Kapitel 7

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ADRIK

Sechs Uhr Zehn.

Ich war wirklich nicht für Frühschichten gemacht.
Medizin studieren, dachte ich, brachte Geld und keine fucking Depression...

Hätte man mir damals gesagt, ich müsste um sechs Uhr schon auf Station sein, um dann um sieben Uhr Brüste aufzuschlitzen und Herzen zu transplantieren, ich hätte mich sofort exmatrikulieren lassen.

Ich hätte lieber BWL studiert.
Hätte sechs Jahre Allgemeinmedizin, im Jungstudium noch dazu, einen Bachelortitel, einen Mastertitel, dann zwei Jahre Weiterbildungen in der Chirurgie, und weitere sechs Jahre operatives Training, womit ich noch nicht mal fertig bin, währenddessen einen Doktortitel mir alles sparen können.

Und Geld brachte bisher nichts, knapp £3000 wurden mir seit vier Jahren angeboten, seitdem ich dem Spezialtraining beigetreten war. Sich für das Spezialtraining bewerben, sowas wünschte ich niemandem.

Schlangen an Menschen, die bis zur nächsten Ecke des Krankenhauses gingen, alle mit dem Ziel, in das Chirurgenteam zu kommen. Einem wurden böse Blicke zugeworfen, wenn man nicht mit einem Pokerface, sondern mit einem munteren Gesichtsausdruck aus dem Büro des leitenden Chefarztes der gesamten Klinik kam.

Ich nahm einen letzten Zug meiner Zigarette, bevor ich sie am Eingang im Aschenbecher versenkte.
Schnell lief ich die Treppen in den dritten Stock, während ich in meinem Rucksack nach einer Packung Kaugummis kramte. Die Kollegen von der Lungenabteilung sollten bloß nicht erfahren, dass ich nicht sehr gesund lebte.

»Guten Morgen.«, kam es von der ersten Krankenschwester. Ich nickte ihr lächelnd zu, als ich mir die Tablette in den Mund steckte und anfing hektisch anfing zu kauen.

»O Shit-«, und schon knallte etwas gegen meine Brust. Das bestimmte Etwas war blond mit einem roten Ansatz. Ich packte Cheryl an den Armen und half ihr aufrecht zu stehen.

»Alles okay?«, ich blickte auf und ab um zu sehen was der Grund für ihren Fall war.

»Ja... komme gerade von der Radio.«, sagte sie und deutete auf die Mappe, die sie in der Hand hielt.

»Sie haben sich meinen Fuß angesehen.«, sie schaute zu ihrem Knöchel hinunter. Ich folgte ihrem Blick und sah, dass er unter ihren rosanen Crocs, die zu ihrem pinken Kasack passten, stark angeschwollen war .

»Was wurde diagnostiziert?«

»Schwellung im Malleolus Lateralis. Ödem über der Talusschulter und des anliegenden Knorpelüberzuges. Verdacht auf Chondropathie.«, ich wollte keine weiteren Informationen hören, um zu wissen, wie schlimm es war.

Zwar war nichts gebrochen, aber mit Flüssigkeit im Sprunggelenk und einem Verdacht auf einen Knorpelschaden im Knöchel rumlaufen wollte keiner.

Wie Mara. Sie war bei unserem Abschlussball vor einigen Jahren auf ihren Highheels umgeknickt, wurde mit Chondropathie und einem Ödem im Sprunggelenk diagnostiziert und operiert. Sie könnte nie wieder in Schuhen mit Absatz gehen, ohne dass sie Schmerzen hatte.

»Sechs Wochen kein Sport?«

»Acht.«

»Warum haben sie dir deinen Knöchel nicht verbunden oder dir eine Schiene angebracht?«, bei Thea musste der komplette Fuß eingegipst werden und bei Cher hatten sie nichts gemacht.

»Ich bin ja auf dem Weg zur Orthopädie.«, sagte sie dann. Ohne sie loszulassen, leitete ich sie in die Richtung meines Büros.

