Kapitel 35

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ADRIK

"Ich bin in Killarney geboren, am 5. Mai, zwei Monate vor dem Entbindungstermin."

Ich grub einen Arm unter ihre Oberschenkel und hob sie hoch. Ein Arm stützte ihren Rücken und ihre Schultern, der andere hob ihre Knie, als ich uns beide zu meinem Bett brachte.

"Edward, mein biologischer Vater war ein Henry VIII des 21. Jahrhunderts. Er wollte einen Sohn haben. Nachdem meine Eltern mich bekommen hatten, wollte Edward es nicht wahrhaben, dass ich ein Mädchen war und probierte es nochmal und nochmal."

"Er sah Mädchen als nicht zu gebrauchen und unnötig. Der Sohn - den er bis heute immer noch nicht hat - würde mehr Wert sein. Meine Mutter hingegen wollte immer nur ein Kind, nur mich. Sie ging und ließ sich ohne seine Zustimmung sterilisieren, nach meinem ersten Geburtstag, und als er davon erfahren hatte, hatte er sie und mich zusammengeschlagen...", Cheryl grub ihren Kopf in meinen Nacken.

"Wir haben seine Schlägereien für ungefähr zwei Jahre ausgehalten, bis Momma und ich am letzten Tag des Jahres... vor siebzehn Jahren... weggerannt sind. Sie hatte einen Wagen eines Freundes geborgt und war mit mir über Nacht von Killarney nach Dublin gefahren."

Ich hob meine Hand, strich ihre zerzausten Strähnen von ihrer Stirn und drückte federleichte Küsse auf ihren Haaransatz und ihre Schläfe. Ich sagte nichts, aber ich spürte, wie meine andere Hand unter ihr sich automatisch zu einer Faust ballte.

"Momma und ich hatten zwei Koffer mit Klamotten – mehr oder weniger – und ich schleppte meine Tanzschuhe mit mir. Wir fingen von vorne an, wussten nichts, hatten niemanden. Wir wohnten in einer Einzimmerwohnung, Momma arbeitete drei Jobs gleichzeitig, um meinen Tanzunterricht zu finanzieren. Sie war ausgebildete Köchin von acht Uhr morgens bis drei Uhr Nachmittags, arbeitete nebenbei von vier bis acht, vielleicht auch neun, als Kellnerin in einem Pub und putzte an Wochenenden in einer Tankstelle.", Cheryl fummelte an ihrer Nagelhaut, als sie ihren Monolog weiterführte.
Ich machte mir so viele mentale Notizen, dass mein Kopf bereits dröhnte.

"Irgendwie schaffte sie es aber immer, mich von der Schule abzuholen und mich von da zum Tanzen zu bringen. Wir hatten Mädchen in unserer Nachbarschaft, die auch zum Tanzen gingen, also fuhren sie mich nach dem Training immer nach Hause, sodass Momma bis acht im Pub bleiben konnte.", die Nagelhaut an ihrem rechten Daumen war nun ab und wahrscheinlich auch bereit für eine Maniküre.

"Bis sie Sean kennengelernt hatte. Ich glaube, sie haben sich beide in dem Pub kennengelernt... naja, sie waren Schockverliebt. Ein Jahr später heirateten die beiden auf Seans Milchfarm neben den Kühen im Heu und Momma wurde zur Farmerin. Momma und ich übernahmen den Nachnamen von Sean und hatten schließlich nichts mehr mit Edward zu tun.", in ihren Augen schimmerte Freude, als sie den letzten Satz ausgesprochen hatte.

"Wahrscheinlich hatte Sean mehr Zeit an einem Tag mit mir verbracht, als Edward es in einem Jahr gemacht hätte. Und von da hat sich mein Vaterkomplex entwickelt. Ich wusste nicht mal, dass ich einen hatte, bis ich in die Pubertät kam und plötzlich alle Typen in meinem Alter Scheiße zu sein schienen und sich wie Kindergartenkinder benehmahmen. Davor hatte ich mich so oft in irgendwelche Typen verliebt, die aber dann zu mir sagten, ich sei zu reif für mein Alter, ich sollte doch lieber warten, bis ich jemanden treffe, der genauso tickt wie ich. Sie waren so kindisch, dass ich ein ganzes Tantrum mit mir selbst geschmissen hatte, bis ich bemerkte - oh, Vaterkomplex!", Cheryl machte eine abweichende Bewegung mit ihrer Hand.

"Ab da habe ich mir geschworen, immer nur ältere Männer zu daten. Das klappte, bis ich hier in London merkte, dass der Glaube - von wegen, ältere Männer sind reifer und erwachsener - eine Lüge war. Zumindest bestätigte sich das nach den siebenundneunzig Dates, die ich in den letzten drei Jahren eingegangen war, wo die Männer mindestens fünf Jahre älter waren als ich."

