33 Für sowas

0 3 0
                                    

Nikos und Tom zogen ihre libyschen Felduniformen an. Tom musste sich eingestehen, dass ihm diese Kleidung lieber war als die Ausgehuniform der Bundeswehr, die er die letzten Wochen ständig tragen musste. Das lag aber nicht an dem höheren Dienstgrad, den er in Libyen hatte. Er hasste einfach den steifen Hemdkragen und das blasse Grau der deutschen Uniform. Er betrachtete sich im Spiegel und erkannte sich wieder, was in Bonn nicht immer der Fall gewesen war. Er setzte die dunkle Sonnenbrille auf, und schon war er wieder ganz er selbst.

„Kleider machen Leute," dachte Tom zum zweiten Mal an diesem Tag. Das erste Mal war am Kölner Flughafen gewesen, als der MAD-Chef, dessen Uniform Tom quasi als seine zweite Haut angesehen hatte, in einem einfachen dunkelgrauen Anzug vor ihm stand und er ihn fast übersehen hätte. Der Mann war in Zivil so unauffällig, der sollte Geheimagent werden, war Tom durch den Kopf gegangen.

Den umgekehrten Gedanken hatte der General, als er die jungen Männer im Foyer seiner Luxusherberge wiedertraf. Die drei libyschen Majore Tom, Nikos und Phil waren definitiv andere Menschen als die, mit denen er in Bonn zusammengearbeitet hatte. Jetzt stimmten Auftreten und Äußeres überein. Der Mad-Chef hatte noch eine Viertelstunde allein mit Hassan geplaudert, der ihm von seiner ersten Begegnung mit den Leuten aus Athen erzählte, dem Training in Al-Adam.

Die Fahrt zu dem Zeltdorf westlich der Hauptstadt dauerte eine halbe Stunde. Auf flachen Tischen in dem größten Zelt lockten Schalen mit Süßigkeiten. Sie wollten sich gerade auf den Sitzkissen niederlassen, als der Geheimdienstchef und Abu Reza zu ihnen stießen. Phil stellte alle einander vor, Muhammad und Ali brachten Tee, und die erste halbe Stunde diente dem Austausch der Neuigkeiten aus den diversen Familien.

Dann dankte der MAD-General dem Palästinenser förmlich im Namen der Bundesregierung für den reibungslosen Ablauf der Aktion und überreichte ihm den Geldkoffer. Klaus und Torsten besprachen mit Abu Reza die technischen Details ihrer zukünftigen Kontakte, und Abu Reza schien sehr zufrieden zu sein, einen direkten Draht zur Bundesregierung zu gewinnen.

Nikos hatte die bangen Stunden nicht vergessen, als in Zagreb das Flugzeug in eine Bombe verwandelt worden war und sie in Bonn zeitweise von allen Informationen abgeschnitten waren. Eine Frage musste er bei dieser Gelegenheit Abu Reza stellen:

„Hätten Ihre Leute wirklich das Flugzeug gesprengt, wenn es nicht betankt worden wäre?"

„Was hätten sie sonst tun sollen? Ohne Betankung konnten sie nicht starten, und wenn sie nicht hätten starten können, wäre das Flugzeug irgendwann gestürmt worden. Bevor das passiert wäre, hätten sie es gesprengt."

Nikos hatte die Antwort eigentlich gewusst, sie aber nicht zu denken gewagt. Es schauderte ihn. Die Art und Weise, wie der Mann über den Tod von mehr als zwanzig Menschen sprach, diese kalte Selbstverständlichkeit erinnerte ihn daran, mit welcher Art Leute sie gelegentlich zu tun hatten. Gaddafi war von derselben Sorte, und das sollten sie nie vergessen. Besonders Tom nicht. Erst recht nicht Phil.

Den Schlussvortrag hielt, nach zwei Stunden intensiver Gespräche, Abu Reza. Er bedankte sich bei dem General, dass er die Mühe der Reise auf sich genommen hatte, und stellte noch einmal ausführlich den Standpunkt der PLO dar. Am Ende rechtfertigte er ungefragt die Taktik seiner Organisation, mit gezielten, oft spektakulären Aktionen um ihr Land zu kämpfen, wobei Israel als Besatzer vom Suezkanal bis zu den Golanhöhen ihr natürlicher Feind war, was im Prinzip auch für Israels Verbündete galt, allen voran natürlich die USA. Am Ende wandte er sich an den deutschen General:

„Nehmen wir an, Sie wären in einem Dorf in Palästina geboren worden, Herr General. Sie leben da seit Generationen friedlich mit Ihrer Familie. Und dann kommen die Juden und vertreiben Euch, und Ihr müsst in den Libanon gehen. Eure Felder, Euer Haus, alles ist weg. Sie möchten Ihre Heimat wiederhaben, aber die neuen Herren sind so stark, dass ein Krieg aussichtslos wäre. Würden Sie sich in Ihr Schicksal ergeben?"

Die richtigen Leute Band 8: 6.000 Jungs wie IhrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt