17 // Ehekrise

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JJs pov:

Mit einem Glas Gordons mache ich es mir auf der grauen Couch gemütlich. Ashley hat einen Typen entdeckt, den sie hübsch fand und wollte mit ihm ein Gespräch beginnen. Jacob hat endlich den Streit mit seiner Freundin Hazel geklärt, sodass die beiden jetzt miteinander tanzen, was ziemlich lustig aussieht, denn Jacob hat überhaupt kein Taktgefühl.

Die Musik aus den Lautsprechern dröhnt in meinen Ohren und lässt das Glas in meiner Hand vibrieren.

Das Footballteam hat ihr Pokalspiel gewonnen und zieht nun ins Finale ein, deswegen schmeißt einer der Jungs nun eine Party bei sich zu Hause.

Auch meine Freunde und ich sind da, wie eigentlich auf jeder Party. Während Jacob und einige andere Kumpels mit ihren Freundinnen gekommen sind, bin ich allerdings alleine da.

Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen. Beobachte ein paar Leute, wie sie tanzen, lachen oder trinken. Als ich einen Schluck aus meinem Glas nehme, treffen meine Augen auf ein wunderschönes Grün. Spencer sitzt auf dem Sessel vor mir und mustert mich interessiert.

„Heute mal ohne Verehrer?", frage ich belustigt, nachdem ich mich umgeschaut und keinen Typen in ihrer Nähe entdeckt habe.

„So wie du", erwidert sie nur.

Ich seufze. Sie hat recht, Célia wollte nicht mit. Sie meinte, Partys sind nichts für sie.

Zwar stimmt es, sie ist kein Mensch, der gerne unter vielen Leuten ist. Das hat sie mir selbst erzählt. Aber ich glaube, es hat noch einen anderen Grund, weshalb sie nicht hier ist.

Zwischen uns läuft es nicht mehr wirklich gut.

„Es gibt eben wichtigeres, als eine Party", meine ich nur.

„Oh. Armer JJ. Du wurdest versetzt." Spencer wirft mir einen mitleidigen Blick zu, unterdrückt dabei aber sichtlich ein Schmunzeln.

Wieder trinke ich etwas von dem Gin.

„Ist mir egal. Wir sehen uns oft genug", antworte ich ihr.

„Ehekrise?"

„Nein. Es gab schließlich nie eine richtige Beziehung."

Eigentlich wollte ich das nicht sagen. Es geht sie nichts an und dennoch kann ich meine Klappe nicht halten.

„Ich dachte, ihr seid zusammen", meint Spencer verwundert.

„Schon, aber es fühlt sich nicht so an. Wir haben uns erst ein einziges Mal geküsst und da waren wir nicht zusammen. Zur Begrüßung und Abschied umarmen wir uns und ab und zu halten wir Händchen, das war's aber auch schon wieder. Wir reden nicht mal wirklich viel. Wenn wir uns treffen, führen wir zwar immer eine Unterhaltung, aber die ist meistens nur oberflächlich oder einseitig", erkläre ich.

„Vielleicht solltest du mit ihr darüber sprechen und nicht mit mir."

Spencer nimmt ihre Cola vom Glastisch zwischen uns und trinkt daraus.

„Ich will nicht, dass sie traurig ist. Wir sind noch nicht lange zusammen und vielleicht sieht sie es anders als ich."

„JJ, du solltest wirklich mit ihr reden."

„Ich glaube, Beziehungen sind nichts für mich. Wir sehen uns jeden Tag in der Schule und auch danach machen wir viel zusammen, eigentlich bin ich also ganz froh, mal etwas Pause von ihr zu haben. Nicht, dass sie mich nerven würde, es ist nur immer etwas komisch zwischen uns."

„Dann sag ihr das doch. Sie wird es nicht so schlimm finden, mal etwas Abstand zu halten. Das gehört doch auch zu einer gesunden Beziehung dazu."

Ich gehe gar nicht darauf ein, sondern erzähle einfach weiter, was gerade in meinem Kopf vorgeht: „Célia spricht viel von ihrem Leben in Frankreich und der Trennung ihrer Eltern. Ich hingegen habe ihr noch kaum etwas über meine Familie erzählt. Sie weiß, dass ich sowohl ältere als auch jüngere Geschwister habe und wo ich wohne weiß sie auch, weil wir einmal an unserem Haus vorbeigefahren sind, um zu einer Pizzeria zu kommen. Mehr kennt sie nicht, aber es scheint sie auch nicht zu stören."

„Du solltest mir das nicht erzählen. Ich bin nicht deine Therapeutin. Versuch einfach mit ihr zu reden, das wird sie schon verstehen."

Leider muss ich Spencer recht geben. Sie ist weder meine Therapeutin noch eine Freundin. Es geht sie nichts an, was in meinem Leben passiert und wie es mir geht. Warum also kann ich nicht einfach leise sein? Warum musste ich ihr das erzählen?

„Ich hole mir was zu trinken", teile ich Spencer mit und stehe von der Couch auf.

Wenn ich weiter bei ihr sitze, erzähle ich ihr nur noch mehr Dinge, die sie nichts angehen.

Nachdem ich etwas von dem Sekt getrunken und mich ein wenig mit Ray über unser kommendes Match unterhalten habe, begebe ich mich wieder ins Wohnzimmer.

Spencer kann ich nicht mehr sehen, allerdings ist das auch gut so, wer weiß, was ich ihr sonst noch alles erzählt hätte.

Nach einer Weile kommt Ashley zu mir. Sie setzt sich neben mich und legt ihren Kopf auf meine Schulter.

„Alles in Ordnung?", will ich besorgt wissen.

„Jerry, können wir gehen?", fragt sie, ohne auf meine Frage einzugehen.

„Was ist mit deinem Lover?"

Sie hebt ihren Kopf, schaut mich traurig an, dann nickt sie Richtung Buffet, welches aus einem großen, mit Drinks und Snacks beschmückten Tisch besteht. An der Wand daneben befindet sich ein wild knutschendes Pärchen.

Ich verdrehe die Augen. „Was für ein Idiot. Sei froh, dass du ihn nicht mehr an der Backe hast."

„Aber er war so nett", jammert sie.

„Man kann sich eben auch verstellen."

Ash beißt sich auf die Unterlippe, wirft ihm noch einen letzten traurigen Blick zu, bevor sie wieder ihr selbstsicheres Grinsen aufsetzt und aufsteht.

„Ist mir egal. Er soll in der Hölle verrottet. Es gibt noch andere hübsch und nette Jungs. Also, gehen wir jetzt?"

Sie hält mir ihre Hand hin und zieht mich auf die Beine.

„Du musst aber fahren. Oder wir laufen. Ich habe zu viel getrunken", teile ich ihr mit.

„Dein Ernst? Du wolltest nichts trinken!", meint sie vorwurfsvoll.

Ich kann sie verstehen. Eigentlich hatte ich gesagt, ich trinke kein Alkohol. Aber als Célia mich dann angerufen hat, um mir zu sagen, dass sie nicht kommt. Ging es einfach nicht anders. Ich musste irgendwie die schlechten Gefühle vertreiben. Also habe ich getrunken.

„Du kennst mich doch."

Das schwarzhaarige Mädchen boxt mir gegen den Arm, geht dann jedoch seufzend zum Ausgang.

„Wo ist Miles?", frage ich, in der Hoffnung, sie würde es wissen.

Aber das tut sie nicht.

„Du gehst ihn suchen, ich gehe aufs Klo", entscheide ich also.

Genervt stöhnt sie auf. „Meinetwegen. Aber beeil dich gefälligst! Ich will schlafen gehen."

„Natürlich Prinzessin."

Damit begebe ich mich zum Badezimmer, während Ashley meinen Bruder im Getümmel sucht.

Ein wenig später warte ich vor dem Haus auf die beiden. Doch statt Ashley und Miles kommt plötzlich Spencer die Treppe heruntergelaufen. Sie scheint ebenfalls gehen zu wollen. Zumindest hat sie ihre graue Jacke übergezogen und die Handtasche umgehängt.

„Wie kommst du nach Hause?", frage ich sie.

Ich weiß ganz genau, dass sie kein Auto hat und laufen wird und dennoch frage ich sie, denn ich möchte nicht, dass sie alleine im Dunkeln draußen herumläuft. Vor allem nicht dort, wo sie wohnt.

„So wie immer", ist ihre schlichte Antwort.

„Wir nehmen dich mit", lege ich fest.

„Kein Bedarf. Ich habe zwei gesunde Füße."

Ich mache einen Schritt auf sie zu.

„Du gehst nicht alleine durch die Straßen."

„Aber mit dir?"

Nun ist sie es, die näher an mich herantritt.

„Natürlich. Wer weiß, was dort für Typen sind. Und wie bereits gesagt, ich lasse nicht zu, dass dich jemand vergewaltigt."

Sie verschränkt ihre Arme vor der Brust, was mich schlucken lässt. Denn leider ist ihr Ausschnitt jetzt noch viel besser zu sehen als ohnehin schon.

Kurz verweilt mein Blick an genau dieser Stelle, schließlich kann ich mich aber davon losreißen und ihr wieder in die Augen schauen, was auch nicht viel besser ist. Dieses Grün macht mich wirklich verrückt. Wie konnte mir das vorher nie aufgefallen sein? Ich wusste immer, was sie für eine Augenfarbe hat, aber bevor wir uns näher gekommen sind, habe ich nicht wirklich darauf geachtet, wie schön sie überhaupt sind.

„Was ist?", wispert sie.

Mein Herz fängt an, höher zu schlagen, als ihr warmer Atem auf meine Lippen trifft.

Mir ist nicht aufgefallen, wie nah wir uns gerade sind.

Ich blicke auf ihre zarten Lippen runter und wünsche mir nichts sehnlicher, als sie auf meinen zu spüren.

Meine Hand legt sich an ihre Wange und zieht sie vorsichtig noch näher an mein Gesicht.

Ohne groß darüber nachzudenken, küsse ich sie. Und sie erwidert es, dabei ist diesmal keiner von uns betrunken. Wir sind beide vollkommen nüchtern.

Fast nüchtern. Ein paar Gläser Alkohol habe ich intus, aber nicht so viel, dass ich nicht mehr klar denken könnte.

Plötzlich drückt mich Spencer an meiner Brust von sich weg. Atemlos mustere ich sie.

„Du hast eine Freundin, JJ."

Erst jetzt merke ich, was hier passiert ist. Ich habe sie geküsst - schon wieder. Nur diesmal habe ich nicht nur mich selbst, sondern auch Célia betrogen.

„Fuck", fluche ich vor mich hin.

Ich raufe mir die Haare.

„Fuck! Wie konnte das passieren? Das ist nie geschehen! Wir haben uns nie geküsst. Sag ihr nichts davon, das weiß keiner."

Verzweifelt blicke ich mich um und hoffe, dass niemand etwas mitbekommen hat.

„Wenn du es ihr sagst, tue ich es nicht", meint Spencer.

Etwas irritiert schaue ich ihr wieder in die Augen.

„Ich mag sie nicht, aber ich will auch nicht, dass mir so etwas passiert. Sagst du ihr nichts, werde ich es also tun."

Wie sollte ich Célia bitte sagen, was gerade passiert ist? Auch wenn wir uns nicht mehr so nahe stehen, wie zu Beginn, das würde sie nicht verkraften.

Ich schüttel' den Kopf. „Das kann ich nicht. Sie wird mich hassen."

„Lieber du sagst es ihr und sie ist traurig, als dass sie es anders herausfindet und dich wirklich hasst. Außerdem, stell dir doch mal vor, eine deiner Schwestern hat mal einen Freund, der sowas macht. Würdest du wollen, dass sie von anderen Leuten davon erfahren?"

Wieder schüttel' ich den Kopf, diesmal allerdings, um ihr zuzustimmen.

Niemals würde ich zulassen, dass May, Rosalie oder Jayda so etwas passiert. Das wäre ein Alptraum.

Bevor ich jedoch antworten kann, kommt Ashley mit Miles im Schlepptau aus dem vollen Haus zu uns gelaufen.

„Was macht die denn hier?" Meine beste Freundin mustert Spencer mit einem abfälligen Blick.

„Wir bringen sie nach Hause", teile ich ihr mit.

„Warum das denn?"

„Weil es schon spät und dunkel ist und wir nicht wissen, was hier für Leute sind."

Ash seufzt, lässt sich dann von mir den Schlüssel geben und steigt in mein Auto. Da ich auf dem Beifahrersitz Platz nehme, müssen Miles und Spencer nach hinten. Ich teile Ashley noch mit, wo sie hinfahren soll, dann geht die schweigende und schlechtgelaunte Fahrt los.

But all I want is youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt