Während sich Tom und Phil umzogen, trudelten Spiros, Khaled und Ahmed ein. Spiros hatte für den Abend auch Stavros und Tareq eingeladen und bei Halim ein Festessen in Auftrag gegeben.
„Und Amira? Weißt Du, wann sie kommt?" fragte ihn Phil.
„Sie ist bestimmt schon da, wenn Ihr von Gaddafi zurückkommt. Im Moment hat sie noch an der Uni zu tun. Verratet Ihr mir, was Ihr schon wieder hier macht?"
„Wir sind nur die Dienstboten," versetzte Phil. „Unsere Chefs wohnen im besten Hotel am Platz, aber ein gewisser Hauptmann Hassan meinte, wir als Dienstboten dürften da nicht wohnen und noch nicht mal an dem Abendessen teilnehmen. Worüber ich so sauer bin, dass ich ihm Prügel angekündigt habe."
„Wirst Du jemals erwachsen?" lachte Spiros.
„Bestimmt, irgendwann einmal."
Die Fahrt zu dem riesigen Militärgelände am Westrand der Stadt dauerte nur wenige Minuten. Muhammed fuhr an dem „Palast" vorbei und steuerte in einem ansonsten brach liegenden Teil des umzäunten Komplexes ein großes Zelt an.
„Da sind ja meine Inkognito-Majore," lachte Gaddafi.
„Du müsstest ihn," Phil zeigte auf Tom, „mal in dieser lächerlichen grauen Bundeswehr-Ausgehuniform sehen."
„Ziehst Du die morgen an?" fragte der Vorsitzende Tom.
„Nein, wir reisen alle zivil."
„Schade. Ich kann's mir so gar nicht vorstellen."
Al-Marzouki, neben Jalloud der einzige Anwesende, sprach den großen strittigen Punkt ihrer Verhandlungen nur kurz an. Man würde sich sicher einigen, meinte er, Hauptsache, der libysche Staat hielte die Mehrheit. Tom war gespannt, ob Torsten über Nacht eine durchsetzbare Lösung einfallen würde.
„Das besprecht Ihr dann morgen," meinte Gaddafi. „Es gibt einen anderen Grund, warum ich Euch hergebeten habe. Mansour, geh mal zu den Deutschen ins Hotel."
Er wischte Al-Marzouki mit einer lässigen Bewegung der linken Hand aus dem Zelt, während eine Ordonnanz Tee und Tellerchen mit Nüssen, Mandeln, Datteln und türkischem Honig brachte.
„Wir wollten mit Euch eine Frage diskutieren, die uns im Moment sehr beschäftigt," eröffnete Gaddafi die Diskussion. „Es geht um unsere Zusammenarbeit mit der Sowjetunion. Ihr wisst ja, dass wir bei der Ausrüstung unserer Armee keine große Auswahl an Lieferanten haben. Fast alle Waffenhersteller sitzen in der NATO und in der Sowjetunion. Die in der NATO beliefern uns nicht mehr, und die anderen stellen politische Forderungen.
Nicht nur, dass die Russen uns Dollars für ihre Rüstungsgüter abknöpfen. Sie verlangen auch, dass wir Libyen ihrem System angleichen und vor allem dem Islam und seinen Repräsentanten keinen Einfluss in politischen Dingen zubilligen. Und sie wollen wie in Syrien einen Marinestützpunkt haben, den Assad ihnen gerade gegeben hat. Mich würde Eure Meinung interessieren, ob oder wie weit wir ihren Wünschen folgen sollten."
Tom hatte eine Nachfrage:
„Die Russen sind in einer bequemen Verhandlungsposition. Sie wissen, dass Ihr kaum Alternativen zu den sowjetischen Waffen habt. Wenn Ihr ihren politischen Forderungen nicht oder nicht weit genug nachkommt, werden dann nur die Waffen teurer oder würden sie Euch gar nicht mehr beliefern?"
„Das ist nicht nur eine Frage des Preises," antwortete Jalloud. „Die Sowjetunion hat ein Interesse daran, dass der Islam nicht zu viel Einfluss bekommt. Sie wollen die vielen Muslime in ihrem Herrschaftsgebiet nicht ermuntern, womöglich auch Forderungen zu stellen. Das sehen wir in Libyen nicht viel anders, denn bestimmte islamische Strömungen bekämpfen unseren Politikansatz, der den wirtschaftlichen Reichtum gleichmäßig in der Bevölkerung verteilen will, so wie das die Kommunisten in Moskau ja auch wollen."
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Die richtigen Leute Band 8: 6.000 Jungs wie Ihr
Historical FictionIn „6.000 Jungs wie Ihr", dem 8. Band meiner Reihe „Die richtigen Leute", geht es um die Vorbereitung und Durchführung einer vorgetäuschten Flugzeugentführung, die dazu dient, die überlebenden palästinensischen Attentäter des Anschlags auf die Olymp...