»Die sind alle beschäftigt, ich mache das.«, ich schloss mein Büro auf und deutete ihr, sie sollte ich auf die Liege dem Schreibtisch gegenüber setzen, während ich nach Verbänden im Schrank hinter mir suchte.

»Du solltest aufhören zu rauchen.«, sagte Cheryl auf einmal. Ich sah sie verdutzt an, beinahe schon als hätte sie mich ertappt.

»Das geht dich nichts an, ob ich rauche oder nicht.«, raunte ich, nahm eine Tube Voltaren aus den Regalen und ging dann zu Cher rüber.

»Deswegen sage ich ja, dass du aufhören solltest. Ich habe nicht gesagt, dass ich dir rate, aufzuhören. Ich habe es verallgemeinert.«

Beides das gleiche. »Auch wenn. Es geht dich nichts an. Ich weiß was gut für mich ist und wenn es Zigaretten sind, dann sind es eben Zigaretten.«

Ich verdrehte nur die Augen, als sie nicht hinsah und nahm die Mappe aus ihrer Hand.

»Warum–«, sie verstummte, als ich mir ihre Diagnose näher anschaute.

»Um zu sehen, was ich verbinden muss.«, antwortete ich harsch.

Cheryl Caoimhe Kenney

Caoimhe? Wie stellte man sich vor, diesen Namen auszusprechen?

»Wie spricht man das aus? Deinen Zweitnamen?«, ich hob ihren Fuß an, als ich das Schmerzgel auf ihr Sprunggelenk mit einem Netz aus Stoff verteilte. »Cao-im-he? Cao-mi?«

»Nein du Arsch.«, sie verdrehte die Augen. Ich öffnete das Verband und stellte sicher, dass ihr Fuß still war, damit sich nichts verschob.

»C-A-O-I-M-H-E geschrieben, Queeva gesprochen. Ich weiß, es ist komisch.«, sagte sie dann.

»Queeva.«, Caoimhe, ich fragte mich, was dieser Name bedeutete. Cheryl war aus Irland, der Name war aus dem Schottisch- Gälischen. Mehr wusste ich aber nicht darüber.

»Quie-va.«, sie lachte bei meinem mickrigen Versuch, ihren Namen auszusprechen.

»Ja Queeva.«, die Verwirrung war mir auf dem Gesicht geschrieben.

»Nein. Quieee-va. Zieh das E lang.«

»Quiee-va.«

Sie nickte dann. »Richtig.«

»Caoimhe, Caoimhe.«, ich probierte den Namen und ließ ihn auf meiner Zunge zergehen. Er war nicht zu kompliziert auszusprechen, aber Fragen hatte ich immer noch.

»Wo ist da bitte das V?«, ich fixierte den Verband mit Tape an ihrem Knöchel, bevor ich dann wieder aufstand.

»Gibt keins, frag die Götter. Der Name ist Schottisch- Gälisch und ist in deren Sprache geschrieben.«, sie stützte sich ab, als sie wieder in ihre Crocs schlüpfte und die Mappe neben sich nahm.

»Was bedeutet er?«, Neugier brachte mich dazu, sie zu fragen, wenn ich es auch einfach nachschlagen konnte.

»Sanft, Schön, Wertvoll und Anmutig.«, sie stand schon bei der Tür, als ich plötzlich anfing zu lachen.

»Sanft und Anmutig? Willst du mich verarschen?«
Cheryl steckte mir den Mittelfinger hin und dann war sie weg.

Ich setzte mich an meinen Computer und schaute den Namen nach. Als ob Caoimhe sanft, schön, wertvoll und anmutig bedeutete. Cheryl war alles andere als das.

Was bedeutet der Name Caoimhe?

Caoimhe bedeutet "die Schöne" und "die Anmutige" (altirisch - "cóem" = anmutig/angenehm/schön).

Scheiße, sie hatte recht. Und ich wollte nicht lügen.

Caoimhe war der schönste Name, den ich jemals gehört hatte.

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