27 Tag X minus 1

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Die drei Tage bis zu Phils Ankunft am Freitag waren eine Achterbahnfahrt. Es gab Stunden, in denen die Telefone pausenlos klingelten, weil technische Probleme oder Kompetenzen zu klären waren. Dann wieder hatten die Mitglieder des „Stabes für besondere Aufgaben" stundenlang Zeit, alle möglichen Szenarios durchzuspielen.

Klaus' Büro wurde von zwei Technikern aufgerüstet, die eine Kommandozentrale mit Telefonen, Fernseher und Wanduhr aufbauten. Ein Funkgerät sollte im Fall der Fälle die Verbindung zum Kanzleramt und zu den Zentralen der deutschen Geheimdienste aufrechterhalten. Vier Feldbetten nebst Kissen und Decken wurden gebracht, von denen sie drei in Toms Dienstzimmer aufstellten.

„Den General stecken wir in Torstens Büro, da stört er nicht so," meinte Klaus.

Pünktlich um sieben Uhr am Freitag landete die Maschine aus London mit Phil und Hamit. Die Fahrt von der Wahner Heide zum Hardtberg dauerte fast eine Stunde, aber das war entschieden zu kurz, um alle wichtigen Informationen auszutauschen. Im Besprechungszimmer des Stabes versammelte sich die ganz große Runde – Kanzleramtsminister Motte, der Politiker Bilski, der MAD-Chef, Klaus, Torsten, Manfred, Tom, Nikos, Phil und Hamit. Der MAD-Chef begrüßte Hamit sehr förmlich in amerikanisch angehauchtem, flüssigem Englisch:

„Ich danke Ihnen, dass Sie uns unterstützen. Ich muss Sie darauf hinweisen, dass Sie ab sofort zur strengsten Geheimhaltung verpflichtet sind. Und zwar, egal wo Sie sind. Und glauben Sie bitte nicht, dass wir eine Zuwiderhandlung hinnehmen würden, auch egal wo Sie sind. Sind Sie damit einverstanden?"

„Selbstverständlich, Herr General," antwortete Hamit, der in keinster Weise eingeschüchtert wirkte.

Der MAD-Chef erteilte Klaus das Wort:

„Klaus wird jetzt noch einmal die genauen Aufgabengebiete jedes Einzelnen umreißen und Sie vor allem instruieren, wen Sie wie in einem Notfall erreichen können. Bitte, Major."

Zum ersten Mal in der langen Zeit, die sie jetzt schon mit dieser Aufgabe beschäftigt waren, merkte Tom, wie sich eine gewisse nervöse Anspannung ausbreitete. In den nächsten beiden Tagen würden sie die Schaltstellen in einem großen Getriebe darstellen. Wenn sie es nicht schafften, die Maschinerie am Laufen zu halten, könnte das Leben der Flugzeuginsassen auf dem Spiel stehen, von all den anderen Konsequenzen ganz zu schweigen.

Klaus enthüllte eine große Schemazeichnung an der Pinnwand und erläuterte jedem seinen Posten, wobei er allerdings niemandem eine Neuigkeit mitteilte. Dann gingen sie die ganze Aktion Schritt für Schritt noch einmal durch, angefangen vom Boarding der angeblichen Passagiere in Beirut bis hin zur Landung in Tripolis.

„Hat noch jemand eine Frage oder eine Anregung?" fragte der Kanzleramtsminister abschließend. Alle schüttelten den Kopf, aber dann hob Hamit zögerlich die Hand und sagte, als ihm der MAD-Chef zunickte:

„Tom hat uns in London in den letzten Tagen auf dem Laufenden gehalten. Wenn ich richtig verstehe, was er angedeutet hat, sehen Sie den größten Unsicherheitsfaktor im Verhalten der bayerischen Behörden. Haben Sie einen Plan B für den Fall, dass es dort Verzögerungen gibt? Der Zeitplan ist ja ziemlich eng, Verzögerungen würden ihn gefährden, richtig?"

Im Stab hatten sie genau diesen Punkt immer wieder diskutiert. Die Politiker hatten sie immer mit dem Argument beruhigt, das sie nun wiederholten, nämlich dass die Bayern es nicht riskieren würden, die ganze Aktion platzen zu lassen. Hamit war mit dieser Antwort nicht wirklich zufrieden, und er hatte noch einige Schritte weiter gedacht:

„Ich habe mich gefragt, was ich tun würde, wenn ich einer der Flugzeugentführer wäre. Phil hat mir viel über die Mentalität der Palästinenser erzählt, die er in den Lagern kennengelernt hat. Nun ist es doch so, dass die entführte Maschine nicht in Deutschland landen darf und stattdessen nach Zagreb fliegt, wohin die München-Attentäter mit einem anderen Flugzeug gebracht werden. Wenn ich das Kommando über die entführte Maschine hätte, würde ich nicht vor dem Flugzeug mit den Attentätern in Zagreb landen. Dazu habe ich erst mal eine technische Frage: Die „Kiel" fliegt von Zypern nach München und kehrt dann um nach Zagreb. Wie lange könnte sie danach noch in der Luft bleiben, ich meine, vom Sprit her gesehen?"

Die richtigen Leute Band 8: 6.000 Jungs wie IhrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt