Kapitel 14

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CHERYL

»Ernsthaft, was haben sich diese Hurensöhne dabei gedacht, dass es bei einer Silvesterparty keinen Schnaps gibt.«, Rose, unsere kleine Alkoholikerin, schüttelte empört den Kopf, als wir in den Aufzug des dritten Clubs, in dem wir heute Abend waren, stiegen und nach oben fuhren.

»Also bei einem Club in Islington sollte man schon Alkohol erwarten.«, auch Mara, Adriks Zwillingsschwester, die sich heute zum ersten Mal seit Ewigkeiten von ihrem Job befreien konnte, stimmte zu.

Seitdem sie die Sekretärin von niemand anderem als Sylvano Di Norcia, dem Architekten dieses Jahrhunderts geworden war. Di Norcia hatte wahrscheinlich den striktesten Dienstplan der Welt und ließ der armen absolut keinen Freiraum für sich selbst oder ihre Familie.

»Wenn der hier keinen vernünftigen Alkohol hat, für den ich keine Niere verkaufen muss, dann weiß ich auch nicht.«, Thea, die zum ersten Mal mit uns feiern gehen durfte, weil sie endlich volljährig war, war bereits Feuer und Flamme, sich zu betrinken.

Hinter ihr stand Yelena, die sich für die Feiertage frei genommen hatte und vorgestern von Dubai nach London geflogen war. Sie war ein sehr stiller, sehr empathischer Mensch. Yelena war als Charakter eine charmante Person, hatte die angenehmste Wortwahl überhaupt und wusste immer die Lösungen für Probleme.

Sie liebte es zwar, mit Menschen zu kommunizieren, welches definitiv ihren Job als Flugbegleiterin erklärte, aber sie mochte es, mehr im Schatten zu stehen und zu träumen oder einfach mal abzuschalten.

Thea und Yelena waren zum Verwechseln ähnlich. Würde man beide nicht vom Charakter kennen, hätte man eine schreckliche Zeit vor sich, während man versuchte, sie voneinander zu unterscheiden, sobald sie einmal nebeneinander standen.

Ich brauchte ein ganzes Jahr, bis ich gelernt hatte, beide auseinanderzuhalten, dennoch hatte ich hin und wieder Schwierigkeiten.

Wir waren zu fünft feiern.

Rose und ich hätten es wie jedes Jahr machen können, nur zu zweit, in kurzen Miniröcken und Tops, die mehr Ausschnitt zeigten als die verdeckten. Dieses Mal beschlossen wir, zu fünft zu gehen, da es zum einen mehr Spaß machte und zum zweiten, es würde immer eine geben, die dafür sorgte, dass wir lebendig und un-vergewaltigt nach Hause kamen.

Zum Erstaunen aller vier Schwestern der Haynes Familie, war es diesmal nicht ich, die auf die Idee gekommen war. Es war Thea.

»Ich weiß es nicht...«, ich zupfte an meinem Minirock und versuchte meine Haare im Spiegel vor uns zu richten. Sie waren durch den Schnee, der gefallen war, als wir durch die Straßen gelaufen waren, durcheinander geraten.

»Lippenstift?«, Rose kramte in ihrer Jackentasche, bevor sie mir einen YSL Lippenstift in die Hand drückte.

»Danke.«, ich schmierte die rote Farbe auf meine Lippen. Anscheinend war sie auch durch den Schnee abgegangen.

Oder waren es doch durch die Martini Gläser, als wir uns bereits bei ihr zu Hause angetrunken hatten? Wahrscheinlich das. 16£ für einen fucking Martini. Ich dachte, ich spinnte.

»Adrik ist hier.«, Rose blickte von ihrem Handy auf und sah mich mit einem fragenden Gesichtsausdruck an.

»Wir müssen — wenn du — willst.«, sie reckte den Kopf, als wir ausstiegen, um nach ihrem Bruder zu sehen.

»WAS??«, durch die Lautsprecher und den Bass hatte ich so gut wie gar nichts verstanden. Es war so laut, dass ich meine eigene Stimme auch nicht hören konnte.

»WIR MÜSSEN NICHT REIN, WENN DU NICHT WILLST.«, schrie sie in mein Ohr. Okay, vielleicht war sie jetzt zu laut.

»NEIN, IST ALLES OKAY. WIR SETZEN UNS EINFACH WOANDERS HIN.«, schrie ich zurück.
Sie nickte und als wir alle in die Menschenmasse traten, wusste ich nicht, ob es eine gute Idee war mitgekommen zu sein.

Ich liebte es, feiern zu gehen, aber es war eiskalt und Menschenmassen waren nicht so mein Ding. Erst Recht nicht, wenn Männer einem von hinten an den Hintern fassten und dann noch die Nummer von einem haben wollten.

Menschen mit roten Haaren waren immer dem Klischee ausgesetzt, dass sie die schüchternen, dann verrücktesten im Bett waren, aber ich konnte nichts bestätigen. Ich war nicht rothaarig genug, als eine Erdbeerblonde, um es zu beweisen.

Außerdem waren meine Haare zu einem Scarlett-Johansson-Blond blondiert, damit ich dem irischen Stereotyp entkommen konnte. Nur meine Augenfarbe konnte ich nicht ändern, also blieb es bei einem Grün.

»Wollt ihr was trinken? Oder zuerst auf die Tanzfläche?«, schrie Mara.
Wir hatten beschlossen, unsere Drinks, die wir kaufen würden, auf drei zu reduzieren, damit wir nicht direkt pleite gehen würden.

»Zuerst auf die Tanzfläche?", Rose deutete auf die Menschen und nahm bereits Yels und Theas Hände, um sie auf die Tanzfläche zu ziehen.
Ich runzelte die Stirn und Mara schürzte ihre Lippen mit einem Nicken.

»Wer will, der geht. Ich bleibe hier und passe auf die Taschen auf.«, rief Mara, wie die große Schwester, die sie war.
Okay.

Dann folgte ich eben Rose und den Zwillingen auf die Tanzfläche.

»Wen haben wir denn da?«, ich erkannte die Stimme nur zu gut, um mich zu täuschen. Und dabei hatte ich sechs Shots und drei Martinis getrunken.

»Das gleiche... kann ich dich auch fragen...«, ich drehte mich um und stieß gegen Adriks Brust. Schwankend hielt ich mich an ihm fest und versuchte nicht umzuknicken.
Es war meine erste Nacht, in der ich wieder Heels trug, nachdem ich diese verdammte Schiene endlich losgeworden bin.

»Du siehst gut aus.«
Bitte was?

Ich sah ihn erschrocken an. Ich war zwar benebelt, aber mein Gehirn machte soweit ich wusste noch sehr gut mit, dass ich mich an dieses Gespräch morgen früh noch erinnern könnte.

»Was hast du gesagt?«, ich trat näher an ihn.
»Ich habe gesagt, dass du gut aussiehst. Betrunken, deine Haare zerzaust. Ein bisschen außer Atem vom Tanzen...«, er sah mich mit halb geöffneten Augen an. Adrik roch nach Alkohol, aber Zigaretten konnte ich nicht ausmachen.

»Ach so. Erwartest du jetzt von mir, dass ich dir auch Komplimente mache?«, ich ließ meine Hand wandern und erreichte seine breiten Schultern, während ich ihm durch die Musik hinweg ins Ohr flüsterte.

»Vielleicht.«, Adrik zog die Luft ein. Oder zog er mein Parfüm ein?

»Um ehrlich zu sein, ich erwarte gar nichts außer einen Kuss kurz nach 0 Uhr.«

Es war kurz vor Mitternacht, natürlich. Was hätte ich erwarten können? Es war so klischeehaft, ich musste beinahe lachen. »Und du konntest dir keine andere klären?«
Adrik lachte, empört, aber auf seinem Gesicht befand sich ein breites Grinsen.

»Ich hätte mir jede in diesem Raum klären können, meine Schwestern zähle ich nicht mit. Aber ich dachte mir, vielleicht starte ich in das neue Jahr mit einem Waffenstillstand mit dir.«

Och.

»Wie schade. Dabei hatte ich mich auf Beef mit dir gefreut. Du bist und bleibst für immer ein Arschloch.«

»Ja? Ich kann auch anders sein.«, plötzlich befanden sich seine Lippen an meinem Hals, als er vorsichtig an der sensitiven Haut knibbelte.

Ich ließ  schweres Atmen von mir. Es war zu lange her.
Zu lange, um es verstecken zu können, dass ich mich nach Berührungen sehnte.

»Das war nicht der Plan. Dass du mich vor 0 Uhr küsst.«, ich drückte ihn ein Stück weg, nicht, weil ich mich belästigt fühle. Ich drückte ihn weg, um Luft zu schnappen, denn was kommen würde, würde für einen Asthmaanfall sorgen.

»Hättest es aber nicht anders gewollt, oder?«, er fasste meine Hüfte. Fest. Ich konnte nicht anders, als mich in seinen Berührungen zu lehnen.
Eine Minute vor Mitternacht.

»Vielleicht war genau das mein Plan gewesen.«, ich packte ihn am Hals und zog ihn zu mir hinunter, sodass unsere Stirnen sich berührten.

»Und jetzt küss mich, bevor ich es mir anders überlege.«

Never Hated You MoreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt