Auch Torsten Eberl, den Al-Marzouki direkt ansprach, ahnte, dass die Libyer neben den wirtschaftlichen Forderungen noch ein weiteres „Anliegen" hatten, und genau so kam es auch.
„Leider hat die Bundesregierung entgegen ihrem Versprechen einen unserer Wünsche nicht berücksichtigt," beschwerte sich der libysche Oberstleutnant. „Vorgestern sind zwei unserer Studenten in Frankfurt ausgewiesen und kurzerhand ins Flugzeug gesetzt worden. Wir wissen, dass inzwischen mehr als tausend Araber ausgewiesen wurden, aber Sie hatten zugesagt, Libyer würden davon ausgenommen."
„Dabei kann es sich nur um ein Versehen handeln," antwortete Torsten Eberl kleinlaut, fügte aber mit fester Stimme an, „Ich werde mich informieren, und wenn die beiden Studenten keine Straftaten begangen haben, werden sie wieder einreisen können. Dafür werde ich sorgen."
Tom musste schmunzeln. Allmählich fand sich Torsten in seine Rolle hinein. Auch der Staatschef bemerkte seine Wandlung:
„Das ist ein Wort. Wollen Sie die beiden nicht gleich mitnehmen, wenn Sie nach Hause fliegen?"
Torsten musste einen Moment nachdenken, bis ihm die passende Ausrede einfiel:
„So viel Platz ist leider in unserem Flugzeug nicht."
„Dann besorgen Sie doch ein größeres."
„Ich sehe zu, was ich tun kann."
„Gut. Sagen Sie Oberstleutnant Al-Marzouki Bescheid, falls es klappen sollte. Er sorgt dafür, dass die beiden Männer rechtzeitig am Flughafen sind. Wann fliegen Sie?"
„Wir wollten morgen früh zurückfliegen, aber ich weiß nicht, ob wir bis dahin ein größeres Flugzeug bekommen."
„Das schaffen Sie schon."
Gaddafi beendete den offiziellen Teil, indem er aufstand und Tom, Nikos und Phil ins Büro bat. Torsten und Klaus nutzten die Gelegenheit, mit Jalloud und Al-Marzouki über Familie und Heimat zu plaudern, wie sie es von den anderen gelernt hatten.
Im Büro lachte Gaddafi seine drei Lieblingsmajore an:
„Wie hat Euch Damaskus gefallen? Ihr seid ja ein bisschen länger geblieben."
„Damskus ist eine tolle Stadt," schwärmte Phil. „Aber Ihr hättet uns sagen können, dass Ihr den Syrern Geschichten über uns erzählt habt. Wir waren ziemlich perplex, als uns ein General vom Militärgeheimdienst zu Zigarren eingeladen hat und so einiges über uns wusste."
„War er sehr neugierig?"
„Er hat sich nach unseren Geschäftsbedingungen erkundigt," bestätigte Phil.
„Ein neuer Kunde?" lachte Gaddafi. „Ich dachte mir sowas. Zypern liegt bei denen direkt vor der Haustür. Also beschwer Dich nicht, Phil. Ist doch gut, wenn Ihr denen auch was verkaufen könnt."
„Ich weiß noch nicht, ob wir das tun. Ich verstehe allerdings die Sorgen der Syrer, falls es wirklich zum Krieg zwischen Griechenland und der Türkei kommt."
„Sie haben die Befürchtung, dass ein Krieg an der westlichen Front die Kurden im Osten der Türkei ermutigen würde, einen weiteren Aufstand zu veranstalten. Die türkischen Kurden wollen einen eigenen Staat, und ihre syrischen Brüder würden da sicher gerne dazugehören. Wenn ich Assad wäre, würde ich mir die Kurden zu Verbündeten machen, sonst kriegt er mit denen in seinem eigenen Land Ärger, und das kann er nicht gebrauchen." Er wechselte abrupt das Thema. „Phil, ich finde, Du solltest Amira so bald wie möglich wiedersehen. Kommst Du am 15. Oktober auch mit? Tom und Klaus werden ja ohnehin herkommen."
„Dann müsste ich schon wieder die Schule schwänzen," gab Phil zu bedenken. Gaddafi ließ diesen Einwand nicht gelten:
„Einen einzigen Tag, wenn Ihr Euch bei den Verhandlungen genügend einsetzt. Die Gespräche sind am Sonntag. Ihr solltet Samstag anreisen und könnt Montag wieder zurückfliegen, vorausgesetzt, die Verhandlungen sind bis dahin zu einem Abschluss gekommen."
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Die richtigen Leute Band 8: 6.000 Jungs wie Ihr
Historical FictionIn „6.000 Jungs wie Ihr", dem 8. Band meiner Reihe „Die richtigen Leute", geht es um die Vorbereitung und Durchführung einer vorgetäuschten Flugzeugentführung, die dazu dient, die überlebenden palästinensischen Attentäter des Anschlags auf die Olymp...