Kapitel 31

120 10 0
                                    


CHERYL

Ich will Erdbeereis. Wo war Erdbeereis?

"Cheryl!", die bekannte Stimme meiner Tante ließ mich aufhorchen.

"Kate!", ich drehte mich um und blickte um mich herum, bis ich die dürre, blonde Dame in ihren späten fünfzigern entdeckte.

Bitte nicht. Kate war die kleine Schwester von Sean und wahrscheinlich der neugierigste Mensch in ganz Irland. Es gab keine einzige Familienfeier, wo sie nicht immer alle Leute, die sie sah, ausfragte, wie das eben doch sei.

"Wie geht es dir?", Kate kam mit ihrem überfüllten Einkaufswagen auf mich zu, während ich immer noch nach Erdbeereis im Gefrierschrank suchte.

"Alles gut, danke. Und selbst?", ich versuchte, mich so kurz wie möglich zu halten, bevor ich noch bis Übermorgen hier stehen würde.

"Suchst du etwa nach Eiscreme?", Kate sah über meine Schulter hinweg mit einem missbilligen Blick.

"Ja...", ich nickte und bereitete mich mental darauf vor, dass gleich Body-Shaming auf Nosy-Aunt-Level kommen würde.

"Aber guck auf deine Figur, liebes Kind, einige Löffel mehr und du könntest als Sumoringerin antreten."

Ich ließ mir meinen Schmerz nicht anmerken und lächelte nur. "Mach dir keine Sorgen, ich passe auf."

Ich als Sumoringer? Ich wog nicht mal die Hälfte eines kleineren Sumoringers, wie konnte sie mich damit vergleichen?

"Hast du alles? Bist du sicher, dass ich dich nicht noch nach Hause begleiten sollte?", Kate und ich standen mittlerweile vor dem Eingang des Supermarktes und ich versuchte schon seit einigen Minuten, sie abzuschütteln.

Ich hatte mir in der letzten Stunde mehrmals Witze über meinen Körper anhören müssen, als sei ein BMI von 25 nicht das normalste auf der Welt. Und um ehrlich zu sein, hatte ich absolut kein Bock mehr.

"Nein, bitte. Kate, ich bin mit dem Auto hier, es ist alles gut.", ich steuerte um die Ecke des Gebäudes, da im vorderen Teil des Parkplatzes alles bereits belegt war.

Ich verabschiedete mich noch ganz nett von Kate und in weniger als einer viertel Stunde konnte ich endlich zum Auto gehen.

Shit.

Mein Puls beschleunigte sich, als ich langsam den Blick vom Boden hob. Ich sah aus und merkte, wie Adrik dort stand, angelehnt an einem schwarzen Auto, die Augen auf mich gerichtet.

Ich könnte schwören, mein Herz war in Millionen Teile geplatzt, da es zu schnell geschlagen hatte. Ich hatte ihn seit vorgestern im Club nicht mehr gesehen und zu erwarten, dass er auf einmal hier, mitten im Nirgenwo im Arschfick Irland auftauchen würde, hätte ich mich nicht getraut.

Meine Sauerstoffzufuhr wurde knapp. Meine Lunge zog sich zusammen wie früher, wenn ich in der Nähe meines Vaters war. Ich konnte eine Panikattacke spüren und wollte mich zu meinem Auto bewegen, aber meine Füße rührten sich nicht.

Adrik konnte nicht hier sein, ich sehe Geister. Ich kniff die Augen zusammen, zählte bis fünf und öffnete sie wieder. Er war immer noch hier.

In Carlow. Vor mir.
Auf dem Parkplatz des Tesco, 20 Minuten von meinem Elternhaus.

Never Hated You MoreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt