Der Einzige, der an diesem Morgen einen Wecker brauchte, war der General. Alle anderen hatten gar nicht geschlafen. Der Wachhabende des Militärflughafens Al-Adam beendete um drei Uhr in der Frühe die Party im Hangar, wo Tom und seine Freunde zur Musik der Männer aus Niger tanzten, aber zum Schlafen waren sie zu aufgekratzt. In der Unterkunft redeten sie weiter, bis es Zeit für das Frühstück war.
„Oh, die Krieger sind müde," spottete Stavros, als sie sich an Bord der Noratlas quälten. Kaum hatten sie abgehoben, als sich die jungen Männer auf dem vibrierenden Metallboden ausstreckten und nach wenigen Minuten alle schliefen. Der MAD-Chef saß als einziger verloren auf einem Klappsitz an der Bordwand und betrachtete die Wüste.
Stavros erbarmte sich und bat ihn ins Cockpit, wo der Platz des Navigators unbesetzt war. In den drei Stunden bis nach Tripolis erfuhr der General eine Menge über die Verhältnisse in Libyen und einige weitere Mosaiksteinchen über Toms Gruppe, wobei der Pilot peinlich darauf achtete, keine Geheimnisse preiszugeben.
Als sich die Noratlas Tripolis näherte, weckte der Grieche in libyschen Diensten seine Passagiere:
„Zum Springen seid Ihr wohl nicht fit genug," stellte er ironisch fest und erntete entrüsteten Widerspruch. Tom hatte fest damit gerechnet, dass sie ganz normal landen würden. Umso mehr freute er sich, dass sie noch einmal springen durften.
„Na gut, ich lasse Euch über dem Zeltdorf raus. Herr General, Sie auch?" fragte Stavros.
„Doch, schon. Das hat doch ganz gut geklappt vorgestern," antwortete Fred, der sich vornahm, auch in Deutschland hin und wieder zu springen. Fast hatte er vergessen, welche Glücksgefühle das jedes Mal freisetzte. Kamal war traurig, dass er als einziger nicht durfte, aber die Zeit reichte einfach nicht für die nötige Einweisung. Andererseits flog er nun schon zum dritten Mal, das war ja auch schon etwas.
Die Fallschirmspringer landeten alle im Umkreis des weißen Kreuzes für die Hubschrauber. Nur wenige Jeeps standen auf dem Platz vor den Zelten. Hauptmann Hassan, Mohammad und Ali halfen ihnen, die Fallschirme fachgerecht zu verpacken. Im großen Zelt bekamen sie einen Imbiss mit kleinen kalten Speisen und Kaffee, der aber nicht mehr nötig gewesen wäre, um ihre Lebensgeister zu wecken. Das hatte der Sprung bereits geschafft.
Ali führte den General in eins der kleineren Zelte, wo er ein weiteres intensives Gespräch mit dem Chef des libyschen Sicherheitsdienstes führte. Trotz des Altersunterschieds von fast zwei Jahrzehnten verstanden sie sich - sie waren beide Soldaten und Geheimdienstler und damit, unabhängig von ihren diametral unterschiedlichen Zielen und Weltanschauungen, Kollegen.
Der Deutsche war einerseits fasziniert von den fast unbegrenzten Möglichkeiten, die der afrikanische Kollege in seinem Land hatte. Andererseits war er Demokrat genug, anzuerkennen, dass in Deutschland die Geheimdienste – zumindest theoretisch – an die Vorgaben der gewählten Politiker gebunden waren. Er beneidete den Kollegen auch um die Vielschichtigkeit seiner Aufgaben, während sich der MAD auf geheimdienstliche Tätigkeit im Zusammenhang mit der Bundeswehr beschränken musste.
Nach einer Stunde trudelte auch Kamal ein, den Phil vom Flughafen mitgebracht hatte, wo er eigentlich die anderen abholen wollte.
„Hätte ich mir ja denken können, dass Ihr nicht mehr in dem Flieger seid," lachte er und umarmte seine Brüder.
„Leute, Nikos und ich müssen allein mit Gaddafi sprechen. Ihr habt doch sicher Lust zu reiten. Kamal, reite schon mal mit Phil vor. Ihr wartet nach einem Kilometer auf die anderen," ordnete Tom an, der vermeiden wollte, dass der Palästinenser vor Nikos und seinem Gespräch mit dem Staatschef gesehen wurde. Er wollte es Gaddafi gern selbst sagen, dass sie Kamal als unzustellbar an den Absender zurückgeben wollten.
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Die richtigen Leute Band 8: 6.000 Jungs wie Ihr
Historical FictionIn „6.000 Jungs wie Ihr", dem 8. Band meiner Reihe „Die richtigen Leute", geht es um die Vorbereitung und Durchführung einer vorgetäuschten Flugzeugentführung, die dazu dient, die überlebenden palästinensischen Attentäter des Anschlags auf die Olymp...