30 // Suspendiert

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JJs pov:

Jacob und ich betreten das Schulgebäude, um in den Unterricht zu gehen. Der Joint hat uns motiviert weiterzumachen, weshalb wir uns nun auf den Weg gemacht haben.

„Wo haben wir eigentlich Unterricht?“, will Jacob wissen.

Seine Stimme klingt laut und dennoch weit entfernt.

„Schrei mich doch nicht so an!“, beschwere ich mich.

„Hab ich doch gar nicht.“

„Keine Ahnung, wo wir hin müssen. Lass mal deinen Vater fragen“, schlage ich vor, während ich auf Jacobs Dad zeige, der gerade aus dem Sekretariat kommt.

Weil mein Kumpel nickt, laufen wir zu seinem Vater.

„Hallo Rob“, begrüße ich den Schulleiter.

„Was macht ihr denn hier? Ihr solltet im Unterricht sein.“

„Da wollten wir hin, aber wir wissen den Raum nicht“, erklärt Jacob seinem Vater.

Dieser wirft einen Blick auf seine Uhr und schüttelt verständnislos den Kopf.

„Ihr seid eine halbe Stunde zu spät. Und ihr riecht nach Drogen. Jungs, was habt ihr zu euch genommen?“

„Nichts. Wir haben nur einen Joint geraucht.“

„Jacob, hatten wir gestern nicht schon genug Ärger? Ihr zwei kommt jetzt erstmal in mein Büro. Das kann so nicht weiter gehen.“

Wir folgen Robert und setzen uns vor seinem Schreibtisch auf die Stühle.

Ich beobachte ihn dabei, wie er ein paar Zahlen auf dem Telefon eintippt und sich dann den Hörer ans Ohr hält.

„Hallo Paul… ja leider… mmh... sehr gut, dann bis gleich.“ Vermutlich hat er mit meinem Vater telefoniert.

Der wird nicht erfreut sein, schließlich hatte er frei und muss jetzt meinetwegen hier herkommen.

Tja, wären er und Mom die letzten Wochen da gewesen, wäre es mit Sicherheit nicht so gekommen.

Jacobs Vater unterbricht meine Gedanken, indem er anfängt zu sprechen: „So Jungs und jetzt erklärt mir mal, was das soll. Gestern habt ihr geschwänzt und Alkohol getrunken und heute seid ihr wieder nicht im Unterricht und nehmt stattdessen Drogen zu euch.“

„Was sollen wir denn hier machen?“, beschwert sich Jacob.

„Lernen zum Beispiel.“

„Wir gehen im Sommer sowieso weg.“

„Das steht noch nicht fest. Aber wenn ihr euch weiter so benehmt, geht ihr sicherlich nicht. Ich weiß nicht, ob es euch klar ist, aber das wird in euren Schulakten stehen. So was macht sich nicht gut an anderen Schulen.“

„Dad, du musst das doch nicht aufschreiben.“

„So sind nun mal die Regeln. Nur weil du mein Sohn bist, oder wir mit JJs Familie befreundet sind, heißt das nicht, dass ihr deshalb Vorteile habt.“

„Also werden wir sowieso nicht nach Minnesota gehen“, murmel ich vor mich hin.

„Ein Eintrag wird nicht schlimm sein, ihr solltet aber nicht noch einen bekommen, dann werden sie euch bestimmt nicht nehmen. Ich denke-“, Robert wird von einem Klopfen an der Tür unterbrochen.

„Herein.“

***

„Du musst mir jetzt nicht sagen, weshalb ihr das gemacht habt, aber versprech mir, dass du nächstes Mal zu mir oder deiner Mom kommst und mit einem von uns sprichst. Ich möchte nicht, dass das nochmal passiert. Du zerstörst dir damit doch dein ganzes Leben.“

Mit vor der Brust verschränkten Armen starre ich aus dem Fenster, während mein Vater aus dem Schulparkplatz herausfährt.

„Hast du schon öfter Drogen genommen?“, will er jetzt wissen.

„Nein“, kommt eine kurze Antwort meinerseits.

„Dann sollte es auch dabei bleiben. Du machst dir damit doch alles kaputt. Ich mein, schau dir Mays und Rosalies Mutter an.“

Ich muss an die Frau denken, die beim Jugendamt neben mir saß und so wirkte, als wäre es ihr egal, dass ihre Töchter nicht mehr bei ihr wohnen dürften.

Sie hat May sehr früh bekommen und hatte damals schon Depressionen. Als sie dann mit Rosalie schwanger war, hat ihr Mann sie verlassen und sie fing an, Drogen zu nehmen. Das Jugendamt wurde schnell auf sie aufmerksam, da May häufig nicht in die Schule kam oder total vernachlässigt aussah.

Meine Eltern hatten drei Jahre zuvor meine Brüder und mich adoptiert und als sie über eine Bekannte von May und Rosalie mitbekamen, entschieden sie sich dazu, auch den beiden ein besseres Leben zu schenken.

Bei den ersten Jugendamt-Besuchen war Rosie noch nicht auf der Welt. An einem Tag bekamen wir jedoch die Nachricht, dass es so weit ist und meine Eltern sollten ins Krankenhaus kommen. Nachdem die Kleine da war, sind unsere Großeltern mit uns ins Krankenhaus gefahren, wo wir unsere neue Schwester begrüßten.

Seitdem leben May und Rosie bei uns und ihre Mutter hat sich kein einziges Mal gemeldet, obwohl sie die Chance dazu gehabt hätte.

„Tut mir leid“, murmel ich leise vor mich hin.

„Jeder macht mal Fehler. Ich möchte nur nicht, dass du die gleichen begehst, wie ich.“

Jetzt hat mein Dad meine volle Aufmerksamkeit.

„Ich war auch mal jung“, meint er schmunzelnd, als ich ihn verwirrt anschaue.

„Das heißt?“

„Oh, ich habe so einiges falsch gemacht. Aber daraus lernt man ja. Und später sind wir dafür da, unsere Kinder davor zu bewahren. Sollte es nicht funktionieren, müssen sie diese Erfahrungen eben selbst machen. Das ist meiner Meinung nach sowieso der beste Weg, deine Mutter sieht das allerdings etwas anders.“

„Wirst du ihr sagen, was passiert ist?“, will ich nun wissen.

„Ich befürchte da kommen wir nicht drumherum. Du wurdest von der Schule suspendiert. Wie willst du ihr das sonst erklären, wenn nicht mit der Wahrheit?“

„Ich bin bis Freitag einfach krank“, schlage ich vor.

„Damit kommst du nicht durch.“

„Sie wird enttäuscht sein.“

„Damit musst du leben. Ich bin auch enttäuscht. Aber nicht, weil du Drogen genommen hast oder momentan nur Scheiße baust, sondern weil du nicht mit mir geredet hast. Eltern sind da, um ihnen zu vertrauen. Und wenn dir das nicht reicht, hast du doch tolle Freunde, mit denen du reden kannst.“

Seufzend nicke ich, bevor ich den Rest der Fahrt schweigend aus dem Fenster starre.

Mein Dad hat recht. Bisher konnte ich meinen Eltern immer vertrauen. Ich erzähle ihnen vielleicht nicht immer alles, aber sie waren immer für mich da und das sollte ich ihnen zurückgeben.

But all I want is youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt