.

»Danke.«, es kam sehr unangenehm von ihr und es wäre mir lieber gewesen, sie hätte nichts gesagt. Ich nickte ihr nur zu und fokussierte mich auf den Kinderfilm der über meinen Netflix-Account, den Rose gemopst hatte, auf Roses HD Monitor lief.

»Wie dumm ist die bitte, dass die mit dem fliegen geht?!«, ich regte mich über Astrids Dummheit auf. Wer war bitte so dumm und ließ sich mit einem Typen und dessen Drachen ein, ohne zu wissen, ob man lebendig da wieder rauskommen würde?!

»Klappe!«, kam es von Cher geschossen. »Es heißt nicht einfach so 'Romantic Fight'!«

»Das kann man auch anders darstellen!«

»Wie? Mit nem Blowjob? Weil ihr Männer heutzutage nur mit eurem Schwanz und nicht mit eurem Hirn denkt?!«

»Ist bei euch Frauen auch nicht anders!«

»Wer bist du, dass du sowas sagen darfst?!«

Mittlerweile war der laufende Film alles andere als interessant. Rose zwischen uns beiden schaute hin und her, bis sie dann aufstand und auf Pause drückte. Sie stellte sich vor uns beide mit den Armen verschränkt hin. Ihr Blick zeigte, dass sie verletzt war und dass sie alles andere von uns erwartet hatte.

»Wenn ihr beide nicht aufhört, euch zu kloppen, über einen verdammten Kinderfilm, schicke ich euch beide raus. Dann könnt ihr euch vor der Haustür prügeln. Merkt ihr nicht, wie peinlich ihr seid, dass ihr schon die Szene, die romantisch sein sollte und für Kinder unter sechs Jahren gemacht wurde, sexualisiert? Und das noch als Mediziner! Ehrlich, was seid ihr für Meschen?«

Never Hated You MoreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt