„Was spielen wir?" fragte Ronnie, der beschloss, seine zwei Stunden Ausgang fingen in Wirklichkeit erst jetzt an. Einige irische Standards dienten dem Aufwärmen.
„Ich hätte Lust, mal wieder „Maggie May" zu singen," sagte der Profi, der anerkennen musste, dass die Straßenmusiker ihr Geschäft beherrschten und vor allem perfekt aufeinander eingespielt waren. Dass Phil mit dem schwierigen Instrument so gut umgehen konnte, beeindruckte ihn nicht minder.
„Sowas singst Du? Hätte ich nicht gedacht," sagte Mitch.
„Nur in Griechenland und in der Badewanne," grinste Ronnie. „Aber das ist ein schönes Lied, genauso wie „Reason to believe". Habt Ihr das drauf?"
Sie spielten beide Stücke einmal durch, und dann tüftelten sie auf Ronnies Anstoß hin ein Arrangement aus, das wie seinerzeit auf dem Schiff orientalische Versatzstücke bekam, die Phil improvisierte. Im Nu war es vier Uhr, und Ronnie machte sich schuldbewusst von dannen. Zeit, ein paar Dinge zu besprechen, fanden Mitch und Mike.
„Wir hätten da ein paar Fragen," meinte Mitch.
„Okay," versuchte Phil die Sache abzukürzen, „wir gehören zum griechischen Widerstand. Ihr wisst von der Militärdiktatur?"
„Nein, wir kommen gerade vom Mars und haben uns noch nicht so umgesehen. Mann, hier werden auch schon Zeitungen gedruckt."
„Gut. Wir nehmen ungewöhnliche Aufträge an, gegen Bezahlung, und das Geld geht an den Widerstand. Wir waren hier, um Woody eine Nachricht zu bringen. Und was Ronnie angeht: Freunde von uns haben ihn mal bei einem Konzert kennengelernt, und wir haben in Griechenland schon mal zusammen gespielt."
Mitch und Mike grinsten sich an.
„Okay, das klingt zwar abenteuerlich, aber ich glaube Dir," befand Mitch. „Ihr kommt wie uralte Kumpel rüber, Ronnie und Du. Das mit den Aufträgen ist irgendwie, wie soll ich sagen, schräg. Ich meine, wer schickt Euch mit einer Nachricht für einen Drogendealer extra von London nach Dublin?"
„Wieso Drogendealer?"
„Verarsch mich nicht. Der hat auf der Party erst seine Joints rumgehen lassen und dann dem Hausherrn ein halbes Kilo verkauft. Von dem wir übrigens ein paar Gramm hier haben," sagte Mitch und gab Mike die Streichholzschachtel mit dem Haschisch. „Dreh mal einen ein. Also?"
Phil vermutete, der Ire würde nicht lockerlassen, und er ahnte auch, warum. Auch diese beiden hatten das eine oder andere Geheimnis. Er wagte einen Schuss ins Blaue:
„Ich weiß, das mit den Aufträgen hört sich abwegig an. Wir machen das seit ein paar Jahren. Wir sind ungefähr 30 Leute in verschiedenen Ländern. Wir führen Geheimaufträge aus. Ich werde Euch eine Sache verraten, die Ihr überprüfen könnt. Ihr habt ja direkten Kontakt mit der IRA in Derry."
Mike fiel vor Schreck die Tabak-Haschisch-Mischung auf den Tisch.
„Verdammt, jetzt rauchen wir gleich Staub," fluchte er.
„Welchen Kontakt nach Derry?" fragte Mitch.
„Ihr gehört beide zur IRA," schaltete sich Hamit ein. „Deine Eltern auch. Ich habe die Bücher im Esszimmer gesehen. Und da hinten, auf dem Regal hinter den Fahrrädern, auf dem Bild, das ist ein Verwandter von Dir. Ein Kämpfer. Ihr beiden kämpft nicht, aber Ihr gehört auch nicht zu denen, die sich nur hinsetzen und jammern. Ihr arbeitet für die IRA. Ihr seid so wie Phil und ich - Ihr wollt mitmachen. Auch wegen dem Mann auf dem Bild."
Mike und Mitch starrten ihn stumm an.
„Ich mache Euch einen Vorschlag," sagte Phil. „Ihr erzählt uns, was Ihr für die IRA macht, und ich erzähle Euch, was wir für die IRA machen. Für die arbeiten wir nämlich manchmal auch."
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Die richtigen Leute Band 8: 6.000 Jungs wie Ihr
Historical FictionIn „6.000 Jungs wie Ihr", dem 8. Band meiner Reihe „Die richtigen Leute", geht es um die Vorbereitung und Durchführung einer vorgetäuschten Flugzeugentführung, die dazu dient, die überlebenden palästinensischen Attentäter des Anschlags auf die Olymp...