Kapitel 30

143 12 0
                                    



CHERYL

Ich liebte es, wieder zu Hause zu sein.

Ich liebte die Farm, ich liebte die frische Luft, ich liebte sogar den Regen.

Es mochte komisch klingen, da es in London auch auf einer täglichen Basis regnete, dennoch hatte ich die frische Luft und den Geruch nach nassem Rasen und der nassen, stinkenden Tiere vermisst.

"Cheryl, gehst du bitte die Kühe füttern? Es ist schon mittags und die haben noch nichts gefressen."

Das war eine Sache, die ich nicht vermisst hatte. Die Milchfarm auf 38 Hektar Boden in Maplestown bei Carlow irgendwo mitten im Nirgendwo. Die Ställe und die Melkhäuser. Der Hühnerstall mit 130 Hühnern, die Ratten und Mäuse, die immer herumliefen und alles raschelte. Die 75 Kühe vom Feld, drei Kilometer von den Ställen entfernt, füttern gehen.

Ich schlug meine Stirn gegen die Seiten meines Buches, bevor ich mühsam aufstand und es und meinen Kaffee beiseite legte. Unter mir hörte das Schnurren von Barry auf, als ich ihn von meinem Schoß absetzte. Barry war eine schneeweiße sibirische Katze und war ein Einzugsgeschenk von Sean an meine Mutter. Barry und ich hatten einander gestern kennengelernt und wir waren sofort verliebt, sodass ich meine Mutter sogar gebeten hatte, ihn bei mir im Zimmer schlafen zu lassen.

Barry begleitete mich noch vor die Haustüre und schmiegte sich an meine Wade, während ich meine Jacke anzog.

"Kann ich einen Traktor nehmen, oder braucht Sean alle gerade?", rief ich zu meiner Mutter, als ich meine Füße in meine ausgeleierten Gummistiefel zwang. Ich stellte sicher, dass meine Kopfhörer und mein Handy in meinen Taschen waren, da ich auf dem Weg zum Füttern der Kühe definitiv nicht mit mir selbst reden würde.

"Du kannst einen Traktor nehmen, pass bitte auf, dass du dich nicht selbst umbingst.", rief meine Mutter zurück, ein leicht spöttischer Unterton in ihrer Stimme. "Ach und Liebling, könntest du bei den Hühnern auch vorbeischauen? Ob die Küken noch leben?"

"Haha.", wir hatten überhaupt keine Küken. Die frisch gelegten Eier wurden immer sofort mitgenommen und am selben Tag noch zu Omelette oder Spiegelei gemacht oder in die Vorratskammer unserer Familie gebracht.

Ich ging hinaus, lief um die Ecke des Hauses und bewunderte den Fakt, dass jemand die Leitungen von er Außenwand endlich verlegt hatte, sodass wir keinen Stromausfall mehr bekommen würden und zu jeder Zeit Zugang zu Strom hatten.

Warum waren wir keine Pferde Farm? Warum keine Ranch? Ich mochte Pferde definitiv mehr als Kühe.

Ich meine Kühe, super, aber Pferde? Noch besser. Zumindest konnte man etwas mit Pferden anfangen. Kühen konnte man zuschauen, wie sie auf ihrer Weide wiederkäuen und man konnte sich beim Melken einen Tennisarm mitsamt Sehnenscheidenentzündung im Carpal-Tunnel Bereich holen.

Ich nahm einen der fünf Traktoren, der in der Scheune neben dem Haus stand und fing an, zehn 20kg Eimer mit Futtermais zu befüllen, die ich dann auf die vordere Ablage des Traktors abstellte.

Wie toll war es, Traktor zu fahren? Ich konnte mich noch daran erinnern, wie ich als Kind darauf bestanden hatte, bei Sean auf dem Schoß zu sitzen, wenn er mit dem Traktor irgendwo hin fuhr.

Jetzt, da ich einen Führerschein für Autos, Traktoren, Gabelstapler, Bagger und viele andere Maschinen hatte, fand ich Traktor fahren doch gar nicht mehr so interessant, wie früher.

Ich hangelte mich die Leiter hinauf, quetschte mich in den Sessel und startete den Motor.

Während ich versuchte, aus der Scheune zu steuern, kramte ich in meiner Jackentasche nach meinen Kopfhörern.

Pass bitte auf, dass du dich nicht selbst umbringst. Die Stimme meiner Mutter hallte in meinen Ohren nach, als das 1989 Album von Taylor Swift durch meine Kopfhörer dröhnte.

Ich kam nach 15 Minuten, aber auch nur weil ich auf fünf Stundenkilometer fuhr, da ich im Traktor mit Blank Space, Bad Blood, Shake It Off und Style Carpool-Karaoke spielte, an und begrüßte mit einem ironischen lächeln die ersten 25 Kühe, die alle am Zaun standen und mich ansahen, als sei ich ihr Essen.

Ich dachte nicht einmal daran, am Rand des Weges zu parken, erstens, weil ich es nicht konnte, und zweitens, das war die Farm meiner Mutter und Sean, ich konnte alles machen, was ich wollte.

Nicht sehr elegant, eher einem sterbenden Gorilla ähnelnd, hangelte ich mich die Leiter wieder hinunter und machte mich daran, das Tor des elektrischen Zaunes zu öffnen. Ich achtete darauf, dass ich nicht mit meiner Stirn aus Versehen daran kam.

Als ich zehn war, war ich aus Versehen, zwar nicht hier auf unserer Farm, aber auf der des Nachbarns mit der Stirn gegen eine der Leitungen mit meiner Stirn gestoßen, als ich ein Pferd aus meiner Hand gefüttert hatte. Sofort hatte ich mir geschworen, nie wieder einen elektrischen Zaun auf irgendeine (dumme) Weise anzufassen.

Auf jeden Fall, war mir danach schlecht für den Rest des Tages und ich fand mich mehrmals, mehr als nach Sauftouren, auf der Toilette wieder. Mir war nicht Kotzübel - nicht einfach schwindelig, sondern so übel, ich konnte nicht mal Abendessen und war mit leerem Magen ins Bett gegangen. Meine Mutter hatte sich solche Sorgen gemacht, dass sie schon überlegt hatte, mich ins Krankenhaus, eine Stunde entfernt zu fahren.

Siehe da. Ich hatte es überlebt, den Zaun zu öffnen.

Ich scheuchte die Kühe weg, sodass ich mit dem Traktor ins Feld fahren konnte.

Zehn Minuten später waren fünf Eimer leer und die Hälfte der Kühe fraßen.

Ich hangelte mich wieder in den Traktor und fuhr bis zum nächsten Feld, als mein Handy in meiner Tasche mit einem Anruf vibrierte.

Adrik

Ich machte mich nicht daran, seinen Anruf mir anzusehen und schaltete mein Handy auf den Flugmodus, sodass er nicht sehen würde, dass ich ihn mit Absicht abgelehnt hatte.

Du hättest auch einfach auf Ablehnen drücken können. In mir sprach mein Gehirn. Mein Herz sagte aber, nur weil ich abgelehnt wurde, hieß es nicht, dass andere auch abgelehnt werden sollten.

Ich fütterte den Rest der Kühe, fuhr den Traktor wieder in die Scheune und als ich dann wieder auf dem Sofa saß, mit Barry auf meinem Schoß, traute ich mich wieder den Flugmodus abzustellen.

Adrik hatte drei Mal angerufen, Mara und die Zwillinge, seine Schwestern hatten auch einmal angerufen und Rose hatte mir drei Nachrichten geschickt.

Ich weiß du fühlst dich Scheiße und wolltest nicht, dass wir mit Adrik reden aber wir waren gestern Abend bei ihm und haben uns alles aus seiner Sicht angehört.

Sorry dass wir nicht auf dich gehört haben...

Vielleicht gehst du aber ran, wenn er dich anruft...? Ich glaube er will sich auch noch zu
vorgestern außern...

Rose tat nie das, was man von ihr verlangte. Es war mir bereits klar, dass sie nicht auf mich hören würde und alle ihre Schwestern anheuern würde, um mit Adrik zu reden.

Ich tippte also schnell eine Antwort.

Ich kenne dich. Du machst nie was man von dir will.

Ist alles gut.

Nein danke.

Ich hob Barry gegen meine Brust.

"Glaubst du, ich sollte bei seinen Anrufen rangehen? Glaubst du, ich sollte zurückrufen?", fragte ich ihn.

Als Barry aus meinen Armen sprang und sich neben dem Throne Of Glass Buch von Sarah J. Maas legte, sah ich seine Antwort als ein Nein und widmete mich dann wieder meinen Büchern.

Heute Abend, entschied ich, würde ich Adrik Nummer löschen und mich in den Schlaf weinen.

Never Hated You MoreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt