Über den fröhlichen Lärm in der Kantine hinweg hörten sie beim Frühstück, dass ein Flugzeug landete, was trotz der Größe des Flugplatzes nur selten vorkam. Das mussten die beiden zusätzlichen Soldaten aus Tripolis sein, dachte Tom. „Die chartern denen extra ein Flugzeug," wunderte er sich. „Irgendetwas passt hier nicht." Er nahm sich vor, die beiden etwas intensiver unter die Lupe zu nehmen.
Um neun Uhr versammelten sie sich an drei Jeeps. Die beiden Unteroffiziere aus Tripolis machten Tom Meldung, der Ali bat, ihm ihren genauen Auftrag zu übersetzen.
„Sie sollen den General beschützen," wiederholte Ali die offizielle Darstellung. „So, einsteigen! Tom, Nikos und Hamit bei mir, Klaus und Torsten, für Sie ist der dritte Wagen, und Herr General, Sie fahren mit den beiden Soldaten in der Mitte."
Tom nickte dem Fahrer des zweiten Wagens zu, der sie früher schon gefahren hatte, und der lächelte beim Zurücknicken, angesichts seiner sonstigen Zurückhaltung ein wahrer Gefühlsausbruch. Der Fahrer des letzten Jeeps war ein sehr junger Unteroffizier.
Während Tom einstieg, blieben seine Gedanken genau an diesem Punkt hängen, und blitzschnell bildete sich eine Kette von Assoziationen: Einer der beiden Soldaten aus Tripolis war der älteste, der andere beinahe der jüngste Unteroffizier, die er in der libyschen Armee bisher gesehen hatte. Ein körniges Schwarz-Weiß-Foto blitzte vor seinem inneren Auge auf. Ihm kam ein ungeheuerlicher Verdacht.
„Ali, tu mir bitte einen Gefallen. Geh zu dem zweiten Wagen. Besprich mit den „Wachen" des Generals den Weg. Frag sie, wie sie bewaffnet sind. Hör genau hin. Vielleicht erkennst Du, woher sie kommen."
„Wieso...?"
„Mach mal. Irgendwas ist hier faul. Lass Dir nichts anmerken."
Tom stieg auch noch mal aus, ging zu dem letzten Jeep und flüsterte:
„Klaus, sei aufmerksam. Es könnte was passieren, nur so ein Gefühl."
„Was ist los?" fragte Nikos, als Tom zurückkam.
„Das sind keine libyschen Unteroffiziere, oder sehen die so aus? Die haben uns hier zwei Kuckuckseier ins Nest gelegt. Die Attentäter hätten wir erkannt, aber der Einzige, der die Entführer der „Kiel" gesehen hat, ist Phil, wenn auch nur von Weitem. Und der durfte wohlweislich in Tripolis bleiben."
„Du meinst...? Nein, das wagt nicht mal Gaddafi. Der setzt Fred doch nicht palästinensische Terroristen ins Auto."
Ali stieg ein und drehte sich zu Tom um:
„Das sind keine Libyer. Das Arabisch ist ganz anders. So wie Syrer - ich hatte öfters welche an der Grenze. Sie sagen, sie haben keine Waffen dabei, weil wir über die Grenze fahren."
„Starte den Wagen und fahr langsam los. Nicht schneller als 40," sagte Tom und wandte sich auf Deutsch an Nikos. „Also sind das zwei von den Entführern. Jetzt hat Muammar es übertrieben. Und dann setzt er sie ausgerechnet Fred ins Auto!"
„Was sollen wir machen?" fragte Nikos, der ebenso bestürzt war wie Tom. „Gaddafi benutzt uns, um die beiden nach Ägypten zu schleusen. Nein, nicht nach Ägypten. Zu Al-Numeiri, der ist es ja, der Serhat schickt."
Hamit hatte den Sinn ihrer Worte erfasst, obwohl sie Deutsch sprachen:
„Wir fahren zwei Flugzeugentführer von Onkel Muammar zu meinem Vater? Mist, dann weiß der womöglich auch, dass ich in Libyen bin. Oh nein."
„Möglich wär's," meinte Tom, der blitzschnell überlegte,was zu tun war. Nach wenigen Minuten präsentierte er Ali, Nikos und Hamit seinen Plan. Sie konnten nichts anderes tun, als die beiden Palästinenser in Ägypten an Serhat zu übergeben, aber sie mussten es nicht hinnehmen, dass sie ausgerechnet mit Fred in einem Auto fuhren, und das würden sie ändern.
DU LIEST GERADE
Die richtigen Leute Band 8: 6.000 Jungs wie Ihr
Historical FictionIn „6.000 Jungs wie Ihr", dem 8. Band meiner Reihe „Die richtigen Leute", geht es um die Vorbereitung und Durchführung einer vorgetäuschten Flugzeugentführung, die dazu dient, die überlebenden palästinensischen Attentäter des Anschlags auf die Olymp...