"Auf Tinder?", ich konnte mir nicht verkneifen, diese Frage zu stellen.
"Tinder, Bumble und Hinge."
"Ohhh, das tut mir leid.", ich küsste wieder ihre Schläfe. Wie konnte es sein, dass sie auf siebenundneunzig Dates ging, aber alle sich wie Kinder benahmen?

"Aber ja, mit einem Vaterkomplex auf dem Heiratsmarkt, war es wie Bücher zu kaufen, ohne Geld. Der Vater, der nie da war. Die älteren Männer, auf die man es abgesehen hat, weil genau diese Männer dem eigenen Vater auf irgendeiner Weise ähnelten und mit diesen Gedanken Fürsorge und Sicherheit bringen würden. Die ständige, verzweifelte, frustrierende Angst, alleine im Stich gelassen oder verlassen zu werden, weil man in seiner Kindheit niemanden hatte, der für einen gesorgt hatte. Die Eifersucht und Sorge, dass der Partner jemanden über einen bevorzugen würde und man dann wieder auf sich alleine gestellt war. Das Bedürfnis nach Bestätigung, den Drang, nachzufragen und sich abzusichern, dass doch alles okay sei, denn irgendwie muss man sich ja mental darauf vorbereiten, wieder allein zu sein. Die ignorante und hoffnungslose Art, sich in den nächstbesten Mann zu verlieben, der einem genug Aufmerksamkeit schenkte, dass man alles andere, toxische an ihm einfach vergaß, denn alles, wonach man sich sehnte, war ja seine Aufmerksamkeit. "

"Schien, der einzige Mann, der mich einigermaßen wie ein Erwachsener behandelte, war dreieinhalb Jahre älter als ich. Naja... anfangs hatte er sich wie ein Kind benommen, da er Selbstliebe mangelte, aber mittlerweile scheint es mir, er hat sich in zwei Wochen zu einem besseren Menschen entwickelt, und ich würde tatsächlich was mit ihm eingehen wollen.", sie zuckte mit ihren Schultern, als mein Herz sich erleichtert ausatmete.

"Ich frage mich aber trotzdem, warum du so einen Hass auf mich hattest."

"Ich weiß es nicht.", ich hob ihr Kinn an, sodass sie zu mir aufsah. "Vielleicht war ich eifersüchtig, dass du von Sean und deiner Mutter die Liebe bekommst, als ein Einzelkind, wonach ich mich immer gesehnt hatte, denn als ältestes Kind bekommst du gar nichts, außer Scheiße...?", der letzte Teil des Satzes war eher eine Frage.

"Ich weiß.", Cheryl legte eine Hand auf meine Wange und zog mich zu sich hinunter. "Wir werden daran arbeiten. Zusammen."

Wir blieben für eine Weile so, starrten einander an, sie in meinen Armen, wie damals, als sie mitten in der Nacht vorbeigekommen war, nachdem sie das baby verloren hatte.

"Danke für Toothless. Danke für die Briefe... Sie bedeuten mir sehr viel. Aber das hättest du nicht tun sollen...", sie strich mir sanft über die Wange.

"Caoimhe, warum glaubst du, ich bin hier, warum schicke ich dir Briefe, oder noch nicht veröffentlichte Ausgaben deiner Lieblingsbücher, Schmuck meiner Großmütter oder limitierte, signierte Alben und Konzertkarten von deiner Lieblingssängerin, die ich gar nicht ausstehen kann? Warum tue ich dann überhaupt noch irgendetwas?"

"Weil du mich liebst? Ich weiß es nicht, sag du es. Ich sage es nicht.", Cheryl, biss sich auf die Unterlippe.

Ich verdrehte die Augen. "Is breá liom tú.", kam in einem schrecklichen, poshen, englischen Akzent aus mir heraus, als ich versuchte, in ihrer Muttersprache, ihr zu sagen, dass ich sie liebte.

Cheryl brach in meinen Armen in herzlichem Gelächter aus. "Das tat weh.", sie schmollte, aber lachte weiterhin.

Deswegen konnte ich auch keine andere Sprache außer Englisch und Spanisch. Ich war von Kopf bis Fuß Engländer und Spanisch musste ich in der Schule als zweite Sprache lernen. Ich hatte damals Spanisch gewählt, da die Aussprache leichter werden würde und ich mich nicht mit dem Auslassen einiger Buchstaben, wie im Französischen aussetzen musste.

"Bitte sag mir, ich habe dich nicht beleidigt.", ich spürte, wie es in meinen Wangen zu pochen begann. Wahrscheinlich sah ich aus wie eine Tomate.

"Nein, is breá liom tú bedeutet ich mag dich. Táim i ngrá leat, das ich ich liebe dich.", korrigierte sie.

"Táim i ngrá leat, Adrik."

"B'fhearr liom thú nó céad bó bainne."

Cheryls Augen nahmen die Größe eines LKW an, als dieses Mal, perfekt ausgesprochen, meine Antwort kam.

"Frag nicht. Lass mich einfach...", ich drehte uns um, sodass sie unter mir lag, "Machen."

Never Hated You MoreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt